Raiffeisen-Kredite bald vor Gericht?
Ring frei für die zweite Runde: Nach dem Entscheid der römischen Kartellbehörde in Sachen Raiffeisen-Kredite hat die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) Dutzende Anrufe von Kreditnehmern erhalten, die sich die Frage stellen, ob sie Anspruch auf Schadenersatz haben. Die VZS will nun für die Geschädigten in die Bresche springen und strebt ein Schlichtungsverfahren mit dem Raiffeisenverband und den 14 Geldinstituten der Raiffeisenorganisation an. Sollten diese Gespräche ergebnislos verlaufen, werde die VZS die Möglichkeit einer Sammelklage gegen Raiffeisen prüfen, sagte Geschäftsführer Walther Andreaus heute (16. März) zu salto.
Anfang März hatte die Kartellbehörde über den Raiffeisenverband Südtirol, die Raiffeisen Landesbank und 13 Raiffeisenkassen wegen Abreden zu den Zinssätzen für Privatdarlehen Millionenstrafen im Gesamtwert von mehr als 26 Millionen Euro verhängt. Das Verfahren geht auf eine Eingabe der VZS zurück, die Raiffeisen, aber auch anderen Südtiroler Geldinstituten vorwarf, sich auf eine Zins-Untergrenze in der Höhe von drei Prozent für Privatdarlehen geeinigt zu haben. Die Kartellbehörde in Rom befand, dass es im Fall Raiffeisen tatsächlich zu wettbewerbsrelevanten Abreden gekommen ist. Die Banken hätten “ihre Marktpolitik untereinander abgestimmt – auch über den Austausch von sensiblen Daten (Zinsen und andere Kreditbedingungen) - mit dem Ziel, den Wettbewerb auf dem Markt der Ausleihungen an Familien in Südtirol zu beschränken”.
Nach Ansicht der VZS haben die Kreditnehmer nun Anspruch auf Schadenersatz. Für ein 2009 gewährtes Darlehen von 200.000 Euro mit einer Laufzeit von 20 Jahren bei einer Zins-Untergrenze von drei Prozent belaufen sich die von den Banken unrechtmäßig verlangten Beträge bis heute auf mehr als 10.000 Euro, rechnet die VZS vor. Sie will die Meldungen der Kreditnehmer systematisch erfassen und hat dazu eine Hotline eingerichtet, die unter der Nummer 0471 975597 erreichbar ist.
Sollte der Schlichtungsversuch scheitern, werde man den Verbrauchern empfehlen, den Rechtsweg zu beschreiten Auch eine Sammelklage sei denkbar, sagte Andreaus. Allerdings seien Sammelklagen in Italien „keine einfache Sache“. Trotzdem lohne sich der Versuch. Eine Class Action wäre für die betroffenen Konsumenten „eine riesige Hilfe, weil sie dann keinen Cent an Verfahrenskosten bezahlen müssten“. Ob es angesichts der Tatsache, dass Raiffeisen den Entscheid der Kartellbehörde vor dem Verwaltungsgericht Latium anfechten will, nicht zu früh sei für gerichtliche Schritte, sagt Geschäftsführer Andreaus: „Wenn wir auf die Entscheidung zu dem Rekurs warten, dann vergehen unter Umständen sieben oder acht Jahre.“ Es sei in solchen Fällen „durchaus üblich“, Schadenersatzforderungen zu stellen, bevor das Verfahren alle Instanzen durchlaufen hat.