Politik | Transparenz

Berater & Alzheimer

Wenigstens die öffentliche Verwaltung sollte sich an die Landesgesetze halten. Klingt logisch und selbstverständlich - ist es aber nicht. Auch nicht in Südtirol. Ein Beispiel.

Im Jahr 2010 hat das Land das Gesetz zur Veröffentlichung von Verwaltungsunterlagen den Transparenzbestimmungen des Staates und der EU sowie den modernen Medien angepasst. Festgelegt wurde, dass sowohl die Landesverwaltung als auch die Körperschaften des Landes und die Gesellschaften mit mehrheitlicher Landesbeteiligung, „auf der Webseite des Landes Südtirol alle sechs Monate eine Liste der externen Mitarbeiter und der Inhaber von Beratungsaufträgen unter Angabe der jeweiligen Auftragsbeschreibung mit den entsprechenden Vergütungen veröffentlichen müssen.

Die Veröffentlichung erfolgt im „Südtiroler Bürgernetz“, dem Portal der öffentlichen Verwaltung. Die Ressorts, Gesellschaften und Körperschaften übermitteln die Daten periodisch an das Amt für Finanzaufsicht des Landes, das sie dann im Portal veröffentlicht. Die Gesellschaften können unter Anleitung des Amtes ihre Angaben aber auch selbst im Portal online stellen.

Veröffentlicht werden die Beraterverträge halbjährlich. Für die Erhebung der Daten ist eine Frist von zweieinhalb Monaten vorgesehen. Das heißt: Die Daten für das erste Halbjahr bis zum 15. September, jene für das zweite Halbjahr bis zum 15. März.
Das Landesgesetz sieht auch Sanktionen vor: Wird die Veröffentlichung unterlassen, verhängt der Direktor der Landesabteilung Finanzen und Haushalt eine Geldbuße zwischen 1.000 und 10.000 Euro.

Das Landesgesetz wurde in einer Phase erlassen, als sich die öffentliche Wahrnehmung auf die überbezahlten Beraterverträge des Landes konzentrierte. War anfänglich nur das Land selbst zur Transparenz gezwungen, mussten ab 2010 auch die Landesgesellschaften ihre Beraterverträge offenlegen.

Die Praxis

Solange das Thema Beraterverträge im Fokus der Öffentlichkeit stand, kam man brav der Veröffentlichungspflicht nach. In den Jahren 2010, 2011 und 2012 lieferten mehr oder weniger alle Gesellschaften und Körperschaften ihrer Beraterdaten ab.

Dann aber breitete sich plötzlich eine Art Alzheimer-Syndrom aus. Nur so kann man den Zustand beschreiben, der sich dem Betrachter und dem Bürger heute bietet. Längst sollten die Beraterverträge aus dem Jahre 2013 online sein. Doch davon ist im Bürgernetz nicht viel zu sehen.

Nur die Landesverwaltung hat ihre Beraterverträge aus fast allen Abteilungen online gestellt. Danach sieht es aber düster aus. Weder eine deutsche oder italienische noch eine ladinische Schule hat im Jahr 2013 auch nur einen einzigen Beratervertrag veröffentlicht.

Auch zehn Landesgesellschaften unterliegen dieser Veröffentlichungspflicht. Nur drei davon kamen im vergangenen Jahre dieser Pflicht auch nach: Die Flughafengesellschaft „ABD Airport AG“, die „SEL AG“ und die „Klimahaus Agentur GmbH“ haben die Beraterverträge aus dem Jahr 2013 veröffentlicht.

Allen anderen sind bei ihrer Veröffentlichung säumig. Die „BLS – Business Location Südtirol AG“, die „Hospital Parking AG“, die „Messe Bozen AG“, die „Südtiroler Informatik AG“, die „Südtiroler Transportstrukturen AG“ (STA), die „Techno Innovation South Tyrol KAG“ (TIS) und die „Therme Meran AG“ scheren sich anscheinend nicht um das Landegesetz. Ihr letzter veröffentlichter Beratervertrag stammt aus dem zweiten Semester 2012.

