Gesellschaft | Gastkommentar

WirUs – Was kommt?

Wie geht es in der Corona-Krise weiter? Ein rechnerischer, statistischer Versuch – in einfacher Sprache formuliert.
Sanduhr
Foto: Pixabay

Wir werden mittlerweile im Stundenrhythmus mit Informationen über Corona, Covid-19 oder Sars Cov2 überschwemmt. Einmal ist es die aktuelle Situation in Südtirol, in der Lombardei, in Italien, in Europa oder auch China – wo alles angefangen hat. Dann sind es Fachleute, Virologen und andere Forscher. Noch schlimmer sind jene die mit Verschwörungstheorien ihre Netze auswerfen. Und trotzdem bleiben viele Fragen offen. Speziell was die Zukunft betrifft. Und darum hier ein rechnerischer, statistischer Versuch, das zu Papier zu bringen, was die Menschen suchen – in einfacher Sprache formuliert.
Die Bevölkerung fragt sich, wie es weiter geht, was du Zukunft bringt oder warum die aktuellen Maßnahmen alternativlos sind. Ich versuche das auf der Basis von aktuellen Informationen der WHO, des RKI oder aktuellen Publikationen von Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Experten wie Prof. Gänsbacher auf Rai-Online zu analysieren.

Fakt ist: Wir kommen früher oder später fast alle in Kontakt mit diesem Virus. Die schnelle Ausbreitung und die damit höheren zeitgleichen schweren Verläufe – und damit auch Todesfälle – kann nur durch die aktuellen Maßnahmen und Einschränkungen verhindert werden.

Wie das Ganze funktioniert? Was passiert?
Durch die Vermeidung von sozialen Kontakten wird die Verbreitung extrem eingedämmt. Bis vor wenigen Tagen haben wir uns gegenseitig und ziemlich unbekümmert angesteckt. Nehmen wir also an, wir hatten in Südtirol (500.000 Einwohner – um eine runde Zahl zu nehmen) am 1. März 200 Virusträger. Jeder von diesen hat bis 15. März täglich weitere drei Personen angesteckt. Wir hatten also am 15. März rund 10.000 Infizierte. Als positiv ermittelt wurden bis dahin ca. 300 Personen. Gut 20 davon mussten intensivmedizinisch behandelt werden. Acht sind verstorben. Weit über 9.000 Menschen zeigten allerdings kaum oder nur leichte Symptome. Einige von diesen werden aufgrund der Inkubationszeit vielleicht noch richtig erkranken und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Und einige werden sterben. Der große Rest ist unsere Rettung, wenn er mindestens 14 bis 20 Tage #ichbleibezuhause ernst nimmt und somit niemanden mehr ansteckt. Diese Helden werden danach immun sein und niemanden mehr anstecken. Je höher diese Zahl schlussendlich wird, umso weiter sind wir über dem Corona-Berg. Denn nur diese werden dann nicht mehr unsere Mütter, Väter, Omas und Opas oder andere Geschwächte und Gefährdete „anstecken“.

 

Wenn diese Maßnahmen (zu Hause bleiben – Quarantäne) nicht gekommen wären
1. März = 200 Träger – 15. März = 10.000 – 30. März = 450.000 Träger/Infizierte. Das hieße, fast jeder Südtiroler (oder zumindest jene, die viel unterwegs sind und kein Einsiedlerleben führen) wäre statistisch gesehen mit dem Virus in Kontakt gekommen.
Und jetzt rechnen wir wieder! Wir hätten im Zeitraum bis Ende März 900 Fälle für die Intensivmedizin und 450 Todesfälle. 900 Intensivpatienten schaffen wir bei weitem nicht. Also würde sich die Todesrate entsprechend erhöhen.

 

Ich hoffe, wir haben verstanden, warum WIR die Verbreitung schlicht und einfach verzögern müssen. Weil ICH Egoist gerne eine Sauerstoff-Behandlung oder ein Intensiv-Bett hätte. Wenn ich einer von diesen 900 bin, stehen meine Chancen schlecht. Mit dieser Maschine stehen meine Chancen als gut 50-Jähriger gut – ohne könnte auch ich draufgehen.

