Politik | Gemeindepolitik

Wer davonrennt, bleibt draußen

Mit diesen Worten lässt sich wohl am treffendsten die gestrige Wahl des Vertreters der ladinischen Sprachgruppe in der Gemeinde St. Lorenzen beschreiben.
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Foto: Google Street View
Wie berichtet wurde dieser Tagesordnungspunkt bereits in der Februar-Sitzung behandelt. Diese hat jedoch damit geendet, dass beide Vertreter der Freien Liste St. Lorenzen, Dietmar Demichiel und Markus Ferdigg – letzterer hätte „laut Plan“ zum Ladiner-Vertreter gewählt werden sollen – aufgestanden sind und den Ratssaal verlassen haben. Dem vorausgegangen sind kritische Anmerkungen und Stellungnahmen, die bei Demichiel und Ferdigg offenbar einen wunden Punkt getroffen und sie zu dieser Aktion veranlasst haben.
 
 
 
Die Gemeinde steht dabei vor einem verzwickten Problem: Bei den Gemeinderatswahlen 2020 wurden zwei Vertreter der ladinischen Sprachgruppe in den 18-köpfigen Gemeinderat von St. Lorenzen gewählt. Beide – Manfred Huber und Markus Ferdigg – haben für die Freie Liste kandidiert. Während sich Huber bereits nach wenigen Wochen von der Freien Liste verabschiedet hat und nun als unabhängiger Kandidat im Gemeinderat vertreten ist, blieb Ferdigg seiner Fraktion treu. Da laut Bestimmung sich die Vertretungen der jeweiligen Sprachgruppen auch in der Besetzung des Ausschusses widerspiegeln müssen, lautete die Vorgabe an den wiedergewählten Bürgermeister Martin Ausserdorfer, entweder Huber oder Ferdigg in den Ausschuss zu berufen. Da sich die Listenvertreter nicht einigen konnten, lautet der Vorschlag des Bürgermeisters, einen Halbzeitwechsel zu vollziehen: Huber sollte bis Anfang Jänner 2023 das Ressort für Anliegen der Ladiner, Mobilität, Kultur, Museum, Dorfchronik und Energie übernehmen, anschließend sollte Markus Ferdigg dessen Amt übernehmen. Huber hat wie vereinbart seinen Rücktritt eingereicht und damit den Weg frei für die Wahl Ferdiggs gemacht.
 
 
Was hat Markus verbrochen. Er ist doch nur aufgestanden und gegangen!
 
 
Eigentlich eine ausgemachte Sache, allerdings gab bei der letzten Ratssitzung ein Wort das andere, bis die Situation vollkommen eskalierte. Bei den übrigen Ratsmitgliedern hat der theatralische Abgang offenbar bleibende Spuren hinterlassen und die Prophezeihung des Bürgermeisters, dass nach dieser Aktion kein Gemeinderat bereit sein würde, Ferdigg in den Ausschuss zu wählen, hat sich mehr oder weniger bewahrheitet. Nicht nachvollziehbar war diese Haltung für Demichiel, der in die Runde fragte: „Was hat Markus verbrochen. Er ist doch nur aufgestanden und gegangen!“
 
 
 
 
 
12 Gemeinderäte inklusive Bürgermeister Ausserdorfer stimmten dagegen, wohl wissend und in Kenntnis, dass der Gemeinderat aufgelöst wird, sollte 90 Tage nach der Amtsniederlegung von Huber kein Ladiner-Vertreter in den Ausschuss berufen werden. Anders als bei der letzten Gemeinderatssitzung wiedergegeben, ist es in im Falle der Gemeinde St. Lorenzen nämlich nicht möglich, ein Ausschussmitglied von außen zu berufen. Vier Gemeinderäte, unter anderem Vize-Bürgermeister Alois Pallua, enthielten sich der Stimme und nur die beiden bereits eingangs genannten Vertreter der Freien Liste stimmten mit „Ja“, nachdem Ferdigg in seiner Stellungnahme erklärte, dass er das Amt antreten wolle. In den Ausschuss zurückgekehrt ist schließlich Huber, der von der Mehrheit der Gemeinderäte gewählt wurde.
 
 

Vereinbar oder nicht?

 
Die Wahl Hubers ist allerdings nicht unproblematisch. Ebenfalls bereits bei der letzten Gemeinderatssitzung diskutiert wurde eine etwaige Unvereinbarkeit von Hubers Amt als Gemeinderat mit dessen beruflicher Tätigkeit. Huber, Unternehmer eines Busdienstes, beteiligte sich an einer Ausschreibung des Mobilitätskonsortiums Bruneck für die City-Buslinie St. Lorenzen. Zwar hat er nur den zweiten Platz errungen, als Subunternehmer wird er allerdings für das erstplatzierte Unternehmen Taferner Reisen Fahrten übernehmen. Nachdem mehrere Stellen involviert sind – so übernimmt auch der Tourismusverein einen Teil der Spesen – ist die Frage nach der Unvereinbarkeit nicht restlos geklärt. Wie Ausserdorfer erklärte, habe Huber bis zur nächsten Gemeinderatssitzung, die am 20. April stattfinden wird, Zeit die Vereinbarkeit nachzuweisen. Der Gemeindrat wird an diesem Termin auf Grundlage der vorgelegten Dokumente entscheiden, ob die Vereinbarkeit gegeben ist. Wie Ausserdorfer erklärte, müsse Huber, sollte die Unvereinbarkeit festgestellt werden, aus dem Gemeinderat ausscheiden. „Umgekehrt gilt – wie immer – die Unschuldsvermutung“, so der Bürgermeister von St. Lorenzen, der erklärte, dass man diesen formellen Akt im Selbstschutzwege vollziehen möchte.
Wie es schließlich weitergeht, wird man bei der nächsten Sitzung sehen, wo Hubers Position geklärt werden soll. Demichiel jedenfalls hat bereits im Rahmen der gestrigen Sitzung angekündigt, dass er die Rechtmäßigkeit der erneuten Berufung Hubers in den Ausschuss anzweifelt und diese entsprechend nachprüfen wird.