Bürge Kompatscher
Verschränkte Arme, hochgezogene Schultern und Mundwinkel, die in die andere Richtung zeigen. Diese Körperhaltung nimmt Arno Kompatscher immer wieder ein wenn er in Zusammenhang mit der Lega gebracht wird – zuletzt bei gemeinsamen Auftritten nach den Regierungsverhandlungen, bei der offiziellen Präsentation der Regierungsvereinbarung. Ob unbewusst oder bewusst – das Signal, das der Landeshauptmann aussendet, ist Abneigung.
Bezeichnend, dass Arno Kompatscher am Donnerstag Vormittag wieder mit gesenktem Kopf, verschränkten Armen und ausdrucksloser Miene da sitzt, just als Carlo Vettori das Wort ergreift. Den Rednern zuvor hat er sich allen zugewandt, ihnen aufmerksam zugehört.
Im Landtag geht die Wahl des Landeshauptmannes über die Bühne. Vettori ist einer der letzten, der das Wort ergreift. Zuvor haben die Oppositionsvertreter die Möglichkeit, zur neuen Südtiroler Regierungskonstellation und dem neuen alten Regierungschef Stellung zu nehmen.
Garant Kompatscher
In seiner Regierungserklärung, die Kompatscher kurz nach 10 Uhr beginnt zu verlesen, präsentiert er sich als “Garant dafür, dass das Regierungshandeln der kommenden Jahre von Werten und Grundhaltungen geprägt sein werden, die heute wichtiger denn je sind”. Eine Gesellschaft, “geschichts- und traditionsbewusst” zugleich “offen, tolerant, zukunftsorientiert”. Eine Gesellschaft, die “einschließt, nicht ausgrenzt”, in der es zu vermeiden gelte, dass “Hass, Neid und das Nach-unten-Treten nicht weiter um sich greift”. Wirtschaftliche und soziale Teilhabe, ökologische und sozio-kulturelle Nachhaltigkeit. Nach diesen Werten und Prinzipien wolle er seine politische Arbeit als Landeshauptmann in den kommenden Jahren ausrichten – und nicht nur mit der Lega regieren. Er reicht der Opposition die Hand: Es gelte, “gemeinsam besser” zu gestalten als es in den vergangenen Legislaturperiode gelungen sei, lädt Kompatscher die 16 Oppositionsabgeordneten ein, die er “hier und heute um Unterstützung” ersucht.
Am Ende werden ihm alle 16 ihre Stimme verweigern, gegen einen Landeshauptmann Arno Kompatscher stimmen. Es ist weniger ein Votum gegen ihn. Sondern gegen den Partner, die Lega, jene von Matteo Salvini, die in Gestalt der vier Landtagsabgeordneten Bessone, Mattei, Vettorato und Vettori im Südtiroler Landtag sitzt. Weil sie die Wähler dorthin gesetzt haben, wie Philipp Achammer als Interims-Fraktionssprecher der SVP erinnert.
Grünes Feuer
Nicht an den – auch in der Regierungsvereinbarung geschriebenen – Worten, sondern an den Taten, der Realpolitik sollen Opposition, Bürger und Medien die neue Regierung messen, so der Appell aus den SVP-Reihen. “Gebt dieser Mehrheit eine Chance zu beweisen, wie die konkrete Politik ausschaut”, meint Achammer. Der Handschlag mit der Opposition sei “ehrlich und ernst gemeint”, betont auch er.