 

Nahe Zukunft. Und so geht es weiter, wenn wir so brav sind wie verordnet: Im Zeitraum von 14 Tagen (also bis gut Ende März) haben wir nur weitere 10.000 Infizierte (jene Rate, von der Landesrat Widmann & Co. sprechen), 20 bis 30 intensivmedizinisch Betreute und maximal zehn bis 20 Verstorbene. Wobei einige von diesen vielleicht auch an einer anderen Grippe oder sonstigen Pathologien verstorben wären. Wir haben dann aber auch 18.000 Helden.

Ostern. Mitte April sind wir immer noch brav und haben vielleicht schon 30.000 Helden. Ende April haben wir wahrscheinlich 60.000 Heldinnen ... um auch einmal das Geschlecht zu wechseln. Die Kurve beginnt zu drehen, weil die Zahl der potentiellen Überträger entsprechend sinkt.

Ende Mai haben wir 180.000 Menschen in Südtirol, die niemanden mehr anstecken können und zumindest an Covid-19 nicht mehr erkranken. Ein Virusträger kann also Anfang Juni fünf von zehn Menschen nichts mehr anhaben.

Ende Juni – also noch vor dem richtigen Sommer – dürften wir anfangen zur Normalität zurück zu kehren. Anfangen! Denn weit mehr als der Hälfte unserer Bevölkerung kann das Virus nichts mehr anhaben. Der Herdenschutz entwickelt seine Wirkung. Covid-19 tut sich immer schwerer interessante Wohnstätten zu finden.

Mitte Juli wird es heiß in Südtirol. Wir bewegen uns wieder, die Jungen treffen sich in Pubs und am Montiggler See. Die meisten arbeiten wieder, weil der Urlaub im März und April flöten gegangen ist. Ganz große Menschenansammlungen werden noch vermieden, weil trotzdem noch gut 25% (125.000) der Bevölkerung dem Virus ausgesetzt und somit gefährdet sind. Die Sterberate geht auf fünf, die Anzahl der intensiv zu Pflegenden auf fünf bis zehn zurück. Das wäre eine Normalsituation in den Krankenhäusern.

September. Die Schulen gehen wieder auf. Fast alle Kinder und Jugendliche sind immun und können somit ihre Omas auch nicht mehr anstecken.

Herbst. Covid-19 ist nicht besiegt oder ausgerottet. Es wird uns noch Monate begleiten, aber es macht uns nicht mehr Angst. Es bedroht uns nicht mehr. Es zirkuliert noch, da der Impfstoff noch nicht lieferbar ist. Es ist unklar ob es diesen überhaupt noch braucht, denn bis dahin werden wir fast alle mit diesem Winzling Bekanntschaft gemacht haben und hoffentlich immun sein. Und nur das ist unsere Rettung in diesem surrealen Krieg.  Erst dann sind wir alle Heldinnen und Helden.

 

P.S.: Diese Analyse mag fehlerhaft sein, die Zahlen und Prozentsätze müssen als Annahmen betrachtet werden. Berechnete Zeiträume und Fälle haben als Grundlage zwei Wochen. Aber wir sollten davon ausgehen, dass es zumindest ähnlich kommt, wenn nicht irgend ein Supermedikament dem Spuk vorher ein Ende setzt.
P.P.S: Auf der Pressekonferenz von heute hat LH Kompatscher für morgen eine ähnliche, wissenschaftlich fundierte Analyse angekündigt. 

 

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Klemens Riegler Mi., 18.03.2020 - 21:11

Antwort auf von Elisabeth Garber

Es gibt weltweit viele gute Ansätze. Curevac und viele andere büffeln sicherlich Tag und Nacht. Auch Italien ist diesbezüglich auf einem sehr guten Weg. Ebenso wie China. Aber für die Zulassung gibt es ein festgelegtes Procedere, welches normalerweise meist mehr als 12 Monate vorsieht. Mah ... vielleicht gehts schneller wenn "Gefahr in Verzug".

