Europäische Kulturhauptstadt: War's das wert?
Seit Freitag steht fest: Der Traum von der Europäischen Kulturhauptstadt 2019 ist geplatzt, die Allianz Nordest 2019 von Südtirol mit Venedig und den Städten des Nordostens hat es nicht ins Finale geschafft. Enttäuschung bei den Promotoren, allen voran Landesrat Christian Tommasini, der das Projekt von Beginn an maßgeblich unterstützte. Er betonte allerdings, dass die bisher geleistete Arbeit nicht umsonst war: „In den vergangenen Jahren haben wir in Südtirol selbst und mit unseren Nachbarregionen ein Netzwerk aufgebaut, das über diese Bewerbung hinaus Potenzial haben wird“, meint er. Peter Paul Kainrath, der wissenschaftliche Leiter der Bewerbung, hob in einem Interview im Mittagsmagazin des RAI Senders Bozen hervor, dass sich Südtirol mit seinen Partnern in durchaus illustrer Verliererrunde befinde. Denn unter den 15 der 21 Bewerberstädte, die es nicht in die Endauswahl geschafft haben, seien Kandidaten wie Palermo oder Urbino, dessen Promotorenkomitee gar vom schillernden ehemaligen französischen Kulturminister Jack Lang angeführt wurde.
„Il nordest ci ha sempre portato sfortuna!“
Außerhalb der Bewerbungs-Staff gibt das Scheitern der Bewerbung dagegen Anlass für so manche politische Reaktion. „Il nordest ci ha sempre portato sfortuna!“, meint beispielsweise Ex-Legacoop-Präsident Alberto Stenico von Scelta Civica auf seinem Blog. Dort verbindet er die gescheiterte gemeinsame Kandidatur mit dem bislang gescheiterten Zusammenwachsen Südtirols mit seinen südlichen Nachbarregionen. Diese Geschichte einer gegenseitigen Fremdheit ziehe sich wie ein roter Faden durch die unterschiedlichen Bezeichnungen einer zumindest territorialen Einheit – von den Tre Venezie über den Triveneto bis hin zum Nordest oder nun der Macroregione. Eine Einheit, die von Kartographen, Bürokraten oder auch Journalisten hergestellt werde, die aber keineswegs die vielfach unüberwindbaren kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen widerspiegle, so Stenico. Statt eine gemeinsame Kulturhauptstadt auf die Beine zu stellen, gelt es nun die Chance anzunehmen, eine gemeinsame territoriale Identität aufzubauen – und zwar beginnend bei Südtirol selbst. Seine Alternative zur Europäischen Kulturhauptstadt: una provincia „europea dentro”.
Versenkte Steuergelder
Zumindest im Punkt der mangelnden kulturellen Einheit stimmt auch Roland Lang von der Südtiroler Freiheit mit ihm überein. Laut Lang erkannte selbst die Fachjury im italienischen Kulturministerium, dass die Gemeinsamkeiten des bereits von den Faschisten erfundenen Triveneto nur herbeigeredet waren. Für die Südtiroler Freiheit hat damit selbst Rom erkannt, dass „Südtirol nicht Italien ist und deshalb nicht als Teil einer italienischen Kulturhauptstadt 2019 geeignet ist“, wie Lang schreibt. Er wünscht sich, dass die nun eingesparten Steuergelder sinnvoll für die Menschen im Lande eingesetzt werden.
Auf die bereits ausgegebenen Steuergelder konzentrieren sich dagegen sein Parteikollege Sven Knoll sowie Alessandro Urzì von L’Alto Adige nel cuore. Beide kündigten am Samstag Anfragen im Landtag an, mit denen Rechenschaft über die Kosten der nun gescheiterten Bewerbung eingefordert werden soll. „Die Bewerbung für diese Italienisierungskampagne des PD-Landesrates kostet die Steuerzahler mehr als 250.000 Euro, die damit im wahrsten Sinn des Wortes in den Lagunen Venedigs versenkt wurden“, meint Knoll dazu. Urzì hingegen kreidet an, dass Tommasini nicht ausreichend das Risiko dargestellt habe, dass die Bewerbung scheitern könnte. Deshalb gelt es nun die politische Verantwortung dafür zu übernehmen, sich mit öffentlichen Geldern auf ein solches Roulette-Spiel eingelassen zu haben.