Schauen nach der Wahrheit
Am Samstag, 21. November plant Terenten als Quasi-Heimatgemeinde eine große Feier mit Laudationen und Filmausschnitten aus „Die Walsche“ und „Das Glück beim Händewaschen“, der Schriftsteller selbst wird aus seinen Werken lesen. Literaturwissenschaftlich geehrt wird Joseph Zoderer ab Montag 23.11. - in Innsbruck organisieren das Brenner-Archiv und die Uni Innsbruck ein dreitägiges Symposion, an dem Zoderers Werk nach Motiven und narrativen Strategien abgesucht und unter die Lupe genommen wird; „es kommt sogar ein Literaturwissenschaftler aus Tokio, der mein Werk aus japanischer Sicht darstellen wird,“ merkt Zoderer an und man sieht, es schmeichelt ihm. Andererseits klingt es auch wahr, wenn er sagt, er sei froh, wenn der Geburtstagsrummel vorüberzieht, so könne er sich wieder dem neuen Buch widmen, das derzeit als Zettelcollage in seiner Schreibstube der ehemaligen Direktorenvilla der Tuchfabrik Moessmer hängt.
Joseph Zoderer wird 80 und die Feiern ziehen sich über eine Woche hin; an seinem Geburtstag, dem 25. November wird ihm in Meran die Ehrenbürgerschaft verliehen, nach einigem Hin und Her zwar, aber doch, und gegen Ende der Woche wird Joseph Zoderer bei Literatur Lana hochgehalten, mit Sabine Gruber und Josef Winkler. Er selber, sagt er, habe seine Freunde und die Schriftstellerkollegen die er schätzt eingeladen, das sei ihm wichtig. Die Feierlichkeiten sind Hommage an eine große Schriftstellerfigur, doch mehr noch möchte Zoderer sie als Tribut an die Kultur und die künstlerische Produktion verstanden wissen. „Besonders in einem Land von Minderheitensprachen ist es wichtig, die Literatur und die Sprache in den Mittelpunkt zu stellen, sie hochzuhalten.“ Dass man auch ihn selbst hochhält, versteht sich von selbst, kein anderer Schriftsteller aus Südtirol kann wie er auf ein Werk blicken, dass von Moskau bis Tokio, von China bis Slowenien übersetzt ist und das 17-bändig als Werkausgabe bei Haymon erscheint. Dessen ist sich Zoderer bewusst und es macht ihn stolz. „Ich hatte ja eine erfolgreiche Journalistenkarriere in Wien begonnen, war bei der Presse, dem Kurier und als Gründungsredakteur bei der Kronenzeitung tätig, aber ich habe mich ganz eindeutig für den literarischen Schreibtisch entschieden.“ Das war notwendig, sagt er. „Ich habe bereits als Zehnjähriger für meine Mutter Gedichte geschrieben, die sie unter dem Kopfkissen aufbewahrt hat.“
Das Schreiben im Journalismus sei natürlich ein Nutzschreiben gewesen und deshalb mit Zoderers Plänen nicht vereinbar. „Ich habe immer wieder gekündigt, bei den Zeitungen in Wien und auch meinen sicheren Redakteursposten bei der RAI 1981.“ Damals bauten er und seine Frau das Bauernhaus in Terenten um, das fortan als Familienwohnsitz und Rückzugsort fungieren sollte. Doch Joseph Zoderer zog auch von dort weiter, seine Schreibstätte hat er in der Moessmer-Villa gefunden, ein Glücksfall, sagt er.
Dort an den Wänden hängen die Textblätter des neuen Romans, der nun doch später als im kommenden Frühjahr erscheinen wird. Zoