Im Einklang auf die Alm
Der Fall Antersasc ist den beiden Landesräten noch gut in Erinnerung. 2013 hatte die damalige Landesregierung unter Landeshauptmann Luis Durnwalder den Ausbau des Almweges zu einer Straße genehmigt, trotz Kritik von Natur- und Umweltschützern sowie mehreren negativen Fachgutachten. Erfolgreich hatte der Dachverband für Natur- und Umweltschutz gegen die Entscheidung und das Projekt vor dem Verwaltungsgericht rekurriert. Die Freude bei den Umweltschützern war groß als vor exakt zwei Jahren das Urteil gesprochen war: “Dieses Urteil beinhaltet eine klare Botschaft in Richtung Erschließungen der letzten in unserem Land verbliebenen, noch nicht erschlossenen Almen.” Diese Botschaft scheint auch bei den Nachfolgern von Durnwalder & Co. angekommen zu sein. “Der Fall Antersasc hat gezeigt, welch schwierige Situationen sich im Zusammenhang mit Almerschließungen ergeben können”, gesteht Arnold Schuler. Am Montag Vormittag hat der Landwirtschaftslandesrat gemeinsam mit seinem für Umwelt zuständigen Kollegen Richard Theiner zu einer Pressekonferenz geladen, auf der die Neuerungen, die bei geplanten Almerschließungen ab sofort greifen werden, präsentiert wurden.
“Die Vorgangsweise hat sich grundlegend geändert”, schickt Schuler voraus. Und ein paar Daten gleich nach: 149.000 Hektar Almfläche gibt es in Südtirol, das sind rund ein Fünftel der Gesamtfläche des Landes. Von den 1.739 Almen, die es derzeit südtirolweit gibt, sind 89 Prozent bereits erschlossen. 188, von denen sich 73 in Schutzgebieten befinden, sind nicht erschlossen. Will ein Besitzer – der Großteil der Almen befindet sich im Händen von Privaten oder Interessentschaften – seine Alm erschließen, kann er sich künftig an eine eigens dafür eingerichtete Expertengruppe wenden. Diese führt einen Ortsaugenschein durch und erstellt ein Vorgutachten, in dem die Vor- und Nachteile einer Erschließung abgewogen werden, also ob und unter welchen Bedingungen eine Alm erschlossen werden darf. Darauf haben sich die Mitglieder eines ressortübergreifenden Runden Tisches unter Einbeziehung von Bauernbund, Heimatpflegeverband, Dachverband für Natur- und Umweltschutz und AVS geeinigt.
Gleich gemeinsam statt nachher gegeneinander
“Das Thema ist von großem gesellschaftlichen Interesse, bei dem in den letzten Jahrzehnten die Wogen häufig hochgegangen sind. Daher haben wir beschlossen, die Zivilgesellschaft mit einzubinden und gemeinsame Lösungsvorschläge zu erarbeiten”, erklärt Landesrat Theiner. Die neu ins Leben gerufene Expertengruppe wird, wendet sich ein Interessent an sie, “unentgeltlich, unbürokratisch und unter Einbeziehung der betroffenen Gemeinde”, so Theiner, das Vorgutachten erstellen. Das Genehmigungsverfahren ersetzt dieses Gutachten nicht, der Verwaltungsweg bleibt also weiterhin offen. Allerdings “weiß ein Almbesitzer damit bereits im Vorfeld, ob sein Projekt überhaupt Sinn macht; mögliche Schwierigkeiten im Nachhinein und finanzielle Ausgaben können vermieden werden”, listet sein Kollege Arnold Schuler einen Vorteil der neuen Vorgangsweise auf. Auch die zuständigen Ämter sowie Umweltschutzorganisationen würden profitieren, ebenso wie die Politik, “die sich, wenn bereits im Vorfeld ein Konsens gefunden wird, bei der Entscheidung, ob ein Projekt genehmigt wird oder nicht, leichter tut”, steht für den Landwirtschaftslandesrat fest.
Dass Almen auch in Zukunft bewirtschaftet werden sollen, und es den Bauern dabei so einfach wie möglich gemacht werden soll, das steht für die Landesräte und ihre Ressortmitarbeiter fest. “Die Almwirtschaft hat in Südtirol eine lange Tradition und die Bedeutung für die Viehwirtschaft, den Erosionsschutz, die Kulturlandschaft sowie für den Tourismus steht außer Frage”, erinnert Paul Profanter, Direktor der Forstabteilung. Allerdings müsse das ureigene Interesse der Almbesitzer, ihre Flächen zu bewirtschaften, mit dem Prinzip, dass der Gesellschaft dadurch kein Schaden entstehen darf, in Einklang gebracht werden. Daher wird sich die Expertengruppe bei der Bewertung eines Projektes auf einen detaillierten Bewertungskatalog stützen. Im Vordergrund steht die Wirtschaftlichkeit einer Almerschließung (Bewirtschaftungsform, Größe, Anzahl der aufgetriebenen Großvieheinheiten), doch auch hydrogeologische (Hangneigung, Beschaffenheit des Geländes) und technische (Kunstbauten, Lawinenstriche, Steigung, zu überwindender Höhenunterschied) sowie landschaftsökologische (Einsehbarkeit, vom Eingriff betroffene Lebensräume) Kriterien finden Berücksichtigung. “Es ist ein gesamtheitlicher Ansatz, den es so früher nicht gegeben hat”, betont Profanter. Wie die politischen Vertreter, die am Montag Vormittag anwesend sind, auch, ist er überzeugt, mit dem neuen Ansatz für Almerschließungen den Besitzern ein Stück weit entgegenzukommen. “Die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis ein Vorgutachten einzuholen, gibt den Besitzern mehr Planungssicherheit bei einer Almerschließung”, meint Richard Theiner abschließend. Stellt aber auch klar: “Nicht alles, was technisch möglich ist, soll auch umgesetzt werden.”
Interessant zu wissen wäre,
Interessant zu wissen wäre, wie viele der Almen tatsächlich traditionell bewirtschaftet werden. Es gibt verfallene Almhütten, die nur auf der Karte existieren, zu Wochenendhäusern umfunktionierte Almen, landwirtschaftlich sehr intensiv genutzte Almen, Almen die eigentlich Gasthäuser sind usw.
Schluss mit der weiteren Erschließung von autofreien Gebieten, sollte eigentlich die Forderung von Umweltschützern sein. Doch ist dies nicht die Position, welche vertreten wird. Umweltschützer schlagen als Alternative sogar Hubschrauberflüge und Seilbahnen vor.
http://www.tageszeitung.it/2017/01/17/hubschrauber-und-seilbahnen/