Umwelt | Was darf Satire

"Chronik einer Repression"

Alexander Schiebel hat sich weit vorgewagt. Und ist dabei der SMG auf die Füße getreten. Wie die satirische Aufarbeitung des Südtirol-Logos Kreise zieht.

Wie weit darf Satire gehen? Nicht wenige Menschen haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten mit dieser Frage beschäftigt. Nun bekommt die Diskussion einen neuen Anstrich. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Alexander Schiebel ist Filmemacher aus Deutschland. Seit 2013 lebt er in Meran. Zur Zeit ist er in ganz Südtirol unterwegs, um Aufnahmen für einen Film über Pestizide und “Das Wunder von Mals” zu drehen. Auch für die Südtiroler Marketinggesellschaft übernimmt er Aufträge. Und genau dieser ist er nun auf die Füße getreten. Denn Schiebel hat das Logo der Südtirol-Dachmarke kreativ umgestaltet – “Pestizidtirol” und nicht mehr “Südtirol” war auf der neuen Version des bunten Logos zu lesen, die am Wochenende in den Sozialen Medien und diversen Blogs kursierte. Genauso schnell wie die provokante Grafik aufgetaucht war, war sie dann auch wieder verschwunden.

Quelle: Facebook


“Freiheit à la Südtirol”

Doch der aufmüpfige Deutsche lässt sich nicht einschüchtern. Am Dienstag Morgen veröffentlicht Schiebel auf seiner Facebook-Seite erneut das Pestizidtirol-Logo. Und das, obwohl SMG-Geschäftsführer Marco Pappalardo ihm bereits mit einer Klage gedroht hat. Darunter schreibt der Filmemacher folgende Zeilen, in denen er die Geschehnisse der vergangenen Stunden und Tage nachzeichnet:

Vorigen Mittwoch, am 15. April, erwachte ich aus unruhigen Träumen - und was flatterte da vor meinem traumtrunkenen Auge: eine bunte kleine Grafik, die mich gleich zum Lachen brachte. 30 Minuten später hatte ich den heiligen Gral der Südtirol Werbung ironisch weiter entwickelt. Statt "SÜDtiROL" las man nun: "PEStiZIDtiROL".

Wenige Augenblicke danach war diese amüsante kleine Provokation auch schon auf Facebook zu sehen. Da mein Bruder jahrelang ein Satire Magazin herausgegeben hatte, begann ich sicherheitshalber mit den Worten: "Heute einmal ein satirischer Beitrag:" Danach machte ich jedoch unmissverständlich klar, welchen Gedanken meine kleine Grafik transportieren sollte: "So könnte die Weiterentwicklung von Südtirols Dachmarke aussehen, falls wir die Weiterentwicklung der Landwirtschaft nicht beherzt vorantreiben." Und ich fügte hinzu: "Daher wundert es mich oft, dass die Touristiker dem Treiben der Monokultur-Kapitalisten mehr oder weniger tatenlos zusehen. Sie denken vielleicht: Worüber nicht gesprochen wird, das existiert auch nicht."

Die nächsten Stunden verbrachte ich auf einem Polizeiposten der Südtiroler Carabinieri, denn ich hatte Mitte Jänner des Jahres 2015 eine Aktion von Malser Aktivistinnen gefilmt: Für jede in Mals ignorierte Wählerstimme, war damals eine Zahl auf den Asphalt vor dem Gemeinderat gemalt worden. 3.277 Zahlen. Nun wurde in dieser Sache ermittelt: "Wer war es gewesen, der oder die durch diesen perfiden Anschlag die Grundfesten der Republik erschüttert hatte?" Ob ich unter Folter standhaft geblieben wäre, vermag ich nicht zu sagen. Zum Glück kam es nicht so weit und ich berief mich auf meine agitatorische Schweigepflicht.

Kopfschüttelnd verließ ich die Polizeistation, und dachte darüber nach, wie wenig Rückgrat jemand haben musste, der sich von diesem Unsinn beeindrucken ließ.

Im gleichen Augenblick erhielt ich einen Anruf der Südtirol Marketing Gesellschaft. Für diese Agentur hatte ich in den letzten vier Monaten immer wieder Filmbeiträge über interessante Menschen und Orte in Südtirol gedreht. Immer zu deren Zufriedenheit.

Die Stimme von Frau Crepaz klang eigenartig angespannt. Frau Crepaz ist eine ausgezeichnete Journalistin und kooperative Auftraggeberin. Sie leitet den Bereich Content bei der SMG. "Stimmt etwas nicht?", wollte ich wissen. "Ja!", und sie werde mich nun an ihren Chef weitergeben, Herrn Pappalardo. Mit Höflichkeitsfloskeln hielt sich dieser Herr, den ich persönlich noch nicht kennen gelernt hatte, nicht lange auf. "Er verlange, dass das Bild in meinem Facebook Newsfeed sofort gelöscht werde. Sonst werde es keine Aufträge an mich mehr geben und alle offenen Aufträge würden storniert." Ich schwieg. In meinem Kopf rechnete ich die Aufträge des letzten halben Jahres zusammen und dachte mir, wir reden hier immerhin von rund 20.000,- Euro Budget. "Warum sagen Sie nichts?", wollte Pappalardo wissen. "Ich höre zu." erwiderte ich.

