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"Das Wichtigste ist die Mentalität"

Der FC Südtirol startet heute um 18 Uhr gegen Spezia. FCS-Kapitän, Fabian Tait, über die abgelaufene Saison und darüber, worauf es im Fußball ankommt.
Fabian Tait im neuen Trikot des FC Südtirol
Foto: FC Südtirol Media

salto.bz: Kannst du uns kurz einen Rückblick geben auf die abgelaufene Saison?

Fabian Tait: Es war eine neue, ungewohnte Situation für uns alle – für den Verein, für viele  Spieler. Deshalb war es auch völlig normal, dass wir uns am Anfang schwergetan haben. Aber das Wichtigste war: nicht nervös werden. Natürlich: Wir haben die ersten drei Spiele verloren, da wurde die Stimmung schon etwas angespannter. Ich war aber total ruhig, weil ich wusste, dass es schwer werden würde. Der neue Trainer hat uns dann den entscheidenden Kick gegeben, den wir gebraucht haben: E hat uns jeden Tag aufs Neue motiviert hat, jeden Tag 100 % von uns gefordert hat, er brachte die Mentalität, die auch der Verein einfordert.

Und hat das Ruder rumgerissen...

Absolut, wir haben dann eine super Saison gespielt, die uns keiner zugetraut hatte – ich uns auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Am Ende hat es dann knapp nicht fürs Finale (der Playoffs) gereicht. Und das tat schon weh; denn wir hätten vielleicht im Rückblick mehr machen können, wenn man bedenkt, dass Bari eine ganze Halbzeit in Unterzahl war…aber so ist der Fußball mit all seinen Höhen und Tiefen nun mal.


Wie siehst du die Entwicklung im Verein allgemein?

Absolut positiv. Für alle im Verein war es eine neue Situation, erstmals Profifußball zu spielen. Und wenn ich zurückdenke: Vor zwei Jahren war das Stadion meistens noch (fast) leer – in der abgelaufenen Saison dann fast immer ausverkauft. Für den Verein war das auch eine große (logistische) Herausforderung, die die Verantwortlichen aber sehr gut gemanaged haben. Es war eine schöne Zeit mit vielen neuen Eindrücken.

Wir müssen heuer aber mit den Füßen auf dem Boden bleiben, weil es viel schwieriger sein wird – es wird auch wieder Rückschläge geben, wir müssen aber zusehen, dass wir uns aus diesen schwierigen Situationen schnell wieder herauskämpfen um unbedingt den Klassenerhalt zu schaffen. Wenn der gesichert ist, können wir – wie letztes Jahr – weiterschauen, was noch möglich ist.

Warum wird diese Saison „schwieriger“? Wegen der Erwartungen der Fans? Den Gegnern, die besser auf euch vorbereitet und eingestellt sein werden?

Ja, genau wegen dieser Faktoren. Die Erwartungen der Fans werden natürlich steigen: Spielst du vielleicht zuhause ein 0:0 gegen den Tabellenletzten, werden die Fans vielleicht etwas enttäuscht sein, weil sie sich mehr erwartet hätten. Und die Gegner wissen inzwischen auch, was sie erwartet. Letzte Saison galten wir noch als sicherer Absteiger mit einem Kader voller Legapro-Spieler. Inzwischen kennen uns alle und werden deshalb wahrscheinlich auch etwas konzentrierter spielen.

Wir sind eine Mannschaft, die sich über den Einsatz und die Arbeit definiert

Braucht es da vielleicht auch einen neuen, anderen Ansatz? Gerade weil alle eure Herangehensweise der letzten Saison kennen?

Ja, ganz sicher. Letztes Jahr sind uns fast alle Mannschaften hoch holen gekommen. Wir spielten dann immer sehr schnell vertikal über Odogwu. Wahrscheinlich werden uns die Gegner dieses Jahr öfters kommen lassen, sich selbst etwas zurückziehen und abwarten. Das wird dann ein völlig anderes Spiel. Wir arbeiten aber daran im täglichen Training, um genau solche Situationen besser bespielen zu können.

Ich hatte den Eindruck, dass eure Art, Fußball zu spielen in der letzten Saison sehr aufwendig war – körperlich wie mental. Braucht es da in der neuen Saison vielleicht einen Plan B?

Unseren Ansatz total zu ändern – davon halte ich nicht viel. Ich bin der Meinung, dass jede Mannschaft ihre Charakteristika hat: Wir sind eine Mannschaft, die sich über den Einsatz und die Arbeit definiert. Das macht uns stark und viele andere Mannschaften haben diese Eigenschaften nicht,  deshalb haben sich auch so viele schwer gegen uns getan. Am Ende muss der Ansatz auch immer zu den Spielern im Kader passen: Wenn du gegen solche Topspieler, wie Vasquez oder Bernabé von Parma, spielst, kannst du dich nicht auf ein technisches Duell einlassen.

