Chronik | Justiz

Der Fingerzeig des Staatsanwaltes

Der Staatsanwalt am regionalen Rechnungshof Trient fordert die Einleitung von Ermittlungen gegen SALTO. Es ist eine Aktion, die beunruhigende Fragen aufwirft.
Corte dei Conti
Foto: upi
  • Es ist eine Aktion, die alles andere als alltäglich ist. Mit einem Stil, über den sich streiten lässt. 
    Am Dienstagvormittag verschickt die Staatsanwaltschaft am regionalen Rechnungshof, Sektion Trient, eine Pressemitteilung an rund zwei Dutzend Medien, Journalisten und Journalistinnen.
    Der Kern der Botschaft wird in den ersten beiden Sätzen der Aussendung zusammengefasst:

    „La Procura regionale della Corte dei conti ha trasmesso alla Procura della Repubblica di Trento un esposto contro ignoti per il reato di rivelazione di segreti di ufficio. L’esposto riguarda la diffusione, avvenuta il 28 dicembre 2023 sul quotidiano online salto.bz e poi ripresa da numerose testate giornalistiche locali, di un invito a dedurre emesso dalla Procura regionale in data 13 dicembre 2023.“

    Demnach teilt die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof mit, dass man eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft am Landesgericht Trient gemacht habe, damit diese Ermittlungen einleite, und zwar wegen einer mutmaßlichen Verletzung des Amts- und Untersuchungsgeheimnisses.
    Die Aussendung findet am Dienstag und Mittwoch breiten Raum in den Medien. So titelt etwa der Alto Adige: „Corte dei Conti: Fuga di notizie. C’è l’esposto“.

  • Der Staatsanwalt

    Leitender Staatsanwalt Gianluca Albo: Vorwurf das SALTO das Ermittlungsgeheimnis verletzt hätte. Foto: Ragusa News

    Die Presseaussendung stammt vom leitenden Staatsanwalt am regionalen Rechnungshof, Sektion Trient, Gianluca Albo. 
    Der 56-jährige Staatsanwalt aus Ragusa beginnt seine Karriere bei der Polizei, bevor er 1994 in den Justizdienst wechselt. Albo ist zuerst als Staatsanwalt in Termini Imerese tätig und dann als Richter in der Strafsektion am Landesgericht Palermo. 2003 gewinnt er einen Wettbewerb als Staatsanwalt am dortigen regionalen Rechnungshof, und 2017 steigt er zum leitenden Staatsanwalt auf. 2022 wird Gianluca Albo leitender Staatsanwalt am Rechnungshof in Trient. Dort sorgt er schon bald für einiges Aufsehen, weil er offen bemängelt, dass die öffentlichen Verwaltung im Trentino bei den Anzeigen zu zögerlich sei.

  • Der Artikel

    Es geht dabei um den Artikel „Die gesalzene Rechnung“. SALTO hat exklusiv über eine Ermittlung der Staatsanwaltschaft am regionalen Rechnungshof berichtet, in der man von 19 Beamten der Region – darunter auch eine Handvoll Südtiroler Spitzenbeamter – fast 5,5 Millionen Euro zurückfordert. Im Zentrum der Vorhaltungen stehen angebliche Nachlässigkeiten bei der Informatisierung der Grundbuch- und Katasterämter und bei Zahlungen der Region an die beiden Inhouse-Gesellschaften Südtiroler Informatik AG (SIAG) und Trentino Network, heute Trentino Digitale (TD) S.P.A.
    Die Ermittlungen wurden von der Finanzwache Bozen durchgeführt und Ende November 2023 abgeschlossen. Zehn Tage vor Weihnachten stellte der leitende Staatsanwalt am regionalen Rechnungshof (Sektion Trient) Gianluca Albo den 19 Beschuldigten einen sogenannten „Invito a dedurre“ zu. Unter den Beschuldigten finden sich auch der heutige Generaldirektor der Südtiroler Landesverwaltung, Alexander Steiner, der amtierende Generalsekretär des Region, Michael Mayr, der Abteilungsdirektor für Grundbuch und Kataster und langjährige Neumarkter Bürgermeister Alfred Vedovelli und der Amtsdirektor des Landesinspektorates für das Katasterwesen, Paolo Russo. Sie haben jetzt 60 Tage Zeit, um auf die Vorhaltungen zu antworten. Es gilt für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung. 