Als er nun aber seinerseits beharrlich schwieg, meinte ich, dass mir eine BITTE von seiner Seite lieber gewesen wäre als FORDERUNG und DROHUNG, dass ich nun aber den Beitrag vorläufig ausblenden würde. Alles weitere müsse in einem persönlichen Gespräch geklärt werden. Ich würde dazu Input per Email liefern. Pappalardo warb zum Abschluss des Gespräches, mit einigen kurzen Sätzen, für Verständnis: Er habe mich bisher immer geschützt, wenn Politiker bei ihm interveniert hätten, nicht mehr mit mir zusammenzuarbeiten. Er habe gesagt, dass ich eine gute Arbeit für sie leiste usw. usf. "Ah!", dachte ich, "Interessant! Man wollte mich also längst durch wirtschaftlichen Druck mundtot machen." Wir legten auf. "Bisher hatte ich also gute Arbeit geleistet", ging es mir durch den Kopf. "Was hatte sich daran über Nacht geändert?"

Ich schrieb nun ein langes E-Mail darüber, was ich im Falle der Pestizid-Kontamination in Südtirol als Pflicht aller(!) Bürger Südtirols ansehe und welche Ziele ich mit meiner Dokumentation "Das Wunder von Mals" verfolge. Bei einem persönlichen Gespräch sollte geklärt werden, so mein Vorschlag, ob die Zusammenarbeit noch Sinn habe. Man möge mir bei dieser Gelegenheit doch bitte mitteilen (am besten schriftlicht), zu welchen Themen sich Auftragnehmer der SMG nicht äußern dürfen.

Alles weitere kam, wie es kommen musste. Mein Email an die SMG, war den Damen und Herren Landesangestellten bis heute keine Antwort wert. Daher kann ich meine kleine Provokation meinen treuen Facebook Fans nicht länger vorenthalten.

In Wahrheit denke ich darüber nach diese Grafik zum Cover einer Informationsschrift über den Monokultur-Wahnsinn in Südtirol zu machen.


Von Schadenersatzklagen und Menschen, die nicht mehr schweigen

Über dreißig Mal wurde die “Chronik einer Repression: Freiheit à la Südtirol”, so der Titel der Nacherzählung, bis Mittwoch Mittag geteilt. Doch Schiebel erfährt nicht nur Zustimmung, sondern macht – erwartungsgemäß – auch Bekanntschaft mit dem allzu oft allzu leicht erhitzbaren Südtiroler Gemüt. “Bitte sofort Meldung an das Konsortium und Schadensersatzklage, danke”, fordert ein User. Der Filmemacher bleibt augenscheinlich gelassen. Er verteidigt seine Provokation: “Ich bin sicher, dass wir in diesem Zusammenhang auch vor Gericht diskutieren werden. Und das wird dem Kampf gegen Pestizide sehr gute Dienste erweisen.”

Auch Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler wird auf den Plan gerufen.

Doch lässt sich der aufbrausende User nicht beruhigen: “Mit diesem Post haben sie endgültig übertrieben und sich ihr eigenes Grab geschaufelt. Ich schliesse die ersten Wetten ab wie lange sie noch in Südtirol leben......aufnimmerwiedersehen, denn die Schadensersatzklage werden sie nicht bezahlen können.” Prompt die Antwort von Schiebel: “Also was jetzt? Muss ich nun vor der Zeit hinabfahren ins dunkle, feuchte Grab? Oder werde ich lediglich aus dem Land gejagt, wie ein räudiger Hund?

Am Mittwoch Vormittag meldet sich dann auch Marco Pappalardo persönlich zu Wort: “Natürlich Herr Schiebel, darf Satire alles und die Dachmarke ist stark genug, um dieser standzuhalten”, so der Kommentar des SMG-Geschäftsführers. Gleichzeitig stellt er klar: “Das ist das eine. Das andere ist, dass Sie als Dienstleister der SMG Filmprojekte gedreht haben, die zur Begehrlichkeit und Bekanntheit des Lebensraums Südtirol - und somit auch der Dachmarke - einen wesentlichen Beitrag leisten. Wenn dann dieselbe Person, die journalistisch für die Dachmarke arbeitet, diese für eigene poltisch-satirische Zwecke nutzt, darf es nicht verwundern, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit beendet.”

Doch nicht nur hierzulande erfährt der anscheinend unangenehme Zeitgenossen aus der Bundesrepublik Aufmerksamkeit. Der Tiroler Blogger Werner Kräutler hat das Pestizidtirol-Logo für einige Zeit selbst auf seinem Blog stehen. Er zeigt sich mit Schiebel solidarisch: “Es sind nicht die ‘Likes’, die die Welt verändern, es sind die Menschen, die nicht mehr schweigen. Und die– wie du – die Courage haben, Missstände beim Namen zu nennen.”