Umwelt | Marmorierte Forelle

Marmorierte Forelle und Genetik

Dem Brief geht langes Überlegen voraus, ob man „Altes“ ruhen lässt, oder doch seine Stimme bemerkbar macht.
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Foto: Gasser Peter

In der Presse stand (wieder) geschrieben:

Etwa bei der Landesfischzucht, die ... jahrelang schlechte Ware (marmorierte Forellen) gezüchtet hatte“.

Irgendwie muss wohl die alte Sünde falscher Information immer wieder aufgewärmt werden, damit sich mancher ein ruhiges Gewissen bewahren kann. Hingegen ist weiterhin dokumentiert:

- in der Landesfischzucht wurde lediglich vermehrt, nicht gezüchtet;

- seit Februar 2017 gibt es die abschließende genetische Studie, welche zeigt, dass der Fehler, welcher die fehlende genetische Reinheit bei der Vermehrung der Wildfänge der Marmorierten Forelle verursacht hatte, nicht in der Landesfischzucht lag, sondern in der genetischen Untersuchung der Marmorierten Forellen von 2005 bis 2008. Durch eine Fehlinterpretation der genetischen Daten war es damals dazu gekommen, dass Zuchtfische als ausreichend rein erklärt worden waren, die aber tatsächlich stark mit der Bachforelle hybridisiert waren. Dieses Projekt zur genetischen Untersuchung der Zuchtfische lag weder im Aufgaben- noch im Verantwortungsbereich der Gutsverwaltung Laimburg bzw. der Landesfischzucht.  

Alle vorhergehenden Studien zur Genetik der Marmorierten Forelle wurden (als negative Schlagzeilen) sofort öffentlich gemacht, nur diese eine abschließende Studie, welche die wirkliche Ursache aufzeigt, nicht.

Dieser immer wieder gebrachte Mythos von der Sünde gegenüber der Marmorierten Forelle in der Landesfischzucht ist ein gutes Beispiel der Kluft zwischen dem, was wir denken (sollen), und dem, was die Wissenschaft uns als (derzeitig erkennbare) Wirklichkeit zeigt.                           

Wissenschaft ist ein Verfahren mit dem Ziel, unsere begrenzte Sicht auf die Dinge und unsere inhärenten Vorurteile zu korrigieren, da diese uns daran hindern, eine objektive Realität zu verstehen und anzunehmen. Die Dinge sind oft nicht so, wie sie scheinen, doch wissenschaftliche Verfahren helfen, subjektive Schwächen zu korrigieren: auf die Daten kommt es an.

Daher hatte ich 2016 mehrfach auf die Durchführung dieser abschließenden Studie bestanden, deren Ergebnis seit Jänner 2017 (!), sprichwörtlich in der Schublade (verborgen) ist: „Relazione tecnica – ML_33 – Riesame di campioni genetici del 2008 con metodologia attuale rispetto ad altri studi, von Dr. Andrea Gandolfi, Fondazione Edmund Mach, 24. Jänner 2017; dazu das interne Gutachten der Molekularbiologie des Versuchszentrums Laimburg vom 12.04.2017.

Was sagen diese Daten der letzten Studie zu den Zuchtfischen der Marmorierten Forelle in der Landesfischzucht:

... dass in der Fischzucht Meran bereits im Jahr 2008 Hybride vorhanden waren, welche – ... als genetisch rein fehlinterpretiert worden sind“.

Fehlinterpretiert.

Im Gegensatz zu diesen wissenschaftlichen Fakten gibt es eine Unmenge an spekulativen und unwahren „Meinungen“, welche anscheinend einen kumulativen Effekt in Presse und Öffentlichkeit haben.

Als vermutlich wichtigste Erkenntnis hat uns die Wissenschaftsgeschichte über die Jahre gezeigt, dass viele frühere Annahmen – wieder einmal – falsch waren. Neue Untersuchungen deck(t)en auf, dass sich die Dinge anders verhalten: und man wusste nicht einmal, dass sie falsch waren – wie in unserem Falle auch.

In der Gesellschaft und in der Politik besteht die natürliche Tendenz, das Geschehen auf einfache Geschichten zu reduzieren, die alles simpel und vor allem zum gegebenen Zeitpunkt nützlich beschreiben. Dabei sehen die Dinge umso komplexer aus, je genauer wir hinsehen.  Wir haben hingesehen. Und nun wird verborgen, was man erkannt hat.

