salto.music | Ësenaim.

Dreidimensional, mindestens...

Letzten Freitag, 17. Oktober 2025, hat das Electronic-Projekt Ësenaim. sein Debüt-Album „Talk About“ in der BASIS Vinschgau in Schlanders vorgestellt. Es war ein einnehmendes Erlebnis, inhaltlich, musikalisch und visuell.
Ësenaim. live BASIS Vinschgau (1a)
Foto: rhd
  • Michael Casera und Sarah Guefif touren zur Zeit durch Europa, um ihr gemeinsames Projekt Ësenaim. der Öffentlichkeit vorzustellen. Am letzten Freitag, 17. Oktober 2025, sollte zudem das Debüt-Album „Talk About“, das über das dänische Label Petit Victory Collective erscheint, erstmals live vorgestellt werden.

    Wir sind etwas spät in Schlanders eingetroffen, und zum Zeitpunkt unserer Ankunft waren Casera und Guefif bereits in der Diskussion mit dem anwesenden Publikum. Sie beantworteten Fragen und erzählten von ihrem Projekt, ihren Erfahrungen als aktiver Teil der „Ärzte ohne Grenzen“, und sie erzählten von ihrem Vorhaben, über Krisengebiete auf dieser Erde zu berichten, die von den Schlagzeilen verschwunden sind, Krisengebiete, in denen sie gearbeitet haben, in denen sie Freundschaften geschlossen haben und von denen sie nachhaltig geprägt worden waren.

    Sarah Guefif hat ihre Erfahrungen und Träume als lyrische Texte festgehalten. Es sind diese Texte, die in Verbindung mit der Musik von Michale Casera die Basis, den Startpunkt für Ësenaim. bilden.

    Casera und Guefif haben einen ganzheitlichen Zugang zu ihrer Kunst. Wie aus den bisher erschienenen Videos klar hervorgeht, ist die viduelles Seite des Projektes gleich wichtig wie die Musik und die Texte. Das sollte sich in der Live-Performance, die nach der Diskussion gegen 21 Uhr begann, auf allen Ebenen bestätigen.

    Die Visuals waren sehr stark, ob es sich dabei nun um Handy-Aufnahmen aus den besagten Krisengebieten handelte, ob es abstrakte Flächen waren oder ob es sich um in die deutsche Sprache übersetzte Auszüge aus den Träumen von Guefif oder die Übersetzung verschiedener Sprachsamples handelte, sie gaben der bisweilen treibenden und dramatischen Musik Tiefe, machten diese zum perfekten Soundtrack der Erzählung der Stücke.

    Die Musik von Ësenaim. ist im Prinzip Techno, erweitert um die durch die Sprachsamples konkret eingefangene Gegenwart. Die Sounds waren rund, nie wirklich aggressiv und schlitterten manchmal und angenehmerweise in spacige Sphären.

    Das Publikum in der BASIS Vinschgau in Schlanders ließ sich fangen, und wenn es auch manchmal ein harter Brocken war, alles zu verarbeiten, was geboten wurde, so half eben die Musik, die Schwere – jedoch nicht die Ernsthaftigkeit – etwas zu mindern. Casera fand zu den Stücken die richtigen Worte und insgesamt war das Set so strukturiert, dass am Ende eine Art Leichtigkeit aufkam. Sei es durch die beiden Gäste Lorenzo Casera, Michales Vater, an der Geige, oder den aus Trient stammenden Cellisten Francesco Bocci, mit dem der Song „Sinjar“ entstanden war. Und, am Ende der Performance, gab es auch einen Song, mit dem diese Reise von Casera und Guefif, bzw. die Idee zu Ësenaim. in Kopenhagen begonnen hatte.

    Das Konzert, die Performance von Ësenaim. war eine intensive, nachhallende, schöne und mitreißende Erfahrung. So sollte Musik sein, so sollte Kunst sein. In unseren Kategorien ist Ësenaim. so etwas wie „Best of“. Übrigens auch das Kasino in der BASIS Vinschgau, das sich für diese Performance perfekt geeignet hat: Licht, Visuals, Atmosphäre, Soundqualität... alles so gut wie optimal!

  • Beeindruckten mit der Umsetzung ihres Konzeptes: Michael Casera aus Bozen und Sarah Guefif aus Paris stellten vergangenen Freitag in der BASIS Vinschgau in Schlanders ihr gemeinsames Projekt Ësenaiim vor. Foto: rhd
  • Ësenaim.: „Bidibidi“ (Official Music Video“)
    (c) Ësenaim. / DRKETCH69

  • „Talk About“ ist also am Freitag, 17. Oktober 2025, erschienen. Das Album enthält die beiden aktuellen Singles „Talk About“ und „Sinjar“, drei Tracks aus der EP „Prologue“ (November 2024) und einen Track aus der EP „Gaza“ (Februar 2025), die aber teilweise leicht überarbeitet wurden.

    Das Album ist – wie die Live-Performance – eine Reise, die in Afrika beginnt und nach Haiti und Palästina führt und in Dänemark mit dem Stück „Port-à-Piment” langsam ein Ende nimmt, dort, wo Casera und Guefif die Idee zu Ësenaim. hatten.

