Wirtschaft | Gebäudesektor

„Zwang hat weniger Sexappeal“

Die EU will die Sanierung alter Gebäude zur Pflicht machen. KlimaHaus-Direktor Santa begrüßt das Ziel, würde Freiwilligkeit aber vorziehen. Vettorato sieht es ähnlich.
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Foto: Salto.bz
Diese Woche hat das EU-Parlament mit deutlicher Mehrheit beschlossen, mit einer Richtlinie den dringend notwendigen Klimaschutz im Gebäudesektor voranzubringen. Schließlich verursacht dieser Sektor 40 Prozent des Energieverbrauchs und somit mehr als ein Drittel der ausgestoßenen Treibhausgase in der EU.
Das betrifft insgesamt rund die Hälfte des europäischen Gebäudebestandes.
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Neubauten ab 2028 als Null-Emissionsgebäude errichtet werden. Für öffentliche Gebäude gilt das bereits ab 2026. Außerdem sollen bis 2030 all jene Gebäude energetisch saniert werden, die in die schlechtesten Energieeffizienz-Klassen fallen. Das betrifft insgesamt rund die Hälfte des europäischen Gebäudebestandes. Bis 2030 soll so auf einer europaweit harmonisierten Energieeffizienz-Skala von A bis G mindestens die Effizienzklasse E und bis 2033 die Effizienzklasse D erreicht werden müssen.
 
 
Der Generaldirektor der Südtiroler KlimaHaus Agentur, Ulrich Santa, begrüßt grundsätzlich die Zielvorgabe der EU, allerdings zieht er in Zweifel, ob die verpflichtende Sanierung der richtige Weg ist. Die Richtlinie muss in den nächsten Wochen noch zwischen Kommission und Parlament der Europäischen Union sowie zwischen den Mitgliedsländern im Detail ausgehandelt werden. „Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen und ich gehe davon aus, dass insbesondere bei der verpflichtenden Sanierung noch Kompromisse gemacht werden“, so Santa.
Umweltlandesrat Giuliano Vettorato sieht die Sache ähnlich: „Die EU verfolgt ein wichtiges und richtiges Ziel, sie wählt dabei aber die falsche Methode. Wir dürfen die Bürger*innen nicht verpflichten, sondern müssen sie begleiten.“ Heute sei das Bewusstsein zur Energie- und Klimakrise in der Bevölkerung hoch. „Der Staat kann aber nicht in den privaten Haushalt eingreifen, die Menschen müssen es selbst wollen und sie wollen auch sparen“, so Vettorato.
In Südtirol haben sich die Anträge auf Zuschüsse im Energiebereich seit Jahresbeginn im Vergleich zum Vorjahr mehr als versechsfacht. „In fast zwei Monaten wurden etwa 600 Anträge eingereicht – es ging um Gesamtinvestitionen in Höhe von 33 Millionen Euro. Im Vergleich dazu waren es im Vorjahr 100 Anträge“, erklärt der Landesrat.
 

Die Richtlinie im Detail

 
Der Vorschlag der EU-Kommission soll sowohl die Sanierung von Wohnungen als auch den Neubau neu regeln. „Die Vorgabe für die Neubauten ist richtig und hätte meines Erachtens auch früher in Kraft treten können. Schon heute erfüllen wir beim Neubau mit dem KlimaHaus-Standard die Effizienzvorgaben“, erklärt Santa von der KlimaHaus Agentur. Null-Emissionsgebäude dürfen darüber hinaus in Zukunft aber ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgt werden – eine Gasheizung kann also nicht mehr eingebaut werden. „Hier hat man mit Biomassekesseln, Fernwärme, Solarthermie und vor allem mit der Kombination von Photovoltaik und Wärmepumpen genügend umweltfreundlichere Alternativen. Die Anforderungen der EU entsprechen hier im Grunde dem heutigen Stand der Technik.“
 
 
Den Hebel bei den am wenigsten effizienten Bestandsgebäuden anzusetzen sei zwar richtig, eine Sanierungspflicht sieht Santa hingegen problematisch. In den Mitgliedsländern regt sich bereits Widerstand, beispielsweise sehen sich Italien und Polen mit einem großen Sanierungsbedarf ihrer Häuser konfrontiert und kritisieren die angekündigte Pflicht vehement. „Ohne Förderungen vonseiten der öffentlichen Hand wird das nicht funktionieren, weil viele Hauseigentümer*innen diese Investitionen nicht aus eigener Kraft tätigen werden können“, erklärt Santa.
 

