Benkos Rekurs
Es ist still geworden, um das Projekt, das die Landeshauptstadt mehr als ein Jahr in Bann gehalten hat. Doch die rar gewordenen Schlagzeilen um den Plan für die städtebauliche Umstrukturierung des Areals zwischen Südtirolerstraße, Perathonerstraße, Bahnhofsallee und der Garibaldistraße, vulgo Benko-Projekt, bedeuten keineswegs Stillstand. Dafür hat bekanntlich Bozens Ex-Bürgermeister Luigi Spagnolli mit seiner letzten Amtshandlung gesorgt. Im Schulterschluss mit Land und der Kaufhaus Bozen GmbH, die wie die Gemeinde Bozen „auf die rechtliche Wirkung des Verfalls verzichteten“ (O-Ton Dekret), den die nicht erfolgte Ratifizierung der Vereinbarung mit René Benko durch den Gemeinderat zur Folge gehabt hätte.
Und so hat sich erst am Donnerstag Vormittag dieser Woche erneut eine Arbeitsgruppe der wieder eingesetzten Dienststellenkonferenz getroffen, um an dem Projekt weiter zu basteln, das im Sommer vom Bozner Gemeinderat versenkt worden war. Offizielle Auskünfte über das Fortschreiten der Arbeiten sind allerdings weder von Ulrike Pichler, der Nachfolgerin des bisherigen Vorsitzenden Helmuth Moroder, noch im Generalsekretariat der Gemeinde zu bekommen. „Nicht ermächtigt zu reden“, ist die einzige Antwort, die es auf die Frage nach der Dienststellenkonferenz gibt. Auch der der neue Herr im Haus ist gerade erst dabei die Akten zu studieren – so hat es Bozens Kommissar Michele Penta bei seinem ersten Treffen mit der lokalen Presse vor einer Woche angekündigt.
Woran die Techniker der Dienststellenkonferenz derzeit arbeiten, ist ohnehin kein Geheimnis: Schließlich hat das Dekret Spagnollis drei Punkte vorgegeben, mit denen die Rahmenvereinbarung mit der Kaufhaus Bozen GmbH verbessert werden soll: die Abtretung von rund 2000 Quadratmeter Flächen für öffentliche Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder ein Jugendzentrum auf dem Areal; die Reduzierung der dort vorgesehenen Parkplätze und schließlich die Berücksichtigung lokaler Unternehmen bei der Ausschreibung für die Errichtung von öffentlichen Infrastrukturen.
Laufender Abstimmungsprozess
Der dritte Punkt ist in der derzeitigen Phase nicht aktuell; zur Abtretung von Flächen an die Gemeindeverwaltung und die Parkflächen findet dagegen derzeit „ein Abstimmungsprozess zwischen Projektträger und Gemeinde statt, der noch im Laufen ist“, heißt es aus dem Gremium. Bislang sind die Vertreter der betroffenen öffentlichen Körperschaften seit ihrer Wiedereinsetzung nur einmal alle gemeinsam zu einer Sitzung zusammengetroffen; gearbeitet wird wie bereits bisher vor allem in Arbeitsgruppen.
Ob diese Arbeit aber zu einem „Benko bis“, also einer überarbeiteten und diesmal ratifizierten Rahmenvereinbarung zwischen Benkos KHB und der Gemeinde Bozen bzw. dem Land führen wird, sei derzeit aber „noch komplett offen, und zwar sowohl technisch und erst recht politisch“, erklären Mitglieder der Dienststellenkonferenz im Hintergrundgespräch. Denn auch wenn das technische Gremium sich aufgrund von Spagnollis Dekret bewegen musste: Wie es weitergeht, entscheiden vor allem Bozens neuer Kommissar und der Landeshauptmann. Deshalb wird nun mit Spannung darauf gewartet, wie sich Michele Penta positioniert. Denn der Bozner Kommissar hätte alle Vollmachten, das Projekt durchzuwinken. Schließlich vertritt er bis zur Neuwahl nicht nur den Gemeindeausschuss und den Bürgermeister, sondern auch den Gemeinderat. Und: Spätestens seit Anna Pitarelllis versuchtem Königsmord wurde Benko und seiner Bozner Mannschaft gerne unterstellt, auf eine kommissarische Verwaltung der Landeshauptstadt zu setzen, um ihr Projekt durchzubekommen.