Die Formation, ob 4-4-2 oder 4-3-3, das ist nicht entscheidend – wichtig ist die Mentalität.

 

Du sagtest im Interview vor Beginn der abgelaufenen Saison, ihr müsstet eure Identität finden. Ist euch das gelungen? Wie haben die Abgänge, z. B. jener von Zaro, eure Kaderstruktur, eure Achse, beeinflusst?

Ja, so ist der Fußball nun mal. Es gibt jede Saison wieder Veränderungen, aber ich glaube, unser Sportdirektor, Bravo, hat auch diese Saison wieder gute Arbeit geleistet. Er schaut nicht nur auf die spielerischen Qualitäten von Spielern, sondern auch dass der Kopf, die Einstellung, stimmt. Und der Kern an gewissen Spielern, wie Poluzzi, Vinetot, Casiraghi, ich, die schon über einige Jahre hinweg zusammen spielen, ist ja noch da.

Unsere Aufgabe ist es, den neuen Spielern diese Identität zu vermitteln, von der ich gesprochen habe  – das funktioniert vor allem über die Arbeit auf dem Platz. Wenn man bei unseren Trainings zuschaut, da wird 2 Stunden lang Vollgas gegeben, da gibt es keine Pausen – das ist unsere Mentalität und diese müssen wir unseren (neuen) Mitspielern weitergeben, nur so können wir unsere Ziele in dieser Liga erreichen. Da hilft uns Trainer Bisoli schon enorm, weil er diese Mentalität total verkörpert und sie von jedem Spieler einfordert. Die Formation, ob 4-4-2 oder 4-3-3, das ist nicht entscheidend – wichtig ist die Mentalität.

 

fabian tait training
Kapitän und "Mentalitätsspieler" Fabian Tait.  © FC Südtirol

 

Ist Fußball also in erster Linie ein mentales Spiel?

Absolut, Fußball besteht aus körperlichen und mentalen Elementen. Wenn du dir die Topmannschaften in Europa anschaust: Alle Spieler dort sind körperlich topfit, alle gefühlt 2 Meter groß und laufen bis zum Umfallen. Natürlich brauchst du auch gewisse technische Fähigkeiten am Ball, aber das Wichtigste im heutigen Fußball ist meiner Meinung nach die körperliche Verfassung…und die Mentalität.

Wie schätzt du die Serie B vom Niveau her ein? Im Vergleich zur Serie C?

Das ist ganz eine andere Welt: Technisch ein sehr hohes Niveau, das hörst du schon daran, wie sie gegen den Ball treten. Die meisten Gegner sind auch körperliche „Maschinen“ und du musst natürlich auch über 90 Minuten hoch konzentriert bleiben; so einen Vazquez zum Beispiel sieht man das ganze Spiel nur 1-2 Mal in Aktion, aber er steht dann vielleicht in der letzten Minute genau richtig und schießt das entscheidende Tor. Und auch die Stadien und die Fans sind beeindruckend. Wenn du in Bari vor 50.000 Zuschauern spielst, ist das schon ein beeindruckendes Erlebnis.

Das ist wirklich Fußball, wie man ihn früher als kleines Kind geträumt hat

 

Hat euch das in diesem Moment vielleicht zu sehr beeindruckt?

Schwierig zu sagen, ich würde eher behaupten, wir waren nicht unbedingt eingeschüchtert; es hat Bari einfach noch einmal zusätzlich motiviert. Das ist wirklich Fußball, wie man ihn früher als kleines Kind geträumt hat: diese Emotionen. Als wir ins Stadion von Bari gefahren sind mit Polizeieskorte, wurden wir von den Fans mit Buh-Rufen und Chören empfangen. Das ist schon ein großer Unterschied zur Serie C – da gibts das vielleicht bei 2-3 Spielen, in der Serie B praktisch bei jedem Spiel.

Woran hat es gelegen, dass so viele Mannschaften in der letzten Saison (z. B. Benevento, Como, vielleicht auch Brescia) hinter ihren Erwartungen geblieben sind?

Weil viele nicht die richtige Mischung innerhalb der Mannschaften gefunden haben. Gute Einzelspieler alleine reichen nicht mehr heutzutage. Es muss jeder bereit sein, für den anderen zu laufen. Wenn nicht alle 11 Spieler bereit sind, zu verteidigen, wirst du von gewissen Teams auf diesem Niveau an die Wand gespielt. Frosinone und Genua haben das zum Beispiel verstanden. Als wir am 8. oder 9. Spieltag gegen Frosinone gespielt haben, wusste ich sofort: „Die steigen auf!“ – weil sie die Mischung aus Mentalität und guten Einzelspielern hatten. Klar, um aufzusteigen, muss alles passen und du brauchst auch ein bisschen Glück, aber das Wichtigste ist der Zusammenhalt und die Mentalität innerhalb der Mannschaft.