Gesellschaft | Covid-19

Datenlücken

Seit November 2020 setzen sich Wissenschaftler unterschiedlicher Forschungsfelder jährlich im Zuge der Tagung „Corona verstehen“ mit der Corona-Pandemie auseinander. Der Statistiker Erich Neuwirth beleuchtet im Interview die Kernaspekte seines Vortrags.
Erich Neuwirth
Foto: Daniel Landau
  • SALTO: Herr Neuwirth, was werden Sie in Ihrem Vortrag behandeln?

    Erich Neuwirth: Es wird darum gehen, wie die Datenlage war, was daran verbesserbar ist, wie von offizieller Seite kommuniziert wurde und welche Erfahrungen ich mit der Berichterstattung in den sozialen Medien hatte.

  • Zur Person

    Erich Neuwirth war vor seinem Ruhestand Statistiker und Universitätsprofessor für Statistik und Informatik in Wien. In jüngerer Vergangenheit hat er sich erneut ins Rampenlicht gestellt. Seine Auftritte in verschiedenen Medien bargen oft Kritik an der Datenerhebung in der Corona-Zeit und deren Darstellung. Er hat ebenfalls eine Webseite, auf welcher man Einsicht zu seinen Analysen erhält.

  • Sie sind vom Ruhestand zurückgekehrt, was hat Sie dazu bewogen?

    Ursprünglicher Auslöser war die Familie meines Sohnes. Er lebt in Deutschland und daher wollte ich die Verhältnisse in Deutschland und Österreich vergleichen. Zunächst nur aus Eigeninteresse. Daher habe ich verschiedene Datenquellen herangezogen und bin bei der John-Hopkins-Universität fündig geworden. Diese sammelt internationale Daten, welche ich für meinen Vergleich nutzen konnte. So kam mir der Gedanke, dass es andere möglicherweise ebenfalls interessieren könnte, und ich habe begonnen, auf X (ehemals Twitter) und meiner Webseite zu publizieren.

    Was halten Sie von der Datenerhebung in den Corona-Jahren?

    Es war zu wenig. Vor allem die Riesenangst vor dem Datenschutz führte dazu, dass viele vergleichende Untersuchungen, bei denen man Daten kombinieren müsste, nicht möglich waren. Konkret weiß man immer noch nicht, wie viele Geimpfte und Ungeimpfte in die Letalitätsstatistik fallen. Diese Zahlen gibt es zwar derzeit noch nicht, jedoch hörte ich von einem anderen Statistiker, der die Behörden in Österreich wohl so weit gebracht hat, dass die Daten in nächster Zeit veröffentlicht werden könnten.

    Sie sprachen in der Vergangenheit öfter von einer „Misslage“ der Daten. Wurden Ihrer Ansicht nach Daten falsch dargestellt oder war die Informationslage nicht ausreichend?

    Die Informationslage war nicht gut genug. Es hat von offizieller Seite keine klare Antwort auf die Frage ‚Sind die Corona-Toten nun mit oder an Corona gestorben?‘ gegeben. Das war ein typisches Problem.

  • „Es war eine völlig unbekannte Situation, und da erschien es mir richtig, erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Lieber etwas zu strenge Maßnahmen, als zu lockere.“

  • Wie sehen Sie die Maßnahmen der Corona-Politik mit Blick auf die Datenlage?

    Ganz am Anfang hat die Politik auf jeden Fall richtig gehandelt. Denn es war eine völlig unbekannte Situation, und da erschien es mir richtig, erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Lieber etwas zu strenge Maßnahmen, als zu lockere.

    War es auch gerechtfertigt, die Schulen zu schließen und somit die Kinderentwicklung zu gefährden?

    Das ist eine schwierige Frage. Es wäre notwendig, die Sache aus heutiger Perspektive nochmals zu betrachten. Ich denke allerdings, dass oft übertrieben wurde. Wenn man sich die Nettozeit anschaut, in der Kinder nicht in die Schule gehen konnten, war das nicht extrem lang. Wir sprechen hier nicht von einem halben Jahr, sondern von ein paar Wochen. Bei manchen Meinungen schwingt mit, man hätte ein ganzes Jahr verloren und so scheint es mir nicht zu sein.

    Welche konkreten Nachwirkungen dieser Zeit sehen Sie und was ist künftig noch zu erwarten?