Gschmackige Gerüchte
Entsprechend gschmackig sind auch die Stories, die derzeit in Bozens Gerüchteküche köcheln. So zum Beispiel jenes von einer Einladung von Regierungschef Matteo Renzi in René Benkos Villa am Gardasee - die dann natürlich zu einem entsprechenden Briefing des neuen Kommissars geführt hätte. Weitaus verbriefter sind dagegen dessen erste offizielle Äußerungen: „Theoretisch hat ein Kommissar sehr weitreichende Kompetenzen“, sagte Michele Penta da im Video-Interview mit der Tageszeitung Alto Adige. „Dennoch sollte er sorgsam darauf achten, keine politischen Entscheidungen zu treffen, die ihm nicht zustehen.“
Landeshauptmann Arno Kompatscher sollte das gelegen kommen. „Ich werde eine abgeänderte programmatische Vereinbarung als Vertreter des Grundeigentümers Land Südtirol nur dann unterzeichnen, wenn sie vom Bozner Gemeinderat genehmigt worden ist”, hatte er schließlich im September versprochen. Von der angekündigten Bekräftigung dieses Versprechens durch einen Beschluss der Landesregierung war seitdem zwar nichts mehr zu hören. Dennoch klingt die gesamte Konstellation für Heinz Peter Hager und seinen Nordtiroler Geschäftspartner keineswegs nach einem gemachten Nest.
Stiller Rekurs
Auch aus dieser Optik kann ein rechtlicher Schritt der Benko-Leute gesehen werden, der bislang kaum bekannt ist: Die KHB-Vertreter haben am 26. Oktober einen Rekurs beim Bozner Verwaltungsgericht deponiert. Damit soll die Gültigkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 23. Juli aufgehoben werden. Der Grund dafür? Der unterstellte und bereits vieldiskutierte Interessenskonflikt des damaligen Stadtrats Luciano Giovanelli, den die Rekurssteller bei dessen früheren Funktionen bei der KHB-Gegenspielerin Erlebnishaus Gmbh festmachen.
Heinz Peter Hager, Präsident der Kaufhaus Bozen GmbH, bevorzugt es, das rechtliche Verfahren nicht zu kommentieren. Doch bereits in der Vergangenheit hatten die Benko-Leute auf verschiedenste Arten die Gültigkeit der Abstimmung in Frage gestellt. Angesichts des knappen Abstimmungsergebnisses hätte ein Ausschluss Giovanellis den Ausgang tatsächlich beeinflussen können. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass der damalige Wirtschaftsstadtrat in der geheimen Abstimmung bei seinem vorab angekündigten Nein blieb. Wäre er aufgrund eines Interessenskonflikts tatsächlich von der Abstimmung ausgeschlossen worden, hätte es nur mehr 43 Stimmberechtigte gegeben – und die 22-Ja Stimmen hätten für eine Ratifizierung gereicht.
Giovanelli selbst kann solch nachträglichen Spekulationen und Zahlenspielereien wenig abgewinnen. Der Kaufmann und langjährige hds-Funktionär urlaubt zur Zeit gerade in Kenia. „Alles was ich sage kann: Zum Zeitpunkt der Abstimmung hatte ich bereits alle Funktionen innerhalb der Erlebnishaus GmbH niedergelegt“, so sein kurzer Kommentar zum Benko-Rekurs.
Deutlicher Vorbehalt
Wie relevant solch alte Diskussionen heute überhaupt noch sind, kann jedoch trotz des Rekurses in Frage gestellt werden. Denn selbst wenn ihm das Verwaltungsgericht stattgeben würde – genau genommen ist die Gültigkeit des Gemeinderatsbeschlusses ohnehin schon von Ex-Bürgermeister Spagnolli und Landeshauptmann Kompatscher ausgehebelt worden. Zumindest einen weiteren Versuch gibt es nun aber auch am Bozner Verwaltungsgericht. Ein Schritt der Kaufhaus Bozen GmbH, der wohl auch als Absicherung der eigenen Rechte gesehen werden muss. Aber auch als Drohgebärde oder zumindest relativ unfreundliche Geste gegenüber dem aktuellen Verhandlungspartner interpretiert werden kann. Darauf läuft zumindest das Ende des Rekurs-Schriftsatzes hinaus. Demnach behalten sich René Benko und Heinz Peter Hager vor, weitere Dokumente einzureichen, um Schadenersatzansprüche gegenüber der Gemeinde Bozen geltend zu machen.
Es mag still geworden sein um das Benko-Projekt. Doch in der Versenkung ist es noch lange nicht verschwunden.