Dasselbe Bild bietet sich bei den vom Land abhängigen Körperschaften. Von 17 Körperschaften werden nur fünf dem Landesgesetz gerecht. Im Jahr 2013 haben nur die „Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung“, die Landesmobilitätsagentur, das italienische Landesbibliothek „Claudia Augusta“, die „Rundfunk- und Fernsehanstalt Südtirol“ (RAS) und das ladinische Kulturinstitut „Micurá de Rü“ ihre Beraterverträge veröffentlicht. Aufgefallen ist anscheinend auch niemandem, dass laut Veröffentlichung das Kulturinstitut „Micurá de Rü“ alle Berateraufträge für das Jahr 2013 - insgesamt 64 verschiedene Beauftragungen - an einem einzigen Tag, dem 29. September 2012, mit derselben Beschlussnummer 19 vergeben haben soll. Wohl kaum möglich.

Das Arbeitsförderungsinstitut, der Betrieb Landesmuseen, das Wohnbauinstitut, die beiden Musikerziehungsinstitute, die Versuchsanstalt Laimburg, der Landesbetrieb für Forst- und Domänenverwaltung, die Landesbibliothek „Friedrich Tessmann“, die Landesfachhochschule „Claudiana“, der Sonderbetrieb für Feuerwehr- und Zivilschutz, das Landesmuseum Schloss Tirol und auch der Südtiroler Sanitätsbetrieb hingegen sind seit über einem Jahr säumig.

Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat die Beraterverträge des ersten Halbjahres 2013 zwar auf seiner eigenen Internetseite veröffentlicht, doch dem Landesgesetz ist damit noch nicht Genüge getan. Man geht davon aus, dass die Beraterdaten von einer neutralen öffentlichen Stelle veröffentlicht werden müssen, um so auch eine Überprüfung zu ermöglichen.

Aber auch ein anderer, der immer wieder groß von Transparenz spricht, ist im Jahr 2012 stehen geblieben. Michl Ebners Handelskammer hat ebenfalls seit über einem Jahr keine Beraterverträge mehr veröffentlicht.

Solange Christoph Engl am Ruder war, hat sich die „Südtiroler Marketing Gesellschaft“ (SMG) einfach selbst von der Veröffentlichungspflicht befreit. Jetzt ist die SMG seit über einen Jahr eine Inhouse-Gesellschaft des Landes. Trotzdem wurde immer noch kein Beratervertrag veröffentlicht.

Der Hintergrund

Nicht nur bei der Veröffentlichung der Beraterverträge ist man säumig. Genau dieselbe Situation bietet sich auch bei den Entschädigungen für die Verwalter öffentlicher Gesellschaften. Laut Landesgesetz müssen auch ihre Entschädigungen zweimal im Jahr im Bürgernetz veröffentlicht werden. Es sind hunderte Namen von Präsidenten und Verwaltungsratsmitgliedern öffentlicher Gesellschaften. Doch auch hier enden die Veröffentlichungen mit dem 31. Dezember 2012.

Das Land wird wohl kaum die vom Gesetz vorgesehenen Strafen verhängen, sondern man wird jetzt wohl Gründe für die Säumigkeit anführen. Die Überlastung der Ämter, Kommunikationsschwierigkeiten oder einfach nur Vergesslichkeit. Dabei gibt es für das plötzliche Alzheimer-Syndrom in der öffentlichen Verwaltung in Sachen Beraterverträgen eine weit einfachere Erklärung. 2013 war Wahljahr. Und da kann zu viel Transparenz schon mal lästig sein.

Bild
Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Mi., 19.03.2014 - 07:40

Zu den Beratern gehören, in gewissem Maße auch die verschiedenen Beratungsstellen, die mit dem Land konventioniert sind. Hier arbeiten Freiberufler, die sich zu Privatvereinen zusammengeschlossen haben und, zum günstigen Zeitpunkt, Konventionen mit dem Land abgeschlossen haben, das heißt, sie erhalten Landesgelder für ihre verschiedenen Tätigkeiten. Die Auswahl ist willkürlich, hat meistens politische Hintergründe und stellt, neben der ungerechten Konkurrenzsituation mit allen anderen Freiberuflern auch noch eine zweite, größere Unrechtssituation dar: derjenige, der die Beratung in Anspruch nimmt, zahlt einen, immer gleichen minimalen Beitrag, oder auch nicht und wird kostenlos beraten, unabhängig vom Einkommen. Diese Situation wurde in Österreich für den Steuerzahler demokratisch so gelöst: wer es braucht, bekommt einen Zuschuß und kann sich seinen Berater auf dem freien Markt selbst aussuchen. Der Steuerzahler spart, die Konkurrenz ist gerecht, was zählt ist die konkrete Leistung.

Mi., 19.03.2014 - 07:40 Permalink