Kultur | Rezension

Nomadische Metamorphosen

Ausstellung von Oliver Laric in Bozen

"Normality is the zero-degree of difference." Rosi Braidotti

Die ar/ge Kunst Galerie Museum zeigt derzeit (noch bis 24.1.) zwei Werke des jungen österreichischen Künstlers Oliver Laric: eine Skulpturenreihe und ein Video. Beide bedienen sich bereits bestehender Vorlagen aus dem globalen Kulturarchiv: während bei Hunter and His Dog Relief (2014) eine neoklassische Skulptur von John Gibson die Form lieferte, sind es im Video Szenen aus Abbildungen und Animationsfilmen vom 19. Jahrhundert bis heute. Laric sagt in einem Interview, dass er keine Notwendigkeit darin sähe, eigene Bilder zu produzieren; alles, was er brauche, existiere, es komme nur darauf an, es zu finden.



Oliver Laric im Internet - da öffnen sich Türen über Türen bzw. Pages über Hyperlinks: von der Website des Künstlers, auf denen viele seiner Arbeiten von 2006-14 "ausgestellt" sind, über kollaborative Webprojekte wie VVORK (2006-12), Videos auf Youtube oder Bilder auf Flickr. Erstaunlich ist die Greifweite dieser Portale, die Laric mitkuratiert hat, oder seiner Videos und Internetarbeiten. "Mariah Carey - Touch My Body" auf Greenscreen wurde bereits 83.581 Mal angeklickt, "787 Cliparts" wurde sogar 448.974 (aktueller Stand Januar 2015) Mal gesehen. Laric hält nichts von Autorschaft, er sagt, dass das Ignorieren von Copyright und Kunstmarktdebatten seiner Gesundheit und seinem Glück wohltun.
Für die Institution The Collection in Lincoln hat er skulpturale Exponate 3D-gescannt und anschließend alle Daten im Internet zur freien Verfügung und Bearbeitung gestellt. Auf derselben Website werden folgerichtig die von KünstlerInnen verarbeiteten "Originale" gezeigt (klicke "Gallery").

KünstlerInnen nutzen das Netz, seitdem es dieses gibt; viele vor allem für die eigene Webpräsenz. Davor hat auch Laric keinen Abstand genommen. Sein CV ist dort jedoch nicht vorhanden, auch ist keine klassische Ausstellungshistorie aufgeführt. Auf die Frage eines Journalisten nach seinen sich ständig ändernden autobiographischen Angaben antwortet er, dass er noch mehr braucht: nämlich eine/n AutorIn, der/die ihm multiple Biographien schreiben soll.
Abgesehen davon ist das Web das Aktionsfeld von Larics Praxis: er befragt und holt sich daraus das visuelle Material, das er weiterverarbeitet und er macht zugänglich, was vorher versteckt oder verriegelt oder zu fixiert war. Was dabei passiert: verstaubte Skulpturen werden plötzlich zur Quelle der Inspiration für KünstlerInnen aus aller Welt (siehe bei der Arbeit für The Collection) - ein Archiv erfährt Erneuerung und ein zeitgenössisches Update. Bilder und darauf abgebildete Subjekte mutieren, transformieren sich, wachsen aus ihrer festen Form, gehen ineinander über, verlagern ihre Identität etc.

Darüber schreibt auch die italienische, feministische Philosophin Rosi Braidotti in ihrem eigens für die Ausstellung verfassten 8-seitigen Text "Metamorphic others and nomadic subjects". Der dreisprachig zum Download verfügbare und unbedingt lesenswerte Beitrag enthält u.a. eines der Konzepte, das Braidotti im Laufe ihrer Karriere entworfen hat: jenes der "nomadischen Subjekte" oder des "nomadischen Werdens". Grundsätzlich kritisiert sie damit eine dialektische Denkart, starre Dualismen und die patriarchale Weltordnung, und entwirft ein neues Subjekt: eines, das in Veränderung ist, in konstanter Metamorphose (und zwar nicht auf die alte Art, wo das "Andere", auch in der Kunst, entwertet wurde). Mit den "Anderen" sind nach Braidotti alle gemeint, die nicht dem dominanten Subjektkonzept (weiß, männlich, heterosexuell, urbanisiert, körperlich gesund, eine Standardsprache sprechend und Frau und Kinder beherrschend) entsprechen: Frauen, LGBTs, Urvölker, BewohnerInnen postkolonialer Länder sowie NichteuropäerInnen, Tiere, Pflanzen, der Planet, und sogar Maschinen und deren interaktive Netzwerke. Sie fordert eine eine affirmative und ermächtigende Haltung für jene "Anderen", das Feiern der Diversität, eine politische Sichtbarkeit und ein Mitspracherecht der "Minoritären".

Lobenswert ist es, - wenn auch in nur kleinem Umfang - Oliver Larics Werk in Bozen vorzustellen; ein Anfang ist gemacht, das Internet bietet weitere Recherchemöglichkeiten. Weiters ebenso lobenswert ist es, die renommierte, feministische Theoretikerin Rosi Braidotti ins Boot zu holen, deren Worte zu übersetzen und anschließend zur freien Verfügung zu stellen. Die Ausstellung wird im Anschluss in New York gezeigt.


Oliver Laric
ar/ge Kunst Galerie Museum
28. November 2014 - 24. Januar 2015
Mit einem Textbeitrag von Rosi Braidotti
Kuratiert von Emanuele Guidi