Chronik | Justiz
Eingabe gegen die Präsidentin
Der Zeitpunkt der Eingabe dürfte kein Zufall sein.
Spätestens im Frühjahr 2022 geht das Rennen um das Amt des Präsidenten am Südtiroler Landesgericht in seine entscheidende Phase. Unter mehreren AnwärterInnen setzt sich am Ende Francesca Bortolotti durch. Am 28. Juli 2022 fällt der Oberste Richterrat CSM seine Entscheidung und wählt die 54-jährige Bozner Richterin zur Nachfolgerin von Elsa Vesco. Am 7. Oktober geht die feierliche Amtseinsetzung der neuen Präsidentin am Bozner Landesgericht schließlich über die Bühne.
Jetzt wird aber deutlich, dass es im Hintergrund dieser Entscheidung Vorgänge und Manöver gegeben hat, die diese Beförderung verhindern oder zumindest erschweren hätten können.
Auf der Tagesordnung der Sitzung des Obersten Richterrates CSM, die heute ab 10 Uhr in Rom stattfindet, steht auch die Behandlung einer Eingabe gegen die neue Bozner Gerichtspräsidentin.
Die Eingabe wurde am CSM am 18. Juli 2022 hinterlegt. Also genau zehn Tage vor der Wahl der Gerichtspräsidentin durch den obersten Richterrat. Unterzeichnet ist die Eingabe vom Trentiner Anwalt Fabrizio Marchionni. Der 58-jährige Gründer des „SLM - Studio Legale Marchionni & Associati“ ist vor allem auf Wirtschaftsrecht spezialisiert.
Francesca Bortolotti ist nicht nur Richterin in der Zivilsektion des Landesgerichts, sie war auch viele Jahre lang vor allem als Konkursrichterin tätig. In der Eingabe geht es um diese Funktion.
Marchionnis „esposto“ an den CSM richtet sich dabei gleich gegen zwei Richterinnen am Landesgericht. Neben Francesca Bortolotti kommt in dem Schreiben auch Zivilrichterin Elena Covi zum Handkuss. Der Trentiner Anwalt erhebt in seiner Eingabe den Vorwurf, dass die beiden Richterinnen gegen die Regeln ihrer Berufstandes verstoßen hätten. Im Protokoll des CSM wird der Vorwurf so wiedergegeben: "(...) avrebbero tenuto nell'esercizio delle loro funzioni, a suo dire, condotte vessatorie e lesive della onorabilità professionale.“
Vordergründig geht es um einen Konkursfall, in dem Marchionni vor dem Bozner Landesgericht engagiert ist. Der Trentiner Anwalt beanstandet dabei, „dass seine Forderung aus einer Leistung im Vorfeld des Ausgleichsverfahrens nicht zugelassen wurde.“
Gleichzeitig aber gräbt der Anwalt in seiner Eingabe eine alte Geschichte gegen Francesca Bortolotti aus.
Der Ehemann
Francesca Bortolotti ist seit vielen Jahren mit Marco Carlini verheiratet. Der Bozner Unternehmer sitzt seit 2014 auch im Verwaltungsrat der Südtiroler Sparkasse. Weil die Sparkasse immer wieder auch als Gläubiger in Konkursverfahren verwickelt ist, kreidet der Trentiner Wirtschaftsanwalt in seiner Eingabe Konkursrichterin Francesca Bortolotti einen aus seiner Sicht eklatanten Interessenkonflikt an.
Der Oberste Richterrat ist diesem Vorwurf nachgegangen und hat dazu auch die konkreten Daten und Fakten am Bozner Landesgericht erhoben.
Jede Eingabe wird vom CSM zur Behandlung einer Kommission zugewiesen. Für den Fall Bortolotti/Covi war die 1. Kommission des CSM zuständig. Um eine mögliche sogenannte „incompatibilità ambientale“ der damaligen Konkursrichterin auszuschließen, hat die 1. Kommission ermittelt, in wie viele Verfahren die Südtiroler Sparkasse am Bozner Landesgericht verwickelt ist.
Das Ergebnis: Derzeit behängt am Landesgericht weder eine Ermittlung gegen die Sparkasse noch ein Strafverfahren, in dem die Sparkasse als Angeklagte, Geschädigte oder als Zivilpartei beteiligt ist. Laut den Erhebungen sind am Landesgericht derzeit 1677 Zivilverfahren anhängig. In zehn dieser Verfahren ist die Südtiroler Traditionsbank involviert. Dazu kommen noch 13 Fälle von Zwangsversteigerungen.
Was den Bereich des Konkursrechtes anbelangt, wurde die Sparkasse in 28 Verfahren als Gläubiger zugelassen.
Das Resümee der 1. CSM-Kommission ist deshalb eindeutig: „Le risultanze istruttorie escludono, quindi, in radice la sussistenza di una compromissione dell’immagine di imparzialità e indipendenza del magistrato“.
Diese Überzeugung wird auch dadurch erhärtet, dass Marco Carlini als einfacher Verwaltungsrat keinerlei operative Befugnisse in der Sparkasse ausübt. Zudem sei Bortolotti seit 2020 nicht mehr als „giudice delegato“ tätig und mit 8. September 2022 zur Gerichtspräsidentin ernannt worden.
Aus diesen Gründen hat die Kommission mit vier Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen die Archivierung des Verfahrens gegen die beiden Bozner Richterinnen beschlossen. Diese Beschlussfassung wird am heutigen Mittwoch - wie üblich - dem Plenum des obersten Richterrates vorgelegt, der dann den formalen Beschluss per Abstimmung fällt.
Le risultanze istruttorie escludono, quindi, in radice la sussistenza di una compromissione dell’immagine di imparzialità e indipendenza del magistrato.
Weil sich der CSM meistens an die Vorgaben der eigenen Kommissionen hält, dürfte der Fall Bortolotti/Covi am Mittwoch endgültig archiviert werden.
Und damit dürfte auch der Angriff auf die Präsidentin des Südtiroler Landesgerichts ergebnislos bleiben.
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