Gesellschaft | Generaldirektor

Schael, bleib' bei deinen Leisten

Thomas Schael steht derzeit im Fokus vielerlei Kritik. Die Vorwürfe: "Unqualifizierte, diskriminierende Aussagen", "blinder Einsparungswahn", "Kompetenzüberschreitung".

Er muss zur Zeit einiges einstecken, der neue Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs. Von vielerlei Seiten hagelt es Kritik an seinen Plänen mit dem hiesigen Gesundheitswesen. Vor allem sein “blinder Einsparungswahn”, wie es der Vorsitzende des Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbunds ASGB Tony Tschenett nennt, erntet vielerorts Unverständnis. “Thomas Schaels Sparkpolitik im Gesundheitswesen zielt einzig und allein auf betriebswirtschaftliche Aspekte ab”, wirft Tschenett ein.


Die Billigvariante tut's auch?

Ein Beispiel: Anfang August ließ Schael mit dem Vorschlag, bei den Medikamenten für die onkologische Versorgung von Tumorpatienten auch mal auf die kostengünstigere Variante zurückzugreifen, aufhorchen. “Es geht darum, den galoppierenden Kosten mit Blick auf die klinische Angemessenheit Einhalt zu gebieten. In bestimmten Fällen gibt es bei gleicher Wirksamkeit günstigere Medikamente”, ließ Schael im Rahmen seines Inspektionsbesuchs im Krankenhaus Brixen verlauten.

Meine Intention ist es, von Seiten der klinischen zu verlangen, dass sie beim Einsatz der Hilfsmittel und Medikamente noch stärker auf erwiesene Angemessenheit und Wirksamkeit achten. (Thomas Schael)

Es folgte ein offener Beschwerdebrief, in dem sich eine Gruppe von Krebspatienten beklagte, der neue Generaldirektor habe seine Kompetenz überschritten. Das sieht man auch beim ASGB so. “Es gilt klarzustellen, dass sich Thomas Schael aus medizinischen Entscheidungen rauszuhalten hat und nicht legitimiert ist, den Ärzten Ratschläge darüber zu geben, welche Medikamente sie zu verschreiben haben.” Auf die Kritiken folgt eine schriftliche Stellungnahme des Generaldirektors:

Avendo vissuto personalmente una esperienza di malattia oncologica, conosco molto bene quali siano gli stati d’animo e le paure di un paziente oncologico e dei suoi familiari. Comprendo quindi perfettamente le Vostre preoccupazioni in merito a quanto apparso sulla stampa e mezzi di comunicazione in questi giorni rispetto ad una tematica di notevole impatto psicologico e sociale quale il settore oncologico.

Er versichert: “Jeder einzelne Tumorpatient, der in unseren Krankenhausstrukturen behandelt wird, wird weiterhin die klinische Versorgung erhalten, die er benötigt. Dort, wo ein wissenschaftlich belegter und wirklicher Nutzen für den Patienten besteht, werden auch in Zukunft teure und innovative onkologische Medikamente verabreicht werden. Den Patienten im Endstadium hingegen wird durch die Palliativ-Therapien eine bessere Lebensqualität garantiert werden.” Er habe jedenfalls die Absicht, mit der größten Verantwortung und Empathie zu handeln, so die Schlussworte Schaels.


Zwei-Klassen-Sanität?

Doch endet die Kritik an diesem Punkt nicht. “Schael lässt immer wieder mit unqualifizierten Aussagen aufhorchen”, bekräftigt Tony Tschenett. Darunter fällt wohl auch das wenig elegante Zitat, das dem Sanitätsdirektor zugeschrieben wird: “Beispiel Knieprothese: Eine kostet 1.000 Euro, die andere 2.000 Euro. Dazu habe ich einen 35-jährige Patienten und einen 70-jährigen. Letzterer hat noch eine Lebenserwartung von 15 Jahren, also nehme ich erstere.”

