Gesellschaft | Falschmeldungen

Sabes gegen “Sabine”

Wie perfide die Fake News rund um die Corona-Pandemie inzwischen geworden sind, zeigt ein angebliches “Interview” auf Facebook. Der Sanitätsbetrieb reagiert.

Stellt der Südtiroler Sanitätsbetrieb die Corona-Situation dramatischer dar als sie ist? Täuschen die Verantwortlichen des Gesundheitssystems gemeinsam mit dem Land bewusst die Bürger? Das behauptet “Sabine”. Wer sie ist, weiß man nicht. Doch sie wird als “hochqualifizierte Mitarbeitern im Krankenhaus” präsentiert – in einem als “Interview” ausgegebenen Text, der am Donnerstag auf Facebook veröffentlicht wurde. Und zwar auf der Seite “Freie Bürger Cittadini Liberi TrentinoSüdtirol”.

“Sabine” berichtet von unglaublichen Vorgängen rund um die Intensivstation im Krankenhaus von Bozen. “Uns wurde erklärt, dass von ganz oben die Anordnung kam, Fotos von Intensivpatienten zu machen, die durchaus dramatisch aussehen sollten. (…) Die Rede war von Widmann, Zerzer und auch ein Stofner (Gesundheitslandesrat Thomas Widmann, Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer und Ulrich Stofner, Ressortdirektor von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Direktor der Landesagentur für Presse und Kommunikation, Anm.d.Red.) spielte eine Rolle, auch eine Agentur, ich weiß nicht mehr, wie sie heißt.”

 

Die Fotos soll, so “Sabine”, der Sanitätsbetrieb dem Alto Adige zugespielt haben, “um der Öffentlichkeit die Dramatik der Situation klarzulegen”. Dabei sei die gar nicht so dramatisch. “Was jetzt unser System belatet, ist die Panikmache durch Medien und Politik”, nicht das Coronavirus, behauptet “Sabine”. Sie habe das mit den angeblich gestellten Fotos auch den Medien mitgeteilt. Aber die hätten “kein Interesse daran” gehabt und sie abgewimmelt. “Mir wurde von einigen Medienvertretern klar gesagt: Auch wenn es stimmt, dass die Fotos gestellt sind, hat es ja einen Sinn. Durch eine Veröffentlichung dieses Umstandes würden wir alle Corona-Maßnahmen in Zweifel ziehen. Die Leute draußen sollten ruhig glauben, dass die Situation dramatisch ist.”

In Windeseile verbreitete sich der Post mit dem “Interview” über Facebook und WhatsApp. Inzwischen wurde er von besagter Facebook-Seite gelöscht. Screenshots davon zirkulieren aber weiter. Nun reagiert der Sanitätsbetrieb. Dass Falschmeldungen und Fake News zur Corona-Pandemie über soziale Medien, Blogs und Videoplattformen verbreitet werden, ist bekannt. Doch nach diesem “besonders eklatanten Fall” will man nun einschreiten.

Nichts davon, was die ominöse “Sabine” erzählt habe, sei wahr, betont Primar Marc Kaufmann, Medizinischer Einsatzleiter und Verantwortlicher der Covid-19-Intensivstation: “Die Anfrage zur Fotostrecke ist vom Alto Adige selbst gekommen, wie überhaupt in den letzten Tagen viele Medien diesen Wunsch geäußert haben und auch zugelassen wurden (ORF Südtirol, RAI-Südtirol, RTTR). Die Situation ist ernst genug, hier musste nichts gestellt werden.

 

Die aufgestellten Behauptungen sind falsch und obendrein schwer rufschädigend, sagt Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer: “Es wird behauptet, dass die Aktion von der Generaldirektion oder gar vom Land Südtirol in die Wege geleitet wurde, um Angst zu schüren. Es werden Namen und Vermutungen angestellt. Diese Aussagen sind komplett falsch, die Journalisten, Fotografen und Kameraleute waren vollkommen frei in der Gestaltung ihrer Motive. Wir haben den Facebook-Post an unser Rechtsamt weitergeleitet, um dagegen vorzugehen, und um jene Personen ausfindig zu machen, die für solche Unwahrheiten verantwortlich sind.”

Die Betreiber der Facebook-Gruppe “Freie Bürger Cittadini Liberi TrentinoSüdtirol” scheinen dort nicht auf. Einzig eine E-Mail-Adresse und eine Handynummer sind angegeben. Wer die Nummer im Netz sucht, stößt auf den Namen eines ehemaligen Landtagsabgeordneten: jenen von Andreas Pöder.

“Aus Solidarität mit den vielen Familien, die aufgrund dieser schrecklichen Pandemie Angehörige verloren haben oder immer noch um das Leben ihrer Lieben bangen, sowie zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich Unglaubliches vollbringen und in diesen Facebook-Post als Menschen dargestellt werden, welche die Unwahrheit sagen, wird der Südtiroler Sanitätsbetrieb jetzt und in Zukunft gegen derartige Lügen konsequent vorgehen”, kündigt Zerzer an.