Wirtschaft | Bozen

Südtirols Elite kauft Luxusimmobilien

Mehr als die Hälfte der Wohnungen im Waltherpark ist bisher an Südtiroler gegangen, doch Dutzende sind noch erhältlich. Kaufleute und Architektenkammer bleiben skeptisch.
Waltherpark Bozen
Foto: Seehauserfoto
  • Zahlungskräftige Südtirolerinnen und Südtiroler sind offenbar bereit für hochklassige Immobilien im Zentrum der Landeshauptstadt tief in die Tasche zu greifen. Objekt der Begierde sind die 110 Wohnungen im Waltherpark von Bozen, noch rund 50 davon sind verkäuflich. Laut Informationen von SALTO wurden die Immobilien bisher zu rund 80 Prozent an Südtirols Bevölkerung verkauft – überraschenderweise trotz Wohnungsnot und Inflation.

    Die teilweise konventionierten Wohnungen im neuen Einkaufszentrum neben dem Bozner Bahnhof werden über mehrere Makleragenturen vermittelt. Die Schoeller Group hat nicht nur Castellanum, Ruth Immobilien und Engel & Völkers aus Südtirol beauftragt, sondern auch die Luxus-Immobilienagentur Sotheby’s in Verona. Der Quadratmeterpreis der Handelsfläche rangiert von 7.000 bis zu 15.000 Euro, für ein Penthouse kommen so rund 2,5 Millionen Euro zusammen. Die Angebote liegen weit über dem durchschnittlichen Kaufpreis in der Region, der laut Immobiliare.it 3.556 Euro pro Quadratmeter beträgt. 

     

    „Für die allgemeine Bevölkerung sind die Angebote zu teuer.“

     

    Ein Südtiroler Großinvestor hat beim Waltherpark rund 30 Wohnungen gekauft, um sie zu vermieten. Andere einheimische Familien wollen die Immobilien für den Eigenbedarf nutzen. Doch an der Wohnungsnot ändern wird das vermutlich wenig. „Es gibt sicherlich genügend Südtiroler, die sich im Waltherpark eine Wohnung leisten können, aber für die allgemeine Bevölkerung sind die Angebote zu teuer“, erklärt Wolfgang Thaler, Präsident der Südtiroler Architektenkammer. Er begrüßt stattdessen, dass in der kürzlich verabschiedeten Wohnreform die Förderungen für die Sanierung des Altbestands erhöht wurden.

  • Dachterrasse des Stadthotels Falkensteiner: Am 16. Oktober wird das gesamte Kaufhaus eröffnet werden. Foto: Seehauserfoto
  • Was den Waltherpark betrifft, habe Thaler nicht mehr viel zu sagen. Die Kritik am Prestigeprojekt des inhaftierten Investors René Benko aus Österreich und seinem ehemaligen Bozner Berater Heinz Peter Hager war im Jahr 2016 wirkungslos verhallt. „Bei unseren Mitgliedern gibt es sowohl Fürsprecher als auch Kritiker. Ich hoffe, dass das Bahnhofsareal sich mit dem Waltherpark positiv entwickelt, da es in den letzten Jahren eher zum Problemviertel geworden ist“, so Thaler. 

     

    „Für uns bleiben Amazon und Konsorten die viel größere Konkurrenz, das zeigt auch der hohe Leerstand in den Nebenstraßen der Lauben.“

     

    Der Bozner Obmann des Handels- und Dienstleistungsverbands hds, Thomas Rizzoli, kritisiert das Bauprojekt weiterhin. „Das Projekt stammt aus dem letzten Jahrzehnt und wird vor allem für Kaufhäuser wie das Twenty oder Centrum in Bozen Süd eine große Konkurrenz“, so Rizzoli. Mittel- und hochpreisige Marken wie in den Lauben der Stadt seien noch nicht in den Waltherpark eingezogen. „Deshalb werden die Lauben und die Museumsstraße weiterhin ein qualitativ höheres Angebot haben und eine andere Zielgruppe ansprechen als der Waltherpark. Für uns bleiben Amazon und Konsorten die viel größere Konkurrenz, das zeigt auch der hohe Leerstand in den Nebenstraßen der Lauben“, so der hds-Obmann und Leiter von Südtirols größtem Schuh- und Lederwarengeschäft. 

  • Verkehrschaos am Bahnhof

    Auch die Verkehrslage neben dem Einkaufszentrum ist Anstoß für Kritik: Für Rizzoli sei nicht nachvollziehbar, dass die Anbindung des Bozner Stadtzentrums für öffentliche Verkehrsmittel und den motorisierten Verkehr verschlechtert werde. „Es entsteht der Eindruck, dass die Umbauarbeiten der öffentlichen Infrastruktur vor allem dazu dienen, möglichst viele Menschen in das neue Einkaufshaus zu leiten“, so Rizzoli. 2016 hatten der kommissarische Verwalter der Gemeinde Bozen, Michele Penta, Landeshauptmann Arno Kompatscher und Hager die Umsetzung gemäß dem Plan für eine städtebauliche Umstrukturierung (PSU) / Piano di Riqualificazione Urbana (PRU) unterzeichnet. Dieser sieht vor, dass die Bahnhofsallee Fußgängerzone werden soll, um die Verbauung der Hälfte des Bahnhofsparks auszugleichen. Damit würde auch der Kreisverkehr am Bahnhof wegfallen. 

  • Umleitung der Busse: Mehrere Linien halten nicht mehr direkt am Bahnhof. Foto: Seehauserfoto
  • In der Zwischenzeit führt die hohe Belastung der Südtiroler Straße zu Protesten der Anrainerinnen und Anrainer. Derzeit fahren mehrere Stadtbusse entlang der Südtiroler Straße nur bis zum Waltherpark und es besteht keine direkte Anbindung mehr zum Bahnhof. Nach einem öffentlichen Aufschrei kündigte Bürgermeister Claudio Corrarati an, dass die Linien 10A und 10B wieder bis zum Bahnhof fahren sollen. Ob damit auch der Protest verschwindet, wird sich zeigen. 

    Während von einem „lebensgerechten und sicheren Stadtraum“ die Rede sei, zeige sich vor Ort ein gegenteiliges Bild, kritisiert der Grüne Landtagsabgeordnete Zeno Oberkofler in einer Anfrage an die Landesregierung: „Die neue Haltestelle liegt rund 300 Meter vom Bahnhof entfernt, mitten in einem Baustellenbereich, ohne Schatten, ohne Sitzgelegenheiten, mit schlechter Orientierung und hoher Lärmbelastung“, so Oberkofler. „Wer mit dem Zug ankommt, vielleicht mit Gepäck oder eingeschränkter Mobilität, muss mehrere hundert Meter laufen, um eine Haltestelle zu finden“, kritisiert auch der Bozner Gemeinderat Matthias Cologna vom Team K gegenüber SALTO.

    Die Eröffnung des Waltherparks ist für 16. Oktober geplant. Caroline Chavanat, eine Sprecherin der Betreiber, erklärte gegenüber der italienischen Tageszeitung Corriere dell’Alto Adige, dass es wohl das einzige Einkaufshaus sei, das heuer in Italien eröffnet.