Gesellschaft | Nasenflügeltests

Testzentrum Schule – Eine Bilanz

Seit Anfang April sind in Südtirol die Schulen wieder einigermaßen im Normalbetrieb. Zeit für einen Rückblick und eine Zwischenbilanz.
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Schüler
Foto: (c) pixabay

Am 7. April wurden die Südtiroler Oberschulen zu 75% geöffnet, wodurch seither für sämtliche Schulstufen Unterricht in Präsenz möglich ist. Begleitet wurde die Schulöffnung von den verpflichtenden Nasenflügeltests, welche zwei mal die Woche durchgeführt werden und Voraussetzung für den Schulbesuch sind. Die Südtiroler Landesregierung hat damit eine in Italien einzigarte Testpflicht eingeführt, welche sehr kontrovers diskutiert wurde. Nach mehreren Wochen Erfahrung ist es nun an der Zeit für einen kurzen Rückblick und eine Bilanz. Für die Bewertung des Nutzens der Massentests in den Schulen wird ein Vergleich mit der Provinz Trient herangezogen, da diese sich bezüglich Bevölkerung, Klima, Struktur, sanitärer Versorgung und Durchimpfungsrate in einer sehr ähnlichen, nahezu gleichen Ausgangslage befindet.

Politische Kommunikation

Die Landesräte Thomas Widmann und Philipp Achammer haben im März immer wieder erklärt, dass die Schulen nur mit den verpflichtenden Nasenflügeltests geöffnet werden können. Ohne das zwei mal die Woche stattfindende Screening müssten die Schulen voraussichtlich wieder geschlossen werden, so der entsprechende Tenor. Dabei wurde seitens der Politik großes Unverständnis gegenüber den Eltern gezeigt, welche ihre Kinder nicht regelmäßig testen lassen wollen. Es sei ein annehmbares Opfer für die Gewährleistung des Präsenzunterrichtes. Landeshauptmann Arno Kompatscher hat die landesweite Teststrategie Südtirols Anfang Mai verteidigt und behauptet, dass die stabile Infektionslage bei gleichzeitiger Öffnung des Landes dem regelmäßigen Testen zu verdanken sei.

Öffnungsschritte

So wie in Südtirol ist auch im Trentino seit dem 7. April wieder Präsenzunterricht in allen Schulstufen möglich. Wobei die Oberschulen in der Provinz Trient zu Beginn nur zu 50% geöffnet haben, anstatt der 75% in der Provinz Bozen. Mit Ende April hat die Trientner Landesregierung in den ersten und fünften Oberschulklassen dann aber 100% Präsenzunterricht zugelassen, während in Südtirol die vorherige Regelung beibehalten wurde. Die Aktivität in den Schulen war somit in beiden Provinzen vergleichbar stark, allerdings werden in der Provinz Trient die Schüler nicht flächendeckend und regelmäßig getestet.

Was das übrige gesellschaftliche Leben und insbesondere die Gastronomie angeht, wurde diese in beiden Provinzen aufgrund des staatlichen Dekretes mit Ende April geöffnet. In Südtirol ist zusätzlich die Bewirtung in den Innenräumen bei Nachweis des Grünen Passes möglich.

Expertenmeinungen

Im letzten Artikel zur Validität der Schnelltests wurden bereits verschiedene medizinische Deutsche Fachgesellschaften, Experten aus Österreich und das RKI zitiert. Aufgrund der geringen Anzahl der entdeckten positiven Fälle, der schlechten Validität der Schnelltests und der daraus entstehenden Gefahr zunehmender Ansteckungen durch eine gefühlte, falsche Sicherheit bei falsch negativen Ergebnissen, raten die genannten Fachleute von flächendeckenden Massentests bei asymptomatischen Personen ab. Eine im März in Italien veröffentlichte Metastudie, bei welcher die Daten von über 7 Millionen Personen einbezogen wurden, kam zum Schluss, dass die Schule der sicherste Ort ist und dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Infektionsgeschehen in der Bevölkerung und der Schulöffnung bzw. -schließung gibt.