Mi., 18.03.2020 - 21:11 Permalink
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G. P. Mi., 18.03.2020 - 20:15

1. Sind wir nach einer Infektion mit Sicherheit immun? Und für wie lange?
2. Wieso sollte im März/April der Urlaub flöten gehen? Für die corona-bedingten Arbeitsausfälle gibt's doch die Lohnausgleichskasse.

Mi., 18.03.2020 - 20:15 Permalink
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Klemens Riegler Mi., 18.03.2020 - 20:59

Antwort auf von G. P.

Auf viele Fragen gibt Prof. Gänsbacher in seiner Rubik "Gänsbacher erklärt" auf Rai-Südtirol Antworten. https://www.rainews.it/tgr/tagesschau/articoli/2020/03/tag-Gaensbacher-…
- Immun? ... lt. derzeitigem Stand sind wir nach einer ausgetragenen Infektion immun. Es gibt weltweit meines Wissens nur einen einzigen Hinweis, wonach es eine Zweitinfektion gegeben hat (nicht wissenschaftlich belegt).
- Wer jetzt in Zwangsurlaub muss (und eben nicht gleich die Lohnausgleichskasse einspringt), wird im Sommer weniger Urlaub übrig haben.

Mi., 18.03.2020 - 20:59 Permalink
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pérvasion Mi., 18.03.2020 - 22:55

»Nehmen wir also an, wir hatten in Südtirol (500.000 Einwohner – um eine runde Zahl zu nehmen) am 1. März 200 Virusträger. Jeder von diesen hat bis 15. März täglich weitere drei Personen angesteckt. Wir hatten also am 15. März rund 10.000 Infizierte.«

Können Sie mir erklären, wie Sie da auf die mickrigen 10.000 kommen?

Mi., 18.03.2020 - 22:55 Permalink
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Klemens Riegler Do., 19.03.2020 - 00:42

Antwort auf von pérvasion

Die Zahlen und Rechenbeispiele sind fiktiv. Es gibt keine genauen wissenschaftlich nachgewiesenen Fallzahlen wie viele andere Menschen ein Virusträger am Tag anstecken kann. In Imst dürfte ein Kellner innerhalb weniger Tage Dutzende angesteckt haben. In Hinterwalten hat in der gleichen Zeit höchstens der Seppl die Tresl infiziert.
Ach was solls, man geht heute davon aus, dass ein Infizierter durchschnittlich drei weitere infiziert (Zeitraum unbekannt). Wichtig ist eigentlich nur dass 1 maximal 1 oder weniger ansteckt. Nicht täglich, sondern überhaupt! Und das ist nur mit diesen Maßnahmen möglich! Wir wollen alle am Ende dieses Monats weder 250.000 noch 450.000 Träger ... wir wollen maximal 10.000 infizierte Südtiroler/innen im 14-Tage Zeitraum.

Do., 19.03.2020 - 00:42 Permalink
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Klemens Riegler Do., 19.03.2020 - 10:56

Antwort auf von pérvasion

Liebe/r Pervasion ... sorry ... natürlich stimmt die Rechnung nicht. Auch weil es keine Rechnung gibt und niemand einen "Schlüssel" hat. Es ging mir in diesem Beitrag nur darum ein kleinwenig zu vermitteln wie es weiter gehen wird ... egal nach welchen Berechnungen auch immer. Mir war es wichtig zu vermitteln, dass zu Ostern nicht Schluss ist usw. Heute kommt dann eh die statistische Prognose des Biostatistikers Markus Falk. Mal sehen was da kommt? Ich wünsche allen hier Alles Gute ... zu Hause versteht sich.

Do., 19.03.2020 - 10:56 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 19.03.2020 - 01:33

Antwort auf von pérvasion

@Klemens, die Überlegung ist schon angekommen. Ein bissel Mathematik hilft uns aber das Potential vor Augen zu führen. Wenn auch Patient 0 noch tagelang jeweils drei anstecken würde, wären wir übrigens mit ganz Südtirol in weniger als 10 Tagen durch, in 16 Tagen mit der halben Menschheit. Das ist so nicht wirklich begreifbar. Umso wichtiger das im Beitrag vorgebrachte Argument.

