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Marco Bernardi: Seine letzte Spielzeit

Marco Bernardi hat das Theaterleben in Südtirol 35 Jahre lang mitgeprägt. Nun verabschiedet er sich mit den „sguardi femminili“, Frauen als Protagonistinnen des Theaters.

Gar nicht erst emotional werden wollten die drei Herren in den grauen Anzügen auf der Bühne des Studiosaals im Bozner Stadttheater. Natürlich ist das nicht gelungen. Bereits bei der Dankesrede von Giovanni Salghetti Drioli, dem Präsidenten des TSB-Verwaltungsrates zeigte sich Theaterdirektor Bernardi gerührt und von Emotionen gepackt. „Non ho dormito stanotte,“ gesteht er ob seiner vor Jahren getroffenen Entscheidung, den Intendantensessel zu räumen, die nun einzulösen ist. Bürgermeister Luigi Spagnolli streut ebenfalls Rosen des Dankes und Lobs dem lang-, einige sagen, viel zu langjährigen Direktor des Bozner Teatro Stabile. Marco Bernardi ist trotz Rührung gut im Nehmen. Auf lakonische Weise gibt er zu verstehen, dass auch er sich der Rekordzeit von 35 Jahren bewusst ist. Damals inszenierte er als junger Regisseur seinen ersten Shakespeare: Romeo und Julia im Grieser Theater in der Telsergalerie. Ein Erfolg! „Doch die beiden Hauptdarsteller, Aldo Reggiani und Maria Teresa Martino, gibt es gar nicht mehr. Der eine ist im vorigen Jahr gestorben und die andere ist ins Kloster gegangen. Nur ich bin immer noch am Theater!“

"Meine letzte Spielzeit als Direktor des Teatro Stabile di Bolzano wollte ich den großen Frauenfiguren widmen, jenen auf der Bühne, aber auch jenen im Zuschauersaal, unseren treuen und begeisterten Besucherinnen."

Dabei lag das nie in seiner Absicht. Der 1955 in Trient geborene Bernardi studierte in Bologna „Lettere e filosofia“ und wollte etwas machen mit Schreiben oder Film. „Ich wollte nie ans Theater wie viele meiner Studienkollegen, schon gar nicht Regie führen und dass ich einmal als Theaterdirektor enden könnte, war das Letzte was ich mir wünschte.“ 25-jährig übernahm Marco Bernardi die Leitung des Teatro Stabile in Bozen, 1980 unter der kommissarischen Verwaltung von Carlo Corazzola, dem späteren RAI-Direktor. Es war eine politisch heikle Zeit damals, die SVP hätte das italienische Theater in Bozen am liebsten ganz zugesperrt, zu groß war das Misstrauen und die Angst vor „linken“ und „roten“ Kultureinrichtungen. Doch Bernardi und Corazzola überzeugten, nicht zuletzt unter der Ägide und Beratung der beiden Bozner Stadtpolitiker Claudio Emeri und Claudio Nolet.

Marco Bernardi in jungen Jahren

Dass das Stabile dann 1999 in das neue Theater am Verdiplatz einziehen konnte, war ebenfalls dem Netzwerken der tüchtigen Kulturpolitiker zu verdanken. Ein wichtiges Ereignis auch für Bernardi, der damals bereits seine künstlerische Sturm- und Drangzeit mit innovativen Inszenierungen von John Cassavates, Margarethe von Trotta oder einem dem italienischen Publikum gänzlich unbekannten Thomas Bernhard hinter sich hatte. Später wurde Bernardi dann zum Spezialisten für die europäischen Klassiker der Moderne wie Tschechow, Ibsen, Strindberg, aber auch Shakespeare und Molière.

Die 65. Spielzeit des Teatro Stabile zeigt Oscar Wilde, Cristina Comencini, Pippo Delbono und Molière, Neil Simon und Anton Tschechow - mehr dazu auf im Programm des TSB

Der Einzug ins neue Theaterhaus kam wie ein Jungbrunnen, vieles schien wieder möglich, einiges wurde verwirklicht, wie das Heranzügeln neuer Talente (Fausto Paravidino, Andrea Castelli), das Auf-den-Weg-bringen der experimentellen Theaterschiene „Altri percorsi“, anderes blieb auf der Strecke, so das vielbeschworene zweisprachige Theater, die Zusammenarbeit zwischen Stabile und Vereinigten Bühnen Bozen.

Das Stabile, sämtliche Stabili in Italien sind mehr noch als lokale Einrichtungen Tournéetheater. Das wird sich mit der neuen Theaterreform ändern, die ab Jänner 2015 greifen soll: Nicht mehr als 40 Prozent der Inszenierungen dürfen reisen, die Stabili sollen mehr an die Territorien angebunden werden. Das wird Marco Bernardi nicht mehr erleben: Er übergibt sein Theater dem Nachfolger Walter Zambaldi. Der 39-jährige Bozner soll ab 18. Juni 2015 das Teatro Stabile Bolzano in die neue Zeit führen. Zambaldi war Bernardis Assistent und leitet seit 2005 die Theaterproduktionsstätte „La Corte Ospitale“ in Rubiera (Reggio Emilia).

2015 wird Marco Bernardi 60; dass er gänzlich noch mal was anderes machen könnte, ist sein Wunsch, doch bereits zum Ende seiner Rede im Studiosaal des Stadttheaters hin kündigt er kommende Regiearbeiten an, vielleicht möchte er doch im Theater alt werden.