Stolperstein Sanierung

 
Bei der Sanierung von Gebäuden geht es um eine Bandbreite an Maßnahmen – vom Austausch der Heizanlage oder der Fenster bis zur Isolierung des Dachs oder der Außenwände. „In vielen Fällen wird es eine Kombination dieser Maßnahmen sein müssen, um die erforderliche Energieklasse zu erreichen“, sagt der Experte. Die von der EU-Kommission angedachte Etappensanierung bis 2030 und im nächsten Schritt bis 2033 sei dabei wenig praktikabel: „In den allermeisten Fällen wird eine einzige Sanierung gemacht werden und nicht zwei Sanierungen innerhalb von wenigen Jahren.“ Bei einem Einfamilienhaus reichen die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen von 30.000 Euro bis zu mehr als 100.000 Euro, schätzt der Experte.
Die derzeitigen Regeln und Anreize auf EU-Ebene haben nicht ausgereicht, um das Ziel der jährlichen Sanierungsrate von drei Prozent zu erreichen.
„Wenn es ohnehin massive Förderungen braucht, um diese Sanierungspflicht sozialverträglich zu gestalten, wäre dann nicht eine Freiwilligkeit besser? Der Zwang hat weniger Sexappeal und erfordert zudem zahlreiche Ausnahmen, um soziale Härtefälle zu vermeiden“, erklärt Santa. Hinzu kommt, dass in dem Vorschlag noch nicht definiert ist, wie die Sanktionen bei Nichteinhaltung der Sanierungspflicht aussehen sollen.
Angesichts der steigenden Kreditzinsen, den stark gestiegenen Baukosten, dem Fachkräftemangel in der Baubranche und der Wohnungsnot seien die Rahmenbedingungen für eine solche EU-weite Pflicht nicht die besten. Der Generaldirektor der KlimaHaus Agentur betont hier die Herausforderung, einerseits leistbaren Wohnraum im bereits bestehenden Leerstand zu schaffen und gleichzeitig Sanierungen durchzuführen, welche die Preise des Gebäudebestandes weiter in die Höhe treiben dürften. „Für junge Menschen wird es so noch einmal schwieriger, sich den Traum vom Eigenheim leisten zu können.“
 
 

Große Investitionen

 
Die Notwendigkeit der energetischen Sanierung stellt Santa dabei keineswegs in Frage: „Die derzeitigen Regeln und Anreize auf EU-Ebene haben nicht ausgereicht, um das Ziel der jährlichen Sanierungsrate von drei Prozent zu erreichen. Wir sind ungefähr bei einem Prozent.“ Es brauche deshalb durchaus mehr Engagement in der energetischen Gebäudesanierung, um bis 2030, wie im Green Deal der EU vorgeschrieben, 55 Prozent der Treibhausgase gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren.
Allerdings sei das auch eine finanzielle Frage: Der in den letzten drei Jahren in Italien umgesetzte Superbonus habe die Staatskassen mit über 70 Milliarden Euro stark belastet, es konnten damit rund 300.000 Gebäude saniert werden. Der EU-Kommissar für Klimaschutz, Frans Timmermans, hat für die verpflichtende Sanierungswelle die Bereitstellung von öffentlichen Mitteln in Höhe von 150 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Ulrich Santa schätzt, dass diese Summe nicht ausreichen wird, um die Ziele europaweit umzusetzen.
„Die zweifelsfrei notwendigen Maßnahmen im Bestand müssen ökologisch wirksam, in der Praxis umsetzbar, gleichzeitig aber auch finanzierbar und sozialverträglich sein. Von einer nachhaltigen Umsetzung der europäischen Ziele können wir nur dann reden, wenn es uns gelingt, diese verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit gemeinsam und gleichberechtigt zu berücksichtigen.“ Wie das funktionieren soll, muss nun auf EU-Ebene zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedsländern ausgehandelt werden.   
 
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Di., 21.03.2023 - 07:06

Die erheblichen Kostensteigerungen bei der Energie, haben bei den Bürgern viele Überlegungen zu einem sparsameren Umgang ausgelöst.
Dabei schrecken sie allerdings vor den überbordenen bürokratischen Auflagen zurück, "von denen auch die Klimahaus-Agentur Einiges dazu erfunden hat. (Noch immer werden die Mauern mit Styrophor verpappt, der Dichtigkeits-Wahn auf die Spitze getrieben + von der 0 Energie gefaselt)
Am Ziel-Führensten wäre es, "wenn auch einzelene Verbesserungen mit einer einfachen Meldung bei der Gemeinde vorgenommen werden könnten und mit mit der Bestätigung der Gemeinde, die MWSt. auf 0 % reduziert würde," statt mit Beiträgen die von einem Heer von Beamten überprüft, kontrolliert + kollaudiert werden müssen zu prahlen. (... braucht nur ein Dekret auf einem DIN A 4 Blatt)
Von den 3 € Steuern, kommt mit den gütig gewährten Beiträge kaum 1 magerer € zurück.

Di., 21.03.2023 - 07:06 Permalink