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Weibliche Sichtweisen im Kino

Die Reihe „Female Views“ im Filmclub Bozen.

Letzte Woche, am 8. März, war der „Tag der Frau“. Manche Frauen sind mit Blumen in der Hand durch Bozen gelaufen, eine Partei hat mit einem Primel-Standl auf das Thema Brustkrebs hingewiesen. Insgesamt ein Tag wie jeder andere also.

Der Tag der Frau war ursprünglich von den Sozialistinnen ins Leben gerufen worden, um ein jährliches Demonstrationsdatum für das Frauenwahlrecht einzurichten. Seine mehr als 100jährige Geschichte ist eng mit den wechselhaften historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts verknüpft. Während des Nationalsozialismus wurde er in den Untergrund gedrängt und stattdessen der „Muttertag“ zum offiziellen Feiertag erhoben. Nach dem Krieg waren Frieden und der Kampf gegen Wiederbewaffnung seine Hauptthemen. Einen Aufwind erhielt er wieder in den 60ern, wobei er zunehmend auch aus Frauenreihen kritischer beäugt wird. Gönnerhaft sei er, und abschaffen sollten wir ihn, meint die konservative Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, und stattdessen 365 Tage für Menschen, für Männer wie Frauen, einrichten.

Zwei Tage danach treffe ich Brigitte Hofer und Alma Vallazza, die die Filmreihe „Female Views“ 2013 gegründet haben, in einem Café in Bozen.
Brigitte: Als wir uns kennengelernt haben, war die erste Idee, über die Filme ein Netzwerk aufzubauen, um mit verschiedenen Realitäten von Südtirol in Kontakt zu kommen: Personen aus regionalen und überregionalen frauenpolitisch releavanten Vereinen und Institutionen.

Es geht also über das Medium Film auch um Kontaktaufnahme, gegenseitiges Kennenlernen, eine gemeinsame Diskussion und die Weitergabe von Informationen. Mittlerweile kümmert sich eine lose Gruppe, bestehend aus Brigitte Hofer, Alma Vallazza, Uli Spitaler (Centaurus), Ingrid Runggaldier (freie Publizistin), Martin Kaufmann (Filmclub Bozen), Kunigunde Weissenegger (franzmagazine) und Ina Tartler (Dramaturgie VBB) um die Programmierung. Mit einer kleinen Förderung der Gemeinde Bozen können die Filme dann besorgt und projiziert werden.


Female Views: Kunigunde Weissenegger, Martina Kaufmann, Brigitte Hofer, Alma Vallazza, Ina Tartler, Ingrid Runggaldier, Ulrike Spitaler.
 

Alma: Wir sind mittlerweile sehr streng, die Filme müssen von einer Regisseurin kommen. Vorher haben wir dabei Abstriche gemacht, wenn etwa ein frauenspezifisches Thema von einem Regisseur sehr stark dargestellt worden war.
Brigitte: Es geht uns ja auch darum, die Arbeit von Regisseurinnen in den Vordergrund zu rücken.
Alma: Es gibt in der Tat sehr viel weniger Regisseurinnen, die im Mainstream-Bereich erfolgreich sind – warum auch immer. Vielleicht, weil Frauen an Themen anders herangehen, oder die Machart nicht so gefällig ist.
Salto Arts: Ist ein „Female View“ ein Blick, der unbequemer ist?
Alma: Ich denke schon. Wir suchen auch Filme aus, die anspruchsvoller sind, und die nicht so reißerisch und einfach vermarktbar sind.
Die Diskussion über „den weiblichen Blick“, also ob man ihn sehen kann oder festmachen, ob es eine spezifisch weibliche Ästhetik gibt, die führt sehr weit. Es gibt sicher Filme, wo ich behaupten kann: das kann nur eine Frau gewesen sein, die ihn gemacht hat. Gerade bei erotischen Szenen, mit Sex im Film gehen Regisseurinnen meiner Meinung nach anders um.


Recherchen im Ausland, im Winter in Tübingen, nächstes Jahr in Köln: auf Frauenfilmfestivals gibt es immer wieder die Möglichkeit, Neues zu entdecken. Mit einem Auge schauen die Kuratorinnen auch immer, ob etwas Spannendes für Bozen dabei sein könnte. Seit 2013 wurden rund 25 Filme in dieser Reihe gezeigt.

Südtiroler Filmwirtschaft – Potenziale
In der wachsenden Südtiroler Filmlandschaft sind nicht nur Regisseurinnen, sondern Cutterinnen, Produzentinnen, Location Scouts, Ausstatterinnen usw. tätig. Alma und Brigitte erwähnen Carmen Tartarotti („Wir können nicht den hellen Himmel träumen“, „Das Schreiben & Das Schweigen“) und Karin Duregger, eine Dokumentarfilmemacherin, sowie Tizza Covi.
In der von der BLS in Zusammenarbeit mit den Bozner Filmtagen veröffentlichten Booklet-Reihe „Film Made in Südtirol“ werden zwischen 2013-15 8 Filme von Frauen und 14 von Männern vorgestellt (Filme im Regie-Duett nicht mitgezählt), hingegen werden 27 weibliche Talente im Filmbereich und 32 männliche interviewt. Das sind gar keine schlechten Ansichten, wenn auch noch ausbaufähig. In Hollywood hingegen war im November letzten Jahres das Fass übergelaufen: in der New York Times erschien ein langer Artikel, wo sich die Frauen von Hollywood Seite an Seite gestellt haben, um gemeinsam gegen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Filmbusiness aufzustehen.
Auch die Haupt- und Nebenrollenbesetzungen und deren Sprechanteile werden zunehmend kritisiert. Hier die weibliche Präsenz in Hollywood-Produktionen in Zahlen, wo u.a. die Rede ist von lediglich 12% weiblichen Protagonisten im Jahr 2014.

Inspirierend sind mutige Filme wie „Wadjda“ (von Haifa al-Mansour, 2012), eine Empfehlung von Alma und Brigitte. Der allererste Film, der von einer Frau in Saudi Arabien gedreht worden ist, erzählt die Geschichte eines Mädchens, das seinen Wunsch entgegen der dortigen Sitte durchsetzt, ein Fahrrad fahren zu dürfen.
Ein abschließender Gedanke zum Tag der Frau: ja, es gibt noch Einiges zu tun, die Nuancen stimmen noch lange nicht. Aber es bewegt sich auch Vieles und Initiativen wie „Female Views“ weisen in eine gute Richtung nach vorn.

Nächste Filme der Reihe „Female Views“:
Mi, 16.03., 20 Uhr: Dings (Nathalie Percillier, CH/DE 2014-15)
Mi, 06.04., 20 Uhr: Peggy Guggenheim: Art Addict (Lisa Immordino Vreeland, USA/IT/GB 2015)
Mi, 18.05., 20 Uhr: Still the Water (Naomi Kawase, JP/FR/ES 2014)

Zu den Personen:
Brigitte Hofer arbeitet beim ASGB als Gewerkschaftsfunktionärin, war davor lange als ausgebildete Bibliothekarin tätig. Leidenschaftliche Tangotänzerin & in Bozen ansässig seit 15 Jahren.
Alma Vallazza ist Übersetzerin, Lektorin, Verlegerin und Alleinerzieherin. War lange in Wien und lebt seit 6 Jahren in Frangart. Freie Mitarbeiterin beim Filmclub und beim Filmfestival Bozen, wo sie für redaktionelle Textarbeit zuständig ist. War immer schon sehr begeisterte Kinogängerin.