    Das Allerwichtigste wäre es, möglichst früh kombinierbare Daten zur Verfügung zu stellen. Es hat beispielsweise Daten zu den Krankenhausaufenthalten gegeben. Diese beschäftigten sich mit der Dauer des Aufenthalts, dem Ergehen der Patienten und auch der Letalität. Sie waren aber aufenthaltsorientiert, sprich, man hat nicht erfasst, ob jemand wiederkehrte. Wenn jemand zweimal im Krankenhaus war, wurden zwei Fälle verzeichnet. Somit handelte es sich um administrationsbezogene und nicht personenbezogene Daten. Man sollte deshalb mehr über den Verlauf der Krankheit aufklären, denn es ist besonders wichtig zu wissen, ob vermehrt zweite, dritte oder gar vierte Infektionen auftraten.

    Sehen Sie das Potenzial einer erneuten Krise mit Lockdowns, Masken oder gar einer Impfpflicht?

    Virologen sagen, es ist keine Frage, ob wir eine neue Pandemie bekommen. Die Frage ist nur, wann. Es steht im Raum, dass wieder etwas passieren wird. Da sollte man dann genau und rechtzeitig planen, wie man reagieren wird. Besonders muss man determinieren, welche Daten vorhanden sein müssen, um informiert zu reagieren.

    Welches Fazit ziehen Sie aus der Politik der vergangenen Jahre?

    Die Politik hat immer noch nicht verstanden, dass eine gute Datenlage entscheidend dabei hilft, rationale und bessere Entscheidungen zu treffen.

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Stereo Typ Do., 21.11.2024 - 12:46

"Virologen sagen, es ist keine Frage, ob wir eine neue Pandemie bekommen. Die Frage ist nur, wann. Es steht im Raum, dass wieder etwas passieren wird."
Sonderbar. Woher wissen das die Virologen? Und warum gab's in Europa jahrezehntelang keine Pandemie, und jetzt auf einmal anscheinend immer wieder eine?

Do., 21.11.2024 - 12:46 Permalink
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Peter Gasser Do., 21.11.2024 - 13:22

Antwort auf von Stereo Typ

Ich bitte Sie!

Seit der Mensch schreiben (und lesen!) kann, gibt es Aufzeichnungen von Seuchen (Pandemien).

Plötzlich soll es keine mehr geben (Zitat: “Sonderbar. Woher wissen das die Virologen?”): woran machen Sie das fest?

ps: “sonderbar” wäre es, ‘wüssten’ die Virologen das NICHT.

Do., 21.11.2024 - 13:22 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 21.11.2024 - 21:35

Antwort auf von Stereo Typ

Eine Pandemie kann es per definitionem nicht in nur Europa geben, da Pandemien weltweit sind. Was es in Europa regelmäßig (mehr als eine pro Jahr) gibt, sind Epidemien. Man sollte natürlich wissen oder notfalls bei Google nachschauen, was eine Epidemie ist. Das ist hier anscheinend nicht bekannt.

Do., 21.11.2024 - 21:35 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 21.11.2024 - 13:36

Viren haben die unangenehme Eigenschaft, zu mutieren, manche mehr, andere weniger. Es kommt daher auch in Europa regelmäßig durch Mutation humaner Viren, oder auch durch den Übersprung von tierischen Erregern auf den Menschen (Zoonosen) zu Epidemien, auf die man nicht vorbereitet sein kann. Virologen sind Wissenschaftler, die sich mit diesen Dingen befassen und daher auch Voraussagen treffen können. Um das zu verstehen, muss man eigentlich kein Virologe sein. Es genügt ein wenig Hausverstand. Man sollte sich vielleicht auch damit befassen, wie die wissenschaftliche Definition von "Epidemie" lautet.

Do., 21.11.2024 - 13:36 Permalink
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Salto User
Milo Tschurtsch Do., 21.11.2024 - 22:32

Fatal ist vor allem für die zum Teil schwer Impfgeschädigten dass sie keinerlei Hilfe erhalten weil die kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland zwar ihre Daten laut neuem Infektionsschutzgesetz an die Behörden weiterleiten müssen, aber seit Dezember 2020 verweigern das PEI und das RKI die Annahme und Auswertung der Daten obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist und auch mehrfach angemahnt wurde.
Auch eine simple Weisung des Gesundheitsministers um diesen Missstand zu beseitigen ist bis jetzt nicht erfolgt.
So bleiben die Geschädigten hilflos zurück.
Folgender Kurzfilm gestern gezeigt in der ARD zeigt das Ausmaß :

https://www.ardmediathek.de/video/plusminus/plusminus-vom-20-november-2…

Do., 21.11.2024 - 22:32 Permalink