Diese nimmt das Angebot, bereits im Vorfeld der Debatten im Landtag enger zusammenzuarbeiten mit Vorbehalt an. “Das bleibt hoffentlich nicht nur Wunschdenken”, sagt Paul Köllensperger als Sprecher der größten Oppositionsfraktion. Ulli Mair (Freiheitliche) legt indes der Lega ans Herz, die römischen Nabelschnur zu durchtrennen: Es könne nicht sein, dass die Südtiroler Landespolitik “mehr von Rom denn von Bozen bestimmt” werde. Während insgesamt mit Kritik gespart wird – Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore) und Sandro Repetto (PD) etwa bemängelten, dass von SVP und Lega bisher wenig Konkretes vorgelegt wurde – und die Debatte bisweilen philosophische Züge annimmt – Franz Ploner (Team Köllensperger) zitiert Friedrich Schiller, Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) lässt eine Anspielung auf Karl Marx fallen, Diego Nicolini (Movimento 5 Stelle) sinniert über Aufklärung, Humanismus und Christentum –, zeigen die Grünen keine Nachsicht.
In einer flammenden Wortmeldung verurteilt Brigitte Foppa die Wahl der SVP, die sich “für den Rückschritt entschieden” habe. Besonders Arno Kompatscher, der an diesem Tag im Zentrum steht, wird nicht geschont. “Sie, Herr Landeshauptmann, haben entschieden, Salvinis Veränderung mitzutragen und sich damit eine unerhörte Verantwortung aufgeladen.” Nicht an den Worten noch an den Taten werde sie ihn messen, meint Foppa, “sondern an Ihren Weggefährten”. Auch ihr Parteikollege Riccardo Dello Sbarba kennt keine Gnade: “Ihr habt eine historische Wende herbeigeführt, indem ihr mit der Rechten regiert – mit der schlimmsten Rechten. Für Südtirol beginnt eine Eiszeit.”
19 Ja, 16 Nein
Von einer “historischen Wende” wollen Achammer und Kompatscher nichts wissen (während der neue Verbündete Vettori nur wenige Minuten später selbst sagt: “Oggi cambia la storia di questa terra”).
“Wohlwissend” habe sich seine Partei für die Lega entschieden, “das Votum der Italiener ernst genommen – und das ist keine Ausrede”, will Achammer festgehalten wissen. Man habe “Schnittmengen gesucht – und gefunden”. Arno Kompatscher fällt es sichtlich schwerer, die neue Regierungsmehrheit aus dem schiefen Licht zu rücken. Er muss es aber, übernimmt er doch ab sofort als Landeshauptmann und Garant die Verantwortung – der sei er sich sehr wohl bewusst, betont Kompatscher mehrmals – dafür. Es habe noch nie eine “so politische Regierungsvereinbarung wie diese” gegeben, in der die Werte – Zusammenleben, Autonomie, Europa, Chancengleichheit, Solidarität –, an die sich die Partner halten wollen, derart akribisch aufgelistet seien, kontert Kompatscher schließlich.
“Und der Landeshauptmann wird zeigen, dass diese Werte nicht nur leere Worthülsen sind”, schiebt Achammer die Verantwortung gleich etwas von sich. Seine Stunde als neuer Super-Landesrat schlägt kommende Woche. Am Freitag (25. Jänner) wird der Landtag über die neue Landesregierung abstimmen. Heute wurde vorerst ihr Chef, der Landeshautpmann gewählt. Mit 19 Ja und 16 Nein gab es keine Überraschungen. SVP und Lega sprechen Arno Komaptscher ihre Vertrauen aus, die Opposition geschlossen nicht. Und vielleicht spricht Sandro Repetto nicht nur für sich wenn er, zu Kompatscher gewandt, sagt: “Nutro una grande stima nei suoi confronti e le chiedo di non tradire mai i suoi valori.”
Aufmerksam bis zuletzt lauscht Arno Kompatscher der Kritik und den Erwartungshaltungen an seine Person als Landeshauptmann. Nach der Verkündung des Wahlergebnisses bedankt er sich “für die bisherige Unterstützung”. dann wird sein Gesicht für einen Moment weich, als er zur Zuschauertribüne hinaufblickt. Dort hat den ganzen Vormittag über seine Frau Nadja gesessen. “Danke, Schatz!” ruft ihr ihr Ehemann aus dem Landtag zu.