Politik | Rechnungshof

„Eine absurde Situation“

Arno Kompatscher über die veränderte Rechtslage bei den Abschüssen, seine volle Solidarität für Durnwalder und die Absurdität, dass das Land die Strafen eintreiben soll.
Durnwalder/Kompatscher
Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser
Salto.bz: Herr Landeshauptmann, der ehemalige Direktor des Landesamtes für Jagd und Fischerei Amtsdirektor Heinrich Erhard sagt in einem Salto-Interview auf die Frage, ob es sich nach dem Urteil des Rechnungshofes Rückendeckung von der Landesregierung erwarte: „Unsere Politiker haben nicht mehr diesen kämpferischen Geist, Autonomiebestimmungen bis aufs Letzte zu verteidigen. Ich sehe eher eine Rücksichtnahme gegenüber Rom.“ Sie sind damit gemeint?
 
Arno Kompatscher: Diese Aussage ist für mich völlig unverständlich. Ich weiß auch nicht, ob Herr Erhard über die aktuelle Rechtslage informiert ist. Das Urteil gegen Luis Durnwalder und Heinrich Erhard bezieht sich auf die alte Rechtslage, die es zu Zeiten der ehemaligen Landesregierung gab. Wir haben das Problem inzwischen gelöst. Die aktuellen Abschussdekrete von Murmeltieren und anderem Wild werden weder angefochten, noch vom Verwaltungsgericht annulliert. Der einfache Grund: Wir haben inzwischen die Kompetenz dafür ins Land geholt.
 
Sie sagen die rechtliche Situation hat sich inzwischen vollständig geändert?
 
Ja. Es gab diese Streitfrage seit 1992. Damals machte uns ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes diese Kompetenz streitig. 2016 konnte ich dann in Verhandlungen mit Ministerpräsident Gentiloni dieses Problem lösen. Mit einer Durchführungsbestimmung haben wir die Jagd in den Naturparken abgesichert. Das heißt in den Südtiroler Naturparken darf im Gegensatz zum restlichen Staatsgebiet gejagt werden. Die zweite Durchführungsbestimmung betrifft genau die Frage der jagdbaren Arten. Jetzt kann der zuständige Landesrat aufgrund eines fachlichen Gutachtens, das Jagen von Murmeltieren, Steinböcke und ähnlichen Tierarten verfügen. Das ist jetzt eindeutig eine Kompetenz des Landes Südtirol.
Das Urteil ist aus meiner Sicht völlig unverhältnismäßig und auch unlogisch.
Gerade diese Kompetenzfrage ist aber der zentrale Punkt im Urteil gegen Durnwalder und Erhard.
 
Diese Kompetenz wurde früher in Frage gestellt. Das ist der Hauptgrund warum das Verwaltungsgericht die Dekrete Durnwalders auch immer wieder annulliert hat. Das jetzige Urteil des Rechnungshofes ist dann leider eine Folge davon.
 
Sie wollen den Weichling also nicht auf sich sitzen lassen?
 

Die Frage ist, ob man sich erwartet, dass jemand laut herumbrüllt, mit der Faust auf den Tisch schlägt und am Ende dann nichts erreicht. Oder ob man mit klugen und geschickten Verhandlungen sein Ziel erreicht? Mein Weg ist letzterer.
 
Die Frage ist aber auch, ob sich Arno Kompatscher und die Landesregierung mit Durnwalder und Erhard solidarisch zeigen?
 
Absolut. Das Urteil ist aus meiner Sicht völlig unverhältnismäßig und auch unlogisch. Zum einen scheinen mir die festgelegte Schadenersatzforderung völlig überzogen. Zum anderen stelle ich in Frage, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist. Denn diese Abschüsse wurde verfügt, um einen Schaden an der Allgemeinheit zu vermeiden. Was man auch getan hat. Dazu kommt noch eine weiterer Punkt: Es ist für mich absolut fragwürdig, warum der Schaden dem Staat bezahlt werden soll. Das Land kommt seit Jahrzehnten für alle Wildschäden auf. Jetzt aber soll der Staat diesen Schadenersatz bekommen. Nur dann hätte der Staat auch für die Wildschäden aufkommen müssen, wenn er behauptet, das Wild gehört ihm.
Durnwalder und Erhard haben mit Sicherheit Schaden abgewendet, sie haben richtige Entscheidungen getroffen und sie sind jetzt dafür verurteilt worden. Das kann es nicht sein.
Wird die Landesregierung aktiv werden und sich in einer möglichen Berufung vor dem Kassationsgerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anschließen?
 
Selbstverständlich tun wir das. Wir haben sofort die Anwaltschaft des Landes beauftragt zu prüfen, welche Rechtsmittel wir einlegen können. Denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Verwalter, die in der Vergangenheit für das Land tätig waren, nicht zu Unrecht zur Kasse gebeten werden. Deshalb werden wir alle Rechtsmittel nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um Altlandeshauptmann Durnwalder und Amtsdirektor Heinrich Erhard zu verteidigen.
 
Das Urteil macht aber auch deutlich, was einem Südtiroler Landeshauptmann blühen kann. Schlafen Sie überhaupt noch ruhig?
 
Es ist heute leider so, dass das für alle politisch Verantwortlichen gilt. Den Verwaltern auf Gemeindeebene genauso wie auf Landesebene. Man muss ständig befürchten aus irgendeinem Grund angeklagt und möglicherweise dann auch verurteilt zu werden. Obwohl man sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht für die Allgemeinheit zu arbeiten. Wie dieser Fall exemplarisch zeigt. Durnwalder und Erhard haben mit Sicherheit Schaden abgewendet, sie haben richtige Entscheidungen getroffen und sie sind jetzt dafür verurteilt worden. Das kann es nicht sein. Ich bin zu hundert Prozent solidarisch mit den beiden. Hier muss auch die Gesellschaft insgesamt umdenken, denn sonst werden wir auch keine Leute mehr finden, die diese Aufgaben übernehmen.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Verwalter, die in der Vergangenheit für das Land tätig waren, nicht zu Unrecht zur Kasse gebeten werden. Deshalb werden wir alle Rechtsmittel nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um Altlandeshauptmann Durnwalder und Amtsdirektor Luis Durnwalder zu verteidigen.
Was kaum jemand weiß: Die hohen Geldstrafen, die mit diesem Urteil gegen Durnwalder und Erhard verhängt wurden, muss ausgerechnet das Land eintreiben?
 
Das ist die absurde Situation. Wenn Mitarbeiter der Verwaltung oder auch politisch Verantwortliche vom Rechnungshof verurteilt werden, weil sie angeblich einen Schaden verursacht haben, dann muss das Land auch noch gegen die eigenen Leute vorgehen. Damit kommt hier noch ein zusätzliches Problem auf uns zu. Wir werden aber auf jeden Fall versuchen, alle notwendigen Rechtsmittel einzulegen. Weil das Urteil - ich sage es noch eimal - nach unserer Sicht auch bezogen auf die frühere Rechtslage nicht nachvollziehbar ist. Heute stellt sich das Problem sowieso nicht mehr.