Ist jetzt Jazzzeit?

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Wann und wo lernte der Jazz in Südtirol laufen? Beim Durchstöbern alter Blätter landet die Spurensuche im Jahr 1921 und in der Kleinkunsteinrichtung Bonbonniere in Meran. „Das berühmte Tanzpaar Marion und Ralph“ präsentierte damals erste Jazz-Tanzschritte in Südtirol und das bunte Bonbonniere-Programm konnte sich mitunter dadurch „eines Weltkurortes wie Meran würdig erweisen“. Jazz war etwas komplett Neues in den Alpen. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatten es bereits erste Meldungen zum Jazz in die lokalen Zeitungen geschafft, berichteten von Jazz-Dichtung, Jazzkapellen oder diversen Jazz-Abenden in Paris und London.
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Jazzige Anfänge: In der Kleinkunsteinrichtung "Bonbonniere" zeigten im Frühjahr 1921 Tänzerin Marion und Tänzer Ralph erste Tanzschritte für zur neuen Modemusik. Foto: Tessmanndigital
Nach über 100 Jahren ist Jazz in Südtirol (vor allem in den Monaten Juni und Juli) sehr präsent – und gibt sich weiterhin international. Der Reichtum des Jazz ist ja, dass er nie stehen geblieben ist und sich, mit anderen Stilen vermischend, weiterentwickelte. Zudem hat der Jazz – im Unterschied zur Klassik – im Lauf seiner Gründerjahre in New Orleans die Kulturen der verschiedenen Kontinente aufgesogen und salonfähig gemacht. Inzwischen gibt es in Südtirol ein reichhaltiges Angebot an Jazzkonzerten in Kleinkunstkellern oder auf großen Jazz-Festivals. Nachdem das Festival Lana Meets Jazz 2025 am 15. Juni erfolgreich zu Ende gegangen ist, steht mit dem Südtirol Jazzfestival ein etablierter Konzertreigen in den Startlöchern, der am kommenden Freitag im NOI Techpark in Bozen eröffnet. Das erste Konzert des mittlerweile zwei Wochen lang bespielten Jazzfestivals ging – damals unter der Führung von Nicola Ciardi – am 7. September 1982 im Stadttheater Gries über die Bühne. Codona, das Trio um Don Cherry spielte Weltmusik, umarmte alle Kulturen und adaptierte die multiethnische Interpretation für einen ganz spezifisch dargebrachten Jazz. Codona war also Startschuss für ein lokales Festival, das bis heute eine beachtliche Anzahl internationaler Jazzgrößen nach Südtirol gebracht hat. Unzählige Musiker und Musikerinnen haben seitdem in Südtirol Halt gemacht – mitunter der vor wenigen Tagen 80 Jahre alt gewordene Anthony Braxton, der 1986 und zum 25. Festivaljubiläum nach Bozen kam.
Dort schweben Besucherinnen und Besucher im Sessellift über Live-Klänge hinweg, die entlang der Strecke entstehen und mit der akustischen Landschaft der Umgebung verschmelzen.
Bereits vorüber: Seit 2012 leitet "Lana Meets Jazz" den jazzigen Sommer in Südtirol ein. Foto: Lana Meets JazzDie aktuelle Ausgabe wird mit einer Sound-Performance und einem Konzert des Amsterdamer Brainteaser Orchestra eröffnet. Bis einschließlich 6. Juli folgen an die 50 Konzerte an über 40 verschiedenen Orten – so auch in neu dazugekommenen Locations wie dem Klimastollen im Bergwerk Prettau, am Hotel Pragser Wildsee, beim Pünthof in Algund oder der Alten Pforzheimer Hütte, in der Cason Mont de Sëura in St. Christina sowie im Rahmen des Jugend-Kulturprojekts Zoona Magnifique in Bozen. Mit dabei sein werden unter anderem das dänisch-italienische Duo Raw Fish, das mit einer wilden Mischung überzeugt, oder die Schweizer Band Sc’ööf, die Jazz und Rock auf eigenwillige Weise fusioniert. Das sardische Vokalensemble Tenores di Orosei und die Multiinstrumentalistin Zoe Pia treten gemeinsam in Ridnaun auf. Auf dem Rittner Horn wie die italienische Formation She’s Analog zu hören sein.
Auf der Straße, im Stollen und am Sessellift: Spezielle Locations für spezielle Jazz-Projekte. Foto: Südtirol Jazz„Ein besonderes Klangerlebnis“, versprechen die Veranstalter mit einem Konzert am Vigiljoch: „Dort schweben Besucherinnen und Besucher im Sessellift über Live-Klänge hinweg, die entlang der Strecke entstehen und mit der akustischen Landschaft der Umgebung verschmelzen.“ Das erinnnert durchaus an die Performance der Künstlerin Tori Wranes, die im Rahmen des Festivals Transart 2015 unter dem Titel TRACK of HORNS aufgeführt wurde und beim Publikum für viele Ah-Momente sorgte. Zehn Jahre später folgt also auf das zeitgenössische Spektakel der Jazz und läuft längs der alten Liftanlage dahin.
Neu beim Festival sind die Jazz Chemistry-Konzerte, die improvisierte Musik an ungewöhnliche Orte in Bozen bringen. So spielen am 30. Juni Antonia Hausmann und Marion Ruault im Wanderlust Yoga & Movimento Studio in der Bindergasse, während der Skate- und Streetwearshop (vis-à-vis von SALTO) in der Dr.-Streiter-Gasse am 1. Juli Bühne für Andreas Lettner und Camila Nebbia sein wird. Am 2. Juli treten Andreas Tausch und Filippo Vignato im Rebel Rebel Records Shop nächst dem Kolpinghaus in Bozen auf, in der Nuova Libreria Cappelli wird es hingegen am 4. Juli Jazz vom Duo Kit Downes und Signe Emmeluth geben. Einen musikalischen Höhepunkt des Südtirol Jazzfestivals 2025 bildet das erste gemeinsame Konzert von Dan Kinzelman und Reinier Baas als Duo – am 1. Juli im Ansitz Pünthof in Algund.
Nach dem Festivalende des Südtirol Jazzfestivals findet ab 8. Juli das Merano Jazz Festival (mit Fabrizio Bosso Quartet "WE4", Steven Bernstein Sex Mob und mit "We exist!" vom The Dee Dee Bridgewater Quartet) bis einschließlich 13. Juli statt. Zuvor wird es außerdem im Rahmen der Veranstaltung Soirée auf Schloss Tirol in diesem Jahr jazziger als gewohnt – bereits morgen mit Gitanes Blondes & Mischa Leontchik und ihrer Mischung aus Klezmer, Folk und Jazzimprovisation, dann mit Breinschmid/Schmid & Donchev am 3. Juli mit einer Zusammenführung aus Classical Impro und Jazz & Groove sowie mit Crossover-Jazz am 10. Juli mit Lyyrа. Auch im Rahmen der KLANGfeste Runkelstein kommen Jazzfreunde nicht zu kurz. An zwei Abenden (24.6. und 3.7.) wird es jazzig.
Ziehen Sie sich also "kalt" an, denn es wird wieder ein heißer Jazzsommer.Weitere Artikel zum Thema
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