Entwicklung des Infektionsgeschehens

Das Infektionsgeschehen hat sich in den letzten Wochen, wie schon im Jahr 2020 in dieser Zeit, sehr positiv entwickelt. Die Inzidenzwerte sind kontinuierlich gesunken, dies nicht nur in Südtirol sondern auf dem gesamten Staatsgebiet.

In der Provinz Bozen sind die 7-Tages-Inzidenzwerte seit dem 7. April von 133 Infektionen pro 100.000 Einwohner auf einen Wert von 85 (Stand 13.05.21) abgesunken. Dies entspricht einer Abnahme von 36%.

In der Provinz Trient ist die 7-Tages-Inzidenz im gleichen Zeitraum von 132 Infektionen pro 100.000 Einwohner auf einen Wert von 71 (Stand 13.05.21) gesunken. Was einer Abnahme von 46% gleich kommt.

Infektionen in den Schulen

Anfang Mai wurden in der Tageszeitung Dolomiten die bisherigen Daten zu den Tests an den Schülern veröffentlicht. Von 392.533 durchgeführten Tests wurden schlussendlich 177 per PCR-Test als positiv bestätigt. Dies entspricht einer Positivitätsrate von 0,045%. Anders ausgedrückt wurden über 2.000 Schnelltests durchgeführt um einen positiven Fall zu erkennen. Weder in der Provinz Bozen, noch im Trentino wurden größere Cluster in den Schulen gemeldet oder mussten sogar öfter Schulen geschlossen werden.

Fazit

Nachdem die Aktivitäten und das Infektionsgeschehen gegenübergestellt wurden, kann festgestellt werden, dass:

  • in beiden Provinzen mehr oder weniger vergleichbare Öffnungsschritte zugelassen wurden,
  • der Verlauf des Infektionsgeschehens in der Bevölkerung im Trentino stärker gesunken ist als in Südtirol,
  • die Schulöffnung keinerlei Einfluss auf die Inzidenz in der Bevölkerung hatte und es kaum zu Clusterbildungen in den Schulen diesseits und jenseits der Salurner Klause gekommen ist,
  • der Schulbetrieb in Präsenz in beiden Provinzen problemlos aufrecht erhalten werden konnte,
  • der Steuerzahler in Südtirol bis zum Schulschluss mehrere Millionen Euro für die Massentests an den Kindern und Jugendlichen bezahlt hat, während bei den Trientner Schülern keine zusätzlichen Kosten entstanden sind,
  • der Nutzen der Massentestungen an asymptomatischen Schülern aufgrund der geringen Positivität nicht erkennbar, da höchstwahrscheinlich nicht vorhanden ist,
  • die zitierten Expertenmeinungen und Studien die Situation richtig eingeschätzt und recht behalten haben,
  • die Landesräte Thomas Widmann und Philipp Achammer die Situation im Vorfeld falsch eingeschätzt haben,
  • Landeshauptmann Arno Kompatscher mit seiner Aussage, dass die stabile Infektionslage den Tests zu verdanken ist, die Unwahrheit gesagt hat. Würde man davon ausgehen, dass er über die Situation in anderen Provinzen informiert ist, könnte man von einer bewussten Irreführung sprechen, um den Südtiroler Sonderweg zu rechtfertigen.

Ausblick

Vermutlich wird uns ein entspannter Sommer wie im Jahr 2020 bevorstehen. Die Infektionszahlen werden höchstwahrscheinlich ab Juni auf nahezu Null sinken, bis sich das Coronavirus voraussichtlich mit den kälteren Temperaturen im Herbst wieder stärker bemerkbar macht. Es bleibt zu hoffen, dass die Impfungen bis dahin ihre erhoffte Wirkung zeigen und der Winter 2021 ein besserer wird. Von der Landesregierung erwarte ich mir, dass die Ergebnisse entsprechend evaluiert werden und die nötigen Konsequenzen gezogen werden. Die Nasenflügeltests würden dann das gleiche Ende nehmen, wie zuvor schon die Corona-Schnüffelhunde. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Landespolitiker das Projekt loben und als Erfolg darstellen werden. Vielleicht gibt es ja auch bald eine beauftragte Studie der Eurac, welche bescheinigt, dass die Tests an den Kindern uns vor unzähligen weiteren Ansteckungen bewahrt haben.