    Weil die Visuals fehlen und weil keine einführenden, kommentierenden Worte den Fokus nicht auf den jeweiligen konkreten Kontext der Songs lenken, ist das Erlebnis etwas abstrakter. Nicht schlechter, nicht besser, nur etwas losgelöster, denn immer wieder tauchen Fieldrecordings auf, Sprachsamples die man einordnen kann oder in englischer Sprache gehaltene Poesie oder Texte, die den konkreten Kontext selbst schaffen. Besonders stark ist wieder „Gaza“, bei der der palästinensische Autor Mohammed Moussa auch selbst zu hören.

    Mit „Talk About“ haben Michael Casera, Sarah Guefif und Simon Öggl – der aus Schlanders stammende Musiker hat an der Produktion des Albums intensiv mitgearbeitet und ist auch für das Mastering verantwortlich – ein großes klangliches Bild geschaffen, sie haben eine Reise wirkungsvoll nachgezeichnet, die beim Hören neue Bilder entstehen lässt, Subjektivität triggert und mit der konkreten Geschichte hinter den Songs zusammenfließen lässt. „Talk About“ ist das, was man intellektuelle Musik bezeichnen kann, die auf mehreren Ebenen funktioniert: Als Auseinandersetzung mit der Gegenwart, aber auch als Musik, die eine Auseinandersetzung mit der eigenen Weltsicht einfordert. Die Musik ist spannend arrangiert, die Klänge mit Geschmack gewählt und zugänglich, sodass man den Deal mit dem Gegenwartsbezug nicht unbedingt eingehen muss. Die Samples – ob Geräusche, Stimmen oder Textpassagen – haben in jedem Fall eine unwahrscheinlich starke Wirkung. Beispiel: Das Stück „Juba“, mit dem französischen Text von Sarah Guefif, der unterstützt von der Musik eine starke, mitreißende Atmosphäre schafft.

    Das erklärte Ziel von „Talk About“ ist, dass über die bisweilen von der Öffentlichkeit vergessenen Krisengebiete wieder gesprochen wird. Ësenaim. haben das mit diesem Album erreicht, es ist nicht möglich, sich damit auseinanderzusetzen, ohne auf die eine oder andere Art davon betroffen zu sein.

  • Ist am Freitg, 17. Oktober 2025, offiziell erschienen: „Talk About“ ist das Debüt-Album von Ësenaim. und wird ab November auch als Vinyl zu haben sein. Foto: Ësenaim.
  • Am Rande des Konzertes gab es einen Stand mit Merchandise, darunter auch Tshirts und Buttons, mit dem man das Projekt unterstützen konnte. Es gab zudem eine einfach verpackte CD des Albums „Talk About“ und einem Booklet, das Fotos und Infos zu den Songs liefert. Das Vinyl zum Album – mit dem Booklet – wird Anfang November erscheinen.

    Ësenaim. sind mit ihrem Projekt „Talk About“ zur Zeit auf Tour und werden am Samstag, 20. Dezember 2025, in der „Zoona“ in Bozen erneut live zu sehen sein, dann werden Michael Casera und Sarah Guefif auch das Vinyl im Gepäck haben.

  • Neben elektronischen Tools verwendete Michael Casera für die Live-Performance auch einen Mini-Moog: Die Songs waren im Vergleich zum Release härter und intensiver wahrzunehmen. Foto: rhd
  • Lieferten eine Einführung in ihre Arbeit als Teil der „Ärzte ohne Grenzen“ und erzählten über ihre Erfahrungen: Sarah Guefif und Michael Casera stellten ihr Projekt Ësenaim. am vergangenen Freitag, 17. Oktober 2025, in der BASIS Vinschgau in Schlanders vor. Foto: rhd
  • Stellten sich den Fragen des Publikums: Auf die Diskussion folgte die Releaseshow zu „Talk About“ von Ësenaim., mit Visuals und einem raumfüllenden Sound. Foto: rhd
  • Zogen in einer gut zweistündigen Show die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich: Im Herbst letzten Jahres haben Michael Casera und Sarah Guefif ihr Projekt mit dem Release der EP „Prologe“ offiziell gestartet. Foto: rhd
  • Klare politische Botschaften, bzw. direkt an das Publikum gerichtete Fragen: Mit „Talk About“ wollen Ësenaim. vergessene Konflikte auf dieser Welt ins Bewusstsein rufen. Foto: rhd
  • Ein gutes Stück besser als sie es bereits auf den Videos zu sehen waren: Die Visuals waren ein nicht zu trennender Teil der Release-Show an diesem Abend. Foto: rhd
  • Eine Überraschung an diesem Abend war, das Lorenzo Casera, Vater von Michael, selbst Musiker, für einen Song auf die Bühne kam: Das Publikum feierte die gemeinsame Performance mit Applaus. Foto: rhd
  • Den Song „Sinjar“ haben Ësenaim. mit dem aus Trient stammenden Cellisten Francesco Bocci geschrieben: Bocchi ist für die Aufführung des Songs nach Schlanders gekommen. Foto: rhd
  • Die BASIS in Schlanders war ein perfekter Ort für eine multidimensionale Show wie jener von Ësenaim.: Klang, Atmosphäre, Visuals und Lichteffekte wurden aufeinander abegstimmt und lieferten dem Publikum eine Art „full inmersion“ in die Welt, von der Casera und Guefif erzählten. Foto: rhd