Wirtschaft | Benko

Lieber Herr Benko, Schönheit ergibt Schönheit

Aufschwung, Revitalisierung, Modernisierung? Nein, auch Menschen, Beziehungen, Schönheit!
Achtung, dass im Verkaufsrausch nicht unsere Werte verloren gehen.
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Sehr geehrter Herr Benko,
wie Sie wissen, lag dem berühmten Geschäftsmannes Ingvar Kamprad nichts daran, Pyramiden zu errichten. Die Geschäfte, von denen er träumte, sollten keine Denkmäler sein, keine Kathedralen im Stile eines Donald Trumps; all das war ihm völlig unwichtig. Geschäfte – vor allem seine Geschäfte – sah Kamprad vielmehr als Orte der Erziehung, in denen sich alles darum drehte, das Leben der Menschen wahrer und schöner zu machen. Seine Geschäfte sollten nicht nur dem kurzfristigen Zeitvertreib dienen, sondern Orte sein, in denen Schönheit gelebt wurde. Warum, hatte er sich gefragt, müssen Menschen mit wenig Geld zwangsläufig mit Hässlichem leben? Er ertrug den Gedanken nicht, dass sich nur reiche Menschen schöne Dinge leisten konnten. Was ihn inspirierte, waren Geschäfte im Stil der großen englischen Kaufhäuser von vor zweihundert Jahren, die nicht nur Waren verkauften, sondern auch Konzerte und Ausstellungen organisierten, und die sogar von Frauen besucht wurden! Kamprad legte los. Er fing damit an, sich für seine Mitarbeiter einzusetzen um das soziale Bewusstsein zu stärken. Jeder Unternehmenserfolg wurde gemeinsam gefeiert, und diese Entdeckerfreude motivierte ihn zusammen mit der Aussicht auf eine glanzvolle Zukunft, weitere Geschäfte zu eröffnen. Ein sehr wichtiges Element hatte er jedoch nicht bedacht und zwar, dass die kommerzielle Expansion von Ikea zwangsläufig die Standardisierung und Angleichung von Orten, Waren und Personen zur Folge haben würde.


Haben Sie, Herr Benko, jemals darüber nachgedacht, dass das, was Sie Aufschwung, Revitalisierung und Modernisierung nennen, auch mit Menschen und nicht nur mit Dingen erreicht werden könnte? Glauben Sie nicht, dass es auch wichtig wäre, wirklich etwas für die Bevölkerung zu tun? Indem man den Boznern z.B. gemeinschaftliche Gemüsegärten zur Verfügung stellt, in denen die Menschen sich kennenlernen, sich unterhalten, sich wirklich ins Gesicht sehen können... statt sich nur mit Dingen zu beschweren, die sie bei Ihnen kaufen? Wer etwas Schönes schafft, wird selbst schöner! Und vielleicht würde auch Ihr Leben selbst viel reicher und erzeugte zudem jenen Austausch an Beziehungen, jene Verbindung zwischen Erziehung und Kommerz, welche die Menschheit heute so dringend braucht!

Mehr denn je brauchen wir heute Beziehungen, die über das guest und ghost hinausgehen, dieses Kunde und Gespenst, wo der Kunde im Konsumtheater den Geist seiner selbst darstellt.
Natürlich würden Sie vielen Menschen Arbeit geben. Andererseits würden Sie vielleicht aber auch zur Arbeitslosigkeit beitragen, weil Konkurrenzbetriebe schließen müssten. Sehen Sie das nicht auch so?
Und glauben Sie nicht, dass ein Einkaufszentrum mit ein bisschen Grün auf dem Dach (apropos, muss das wirklich sein?) als eines von seinen Zielen nicht die Verbindung von Erziehung und Kommerz anstreben wollte, die unserer Gesellschaft heute so sehr fehlt?
Ingvar Kamprad legte größten Wert auf die zwei kleinen Worte „garantierte Zufriedenheit“, doch er konnte es nicht durchhalten. Er wurde reich, schwerreich sogar, doch seine Mission, sein Credo und seine große Hoffnung scheiterten elend. Aus Ikea wurde ein Unternehmen, das alleine auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, während im Verkaufsrausch all die anderen Werte wie Geselligkeit und Gemeinschaftlichkeit, an die ihr Gründer so sehr geglaubt hat, verloren gegangen sind. Wieder einmal hat die Industrie des Konsum-Entertainments um jeden Preis gewonnen – und unsere „Menschlichkeit“ verloren.
Ich würde mir wünschen, sehr geehrter Herr Benko, dass Sie mit visionärem Schwung – und weniger vom obsessiven Gewinnstreben geprägt – tatsächlich ein globales Projekt vorlegen würden, an dem nicht nur Sie selbst verdienen. 

Und nachdem auch der Handel eine Portion Lyrik gut vertragen kann, schließe ich mit den Worten von Bert Brecht: „Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen, fahre ich zum Markt, wo Lügen gekauft werden. Hoffnungsvoll reihe ich mich ein unter die Verkäufer.“