Do., 19.03.2020 - 01:33 Permalink
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Klemens Riegler Do., 19.03.2020 - 08:30

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Danke Benno! Ich wollte auch nicht wirklich "rechnen" weil das definitiv nicht möglich ist. Ich bin aber überzeugt, dass sich Covid19 ohne jegliche Maßnahme innerhalb von 30 Tagen in ganz Südtirol ausgebreitet hätte. Der exponentielle Wert ließe sich also zurückrechnen (von 500.000 auf 200 ...bzw. Null oder Eins). Ist aber echt auch unwichtig. Ich wollte nichts anderes als ganz wage die nächsten Wochen (und Monate) zu skizzieren ... das was die Menschen wissen wollen uns sollen. Ich darf das, ein Wissenschaftler oder Politiker eher nicht, weil der kriegt danach ordentlich auf die Rübe ... wenn er daneben gelegen hat. Ich bin hingegen ja nur ein kleiner Unternehmer und "Nebenbei-Publizist".

Do., 19.03.2020 - 08:30 Permalink
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Peter Gasser Do., 19.03.2020 - 08:37

Antwort auf von Klemens Riegler

nun rechne auch ich ohne jede Gewährleistung:
300.000 Infizierte in Südtirol ergäben 30.000 Erkrankte ergäben 3.000 schwer Erkrankte... wir haben für diese 50, bestenfalls 100 Intensivbetten...
... und dann wird hier verschiedentlich vorgeschlagen und zugestimmt, das alles doch einfach zuzulassen und fast wie gewohnt öffentlich weiterzuleben - das verstehe wer will...

Do., 19.03.2020 - 08:37 Permalink
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Elisabeth Garber Do., 19.03.2020 - 10:35

Antwort auf von Peter Gasser

Das verstehen die gesundheitlich topfitten (eventuell noch im Besitze eines zertifizierten Mundschutzes...) und die illusorisch glauben, es gäbe ausschließlich Risikogruppen. Das alles ist noch nicht richtig bewiesen...wenn ich nicht irre, einiges spricht dagegen. Zum Beispiel infizierte Spitzensportler.
Ich persönlich kenne zwei Sportler, der eine unter 20 der andere unter 30, die eher 'plötzlich' und eher ungewöhnlich eine Lungenentzündung bekamen. Beide waren nach 14 Tagen Krankenstand blass und geschwächt, aber wieder einsatzfähig. Mit einem, der als Ostheopath arbeitet und weitreichende medizinische Kenntnisse hat sowie Insiderbekanntschaften pflegt, kam ich kürzlich zu reden... und legte ihm meine Vermutung nahe. Prompt kam die Antwort, dass 'dies' (Zirkulation des Virus) alles schon seit (minds. Sep.) vorigen Jahres im Gange sei. Wir alle werden dem Virus also vielleicht schon unbeschadet begegnet sein... oder auf alle Fälle noch begegnen. Auf meine brennende Frage hin, woher er die Info habe, kam wie aus der Pistole: von einer spanischen Molekularbiologin. Die Partnerin des Bekannten hat Molekular-Biologie oder Genetik studiert und arbeitet in der Forschung.
Die ergriffenen Massnahmen findet dieser mein Bekannter zu Gunsten älterer Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen in Zusammenhang mit dem Potential des Gesundheitsapparats notwendig und gut.

Do., 19.03.2020 - 10:35 Permalink
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Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler Do., 19.03.2020 - 11:05

Antwort auf von Peter Gasser

@Peter Gasser: ... "zuzulassen und fast wie gewohnt öffentlich weiterzuleben" ... ist zum Glück Unsinn und sollte inzwischen jede/r verstanden haben. Wir bleiben zu Hause und überstehen das ... oder anders herum: wir stehen das durch! Wäre ja noch schöner, wenn wir als stolze und sonst so erhabene Südtiroler das nicht hinkriegen würden.

Do., 19.03.2020 - 11:05 Permalink