  • Gianluca Albo ist auch der Leiter der Ermittlungen, die jetzt durch SALTO öffentlich gemacht wurden. SALTO hat am drittletzten Tag des Jahres 2023 über die Ermittlungen des  Rechnungshofa gegen 19 Spitzenbeamte der Region berichtet, denen vor einem Monat die Vorhaltungen (Invito a dedurre) der Staatsanwaltschaft zugestellt wurde (siehe nebenstehenden Kasten).
    Der leitende Staatsanwalt spricht in seiner Aussendung konkret davon, dass durch diese Meldung das Amts- und Ermittlungsgeheimnis verletzt wurde. Albo beruft sich dabei explizit auf den Artikel 57 der Prozessordnung des Rechnungshofes (Codice di giustizia contabile), laut dem das Ermittlungsgeheimnis und die Vertraulichkeit (riservatezza) in dieser Phase gewahrt werden müssen.
    La segnalazione alla Procura ordinaria costituisce il logico sviluppo della rigorosa tutela della riservatezza del procedimento istruttorio che sin dal suo insediamento il Procuratore regionale ha inteso assicurare“, begründet Gianluca Albo jetzt seine Anzeige.

  • Klare Bestimmung

    Wirklich skurril wird diese Eingabe bei der Trentiner Staatsanwaltschaft aber, wenn man sich den von Gianluca Albo zitierten Artikel 57 des Codice di giustizia contabile genauer anschaut. Dort steht nämlich genau das Gegenteil davon, was der leitende Staatsanwalt in seiner Presseaussendung behauptet.
    In Artikel 57 heißt es wörtlich:  

    „Le attività di indagine del pubblico ministero, anche se delegate agli organi di cui all'articolo 56, comma 1, sono riservate fino alla notificazione dell'invito a dedurre.“

    Die Vorhaltungen wurden in diesem Fall am 13. Dezember 2023 zugestellt. So ist es in den Akten vermerkt und so schreibt es auch Albo selbst in seiner Aussendung. 

  • Presseaussendung des Staatsanwaltschaft: „Anzeige ist logische Entwicklung“. Foto: SALTO
  • SALTO hat aber genau 15 Tage später darüber geschrieben.
    Demnach wurde hier weder ein Ermittlungs- noch ein Amtsgeheimnis verletzt. Denn jeder der 19 Adressaten kann mit dem Dokument tun, was er will. Dazu gehört auch die Freiheit, die Informationen weiterzugeben.
    Das vom Staatsanwalt angeführte Detail, dass nur sechs der insgesamt 19 Beschuldigten bis zum Erscheinen des Artikel der sogenannten Invito a dedurre zugestellt wurde, lässt hingegen ernsthafte Fragen an der Effizienz der Staatsanwaltschaft am Rechnungshof, Sektion Trient, aufkommen. 

  • Auf Maulwurfsuche?

    Leitende Bozner Staatsanwältin Alessia Di Gregorio: Völlig andere Rechtsauslegung und Gangart. Foto: Seehauserfoto

    Was die Geschichte aber noch absurder macht: An der regionalen Staatsanwaltschaft am Rechnungshof gibt es zwei Sektionen, die in diesem Fall eine völlig konträre Rechtsauffassung vertreten. Während der leitende Staatsanwalt in Trient die Staatsanwaltschaft am Landesgericht wegen der Verletzung des Amtsgeheimnisses bemüht, tut sein Pendant in Bozen genau das Gegenteil.
    Ende November wurde im Rahmen des Südtiroler Maskenskandals ein "Invito a dedurre" an den ehemaligen Generaldirektor, Florian Zerzer und an weitere fünf Beamte und Angestellte des Südtiroler Sanitätsbetriebes zugestellt. Es handelt sich um eine Ermittlung der leitenden Staatsanwältin am regionalen Rechnungshof, Alessia Di Gregorio, durchgeführt ebenfalls von der Bozner Finanzwache - und auch hier geht es um Rückforderungen in Millionenhöhe.

  • Die Ermittlung befindet sich prozessrechtlich genau in derselben Phase wie jene in Trient. Doch im Bozner Fall haben die Staatsanwaltschaft und die Finanzwache in einer detaillierten Pressemitteilung die Vorhaltungen selbst bekannt gemacht.
    Vor diesem Hintergrund kann man nur mutmaßen, dass es in der Aktion um etwas anderes geht.

     

    „Geht es hier um die Suche nach den Informanten oder gar um den Versuch, die freie Berichterstattung einzuschränken?“  

     

    Vielleicht um die Suche nach dem Maulwurf in den eigenen Reihen? Soll die Presseaussendung ein Warnschuss in Richtung möglicher Informanten für die Zukunft sein?  Oder ist es gar der Versuch, die freie Berichterstattung einzuschränken?  
    Schaut man sich die aktuelle Entwicklung im italienischen Justizwesen rund um Justizminister Carlo Nordio an, so sind das durchaus beunruhigende Fragen.

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Josef Fulterer Do., 18.01.2024 - 07:18

Gar Einige der Beschuldigten sind wohl "unbedarft in ihr Elend hinein gestolpert."
... und der Albo eröffnet die Jagd -j e n e, die das Sandkasten-spielen + den leichtfertigen Umgang mit öffentlichen Mitteln, zu klären versuchen.

Do., 18.01.2024 - 07:18 Permalink