Es ist bekannt, dass allgemein alle Untersuchungen irgendwie fehlerhaft und alle Forschungsergebnisse immer vorbehaltlich sind. Dinge zu lernen und zu verstehen, sollte uns wichtig sein, damit unser Wissen so aktuell wie möglich ist, ungetrübt von Gerüchten und Missverständnissen. Woher diese Angst kommt, die Fehlerhaftigkeit der genetischen Untersuchungen der Marmorierten Forelle im Interreg-III-A-Projekt zu kommunizieren und einzugestehen, erschließt sich nicht.

Im Zusammenhang mit der Genetik der Zuchtstämme der Marmorierten Forelle „halten wir Gerüchte am Leben, indem wir an diesen simplen Storys festhalten, und schaffen es nicht, in die Komplexität der Wirklichkeit einzutauchen“, welche unserem Weg zugrunde liegt. Dinge zu lernen und zu verstehen, sollte uns wichtig sein. Die Erforschung der Natur ist stets auch eine Demutsübung.

Wir wünschen, dass es eine einfache Erklärung und einen klaren Schuldigen gibt - und nicht unzureichende Umstände, wissenschaftliche Fortschritte, komplexe Interpretations-Fehler, methodische Ursachen. „Die Genetik reift und die Daten fließen. Sie sind komplex und unklar, müssen analysiert, aufbereitet und experimentell überprüft werden und so weiter, immer wieder“. Wissenschaft differenziert, sie vereinfacht nicht.

„Oft werden dabei die Boulevardzeitungen zu Recht beschuldigt, wissenschaftliche Forschungsergebnisse verzerrt und falsch wiederzugeben, da sie häufig Details unterschlagen oder die Befunde überinterpretieren“: wissenschaftliche Fakten (z.B. die Studie vom Jänner 2017) werden zurückgehalten zugunsten von vorgefassten Werturteilen. Diese einfachen (und falschen) Geschichten und Mythen haben aber keinen inhaltlichen Tiefgang: schon ein einfaches Überprüfen der Fakten zeigt die Fragwürdigkeit dieser Konzepte – in der nicht enden wollenden Schlacht zwischen Fakten und denen, die von Fakten nichts wissen wollen.

Und heute (da ich schon grad dabei bin)? Über nichts, was mit der Marmorierten Forelle zusammenhängt, wird heute möglichst breit und informiert diskutiert. Bis 2016 wurde jedes Projekt im Fachbeirat des Versuchszentrums Laimburg bzw. in der jährlichen Sitzung des „Fischereifonds“ vorgestellt, diskutiert, und im Tätigkeitsprogramm der Allgemeinheit bekannt gemacht. Jedes Projekt hatte einen verantwortlichen Mitarbeiter, für jedes gab es einen jährlichen Kurzbericht. Alles war öffentlich und für jeden zugänglich, über alles wurde in der „Fischerzeitung“ berichtet.

Keine derartigen Informationen gibt es über die Aktivitäten an der Marmorierten Forelle seit 2016. Keine Projektbeschreibung, keine Abfischergebnisse, keine Berichte über das Projekt „Aufzuchtgraben“, die Aufzucht genetisch reiner Marmorierter Forellen im neunen Artenschutzzentrum, das Projekt der natürlichen Aufzucht, und anderes. Mehrfache Nachfragen bleiben ohne Antwort.

Aus der Fischerei aber sickert langsam durch:

Keine erfolgreiche Aufzucht von Brütlingen im „Projekt Aufzuchtgraben“: Ziel war, die Überlebensrate von solcherart großgezogenen Brütlingen im freien Gewässer von 4% auf 40% zu erhöhen. Bei Nachfragen herrscht allgemeines Schweigen.

„Projekt Aufzucht im Artenschutzzentrum: die 100.000 Eier der Marmorierten Forelle konnten nach dem Schlüpfen nicht angefüttert werden – ungeeignete Wasserführung, unzureichende Anfütterung. Fragen nach dem Aufzuchtdesign und wer dafür verantwortlich ist, bleiben unbeantwortet.

„Aufzucht Marmorierte Forelle Pilotprojekt mit Amt für Jagd und Fischerei“: hohe Ausfälle, extremer Kannibalismus (Tierschutzgesetz?), Kosten von etwa 2.500 Euro/kg Marmorierte Forellen, mehr als 20mal teurer als früher, und das ohne die Kosten der Genetik mit einzubeziehen.

Die Ex-Landesfischzucht, einmal für alle Bewirtschafter der Fischereireviere da, soll weitgehend abgebaut werden, zugleich sollen stillgelegte öffentliche Strukturen, welche für alle da waren, in privaten Organisationen mit öffentlichen Geldern neu errichtet werden, so rauscht es jedenfalls kritisch aus Kreisen der Fischerei.

Nachfragen bleibt legitim.