Politik | Der Fall Jan Böhmermann und mögliche Entwicklungen des Strafverfahrens

Das Dilemma der grenzenlosen freien Meinungsäußerung

Das ist ein kluger Schachzug von Bundeskanzlerin Merkel, dachte ich mir, ein Strafverfahren gem. Paragraph 103 gegen Jan Böhmermann zuzulassen.
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Damit wird die Angelegenheit von der politischen auf die rechtliche Bühne verlagert. Das Gericht wird vermutlich in Zweifel ziehen, ob dieser alte Paragraph des Strafgesetzbuches mit dem Grundsatz der freien Meinungsäußerung in der Verfassung im Einklang steht und eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht beantragen. Dieses wird den Paragraphen für verfassungswidrig erklären und damit dem Grundsatz der freien Meinungsäußerung zusätzliche Legitimation verschaffen - eine indirekte Botschaft an den türkischen Ministerpräsidenten zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Wird hingegen die Verfassungsmäßigkeit eines Strafverfahrens infolge Beleidigung eines ausländischen Regierungschefs festgestellt, so könnte die ordentliche Gerichtsbarkeit feststellen, dass de facto keine Beleidigung eines Staatsoberhauptes vorliegt, weil dazu die subjektive Absicht gefehlt hat. Böhmermann wollte ja nur aufzeigen, welche Form der Meinungsäußerung aus juridischer Sicht nicht vom Grundsatz der freien Meinungsäußerung gedeckt ist. Sie könnte zudem aufzeigen, dass die im Paragraph 103 vorgesehene Bedingung für die Strafverfolgung nicht gegeben ist, nämlich die Anwesenheit des türkischen Ministerpräsidenten auf deutschem Staatsgebiet zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Schmähgedichts. Sie könnte zur Auffassung kommen, dass die Performance von Böhmermann von so einem geringen Niveau war, dass aufgrund der manifesten inhaltlichen und formalen Inkonsistenz der Äußerungen gar nicht die Voraussetzungen für eine strafbare Handlung gegeben sind. Inhaltlich sind die Aussagen gewollt absurd und rein formal hat Böhmermann das Thema verfehlt. In der Türkei geht es derzeit nicht darum, was Satire darf oder nicht sondern um die Einschränkung der freien Meinungsäußerung von Journalisten und anderen Exponenten der Gesellschaft im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit Entscheidungen von Politik und Verwaltung: also eine verquere Anleihe an der offenbar noch nicht aufgearbeiteten Charlie Hebdo-Problematik in Sachen Meinungsfreiheit. Die Aktion von Böhmermann könnte von in ihrer Existenz bedrohten Menschen in der Türkei als Bärendienst an dem Anliegen der Demokratisierung aufgefasst werden, deren Erfolg davon abhängt, mit welcher Ernsthaftigkeit die öffentliche Meinung auf die Beschränkung der Meinungsfreiheit reagiert.

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Christian Mair Mo., 18.04.2016 - 19:38

Thema sollte nicht unsere Freiheit, sondern die dortige Freiheit sein. Dann könnte dein BoomerangBoomerang entstehen. Themen sind genug am Tisch: mangeldne Pressefreiheit, Krieg gegen Kurden auf türkischem, syrischen und irakischem Boden, Nachweis von Öllieferungen zwischen IS und Türkei, Unterstützung von Alqaida. Die Information aus dem Extra3 Lied (Erdowie, erdowo, erdowan) stimmen zumindest weitgehend.
Europa und vor allem Deutschland beschäftigt sich lieber mit sich selbst.

Mo., 18.04.2016 - 19:38 Permalink