Der ASGB appelliert an die politisch Verantwortlichen sicherzustellen, dass Herr Schael in Zukunft kompetenzüberschreitende und diskriminierende Äußerungen unterlässt. (Tony Tschenett)

“Diese Aussage hat dem Fass den Boden ausgeschlagen”, so der Aufschrei aus dem ASGB. “Damit begibt sich Thomas Schael auf ein Terrain, das höchst diskriminierend ist und zwischen Menschen erster und zweiter Klasse unterscheidet”, empört sich der ASGB-Vorsitzende Tschenett. Er erinnert an den Vergleich von Piloten, die seit zwei Jahren nicht mehr geflogen seien, mit dem Personal in den Geburtenabteilungen in Sterzing und Schlanders. Auch auf diese irritierende Aussage Schaels folgt ein offener Brief. Diesmal vom Pusterer Jugendarbeiter und Aktionskünstler Armin Mutschlechner. “Mi permetto di dargli un consiglio”, schreibt er auf seinem Blog. “Il termine Lebenserwartung non lo prenda più in bocca. È bruciato dalla politica regionale stessa. (…) Piuttosto di risparmiare nella qualità del servizio, risparmi nelle strutture. (…) Si limiti a garantire che al cittadino – che ne ha bisogno – vengano garantite le cure migliori. Tagli là, dove finora c’era spreco.”

Schaels' Zitat, das für Empörung sorgt, erscheint Anfang August in der Tageszeitung Dolomiten. Foto: Armin Mutschlechner

Eine weitere Empfehlung für den Generaldirektor und seine Sparpläne kommt auch von Tschenett: “Bevor Thomas Schael den Sparstift zu Lasten des Personals und der Patienten ansetzt, soll er bei sich anfangen. Es wäre ein Zeichen des guten Willens, wenn er sein Gehalt von 240.000 Euro dem des Generaldirektors der Autonomen Provinz Trient von 190.000 Euro anpassen würde.” Zum Reigen jener, die Schael Spartipps geben, gesellt sich schließlich kurz vor dem Wochenende auch die Ärztegewerkschaft ANAOO: “Die klinische Versorgung muss an erster Stelle stehen, erst danach kommen wirtschaftliche Überlegungen”, heißt es in einem Schreiben, das dem Sanitäts-Generaldirektor ins Haus geflattert ist.

Wir fordern eine stärkere Einbeziehung in die Diskussion um die Umsetzung der Sanitätsreform. (ANAOO)

In diesem fordern die Ärzte Schael zudem auf, endlich die Besetzungen der Primariate in Angriff zu nehmen. ANAOO-Vorsitzender Claudio Volanti fordert – wie bereits von Schaels Vorgänger Andreas Fabi – Wettbewerbe und nicht die Besetzung der Stellen durch Direktvergabe. Darüber hinaus verlangt man mit Nachdruck transparente Entscheidungen und klare Auswahlkriterien. Die Verzögerungen bei der Stellenvergabe hatte nicht zuletzt auch die SVP Wipptal kritisiert. Im Falle der vakanten Primariatsstelle für Innere Medizin am Krankenhaus Sterzing dulde die gegebene Dringlichkeit “keinen weiteren Aufschub mehr”, so SVP-Bezirksobmann Karl Polig. “Es klingt wie ein Hohn, wenn die obersten Vertreter des Gesundheitsbetriebes ständig beteuern, dass die periphere Versorgung aufgewertet und das Gesundheitssystem kapillarer und flächendeckender arbeiten soll, aber von einer praktischen Umsetzung dieser Leitlinien ist nichts zu spüren ist”, so Polig.

Thomas Schael hat es also in etwas mehr als zwei Monaten, die er im Amt ist, geschafft, sich durch die Bank und landesweit nicht gerade beliebt zu machen. Was unter anderem die Redaktion der Tageszeitung vor einigen Tagen dazu veranlasste, Schael den Titel “Thomas der Schreckliche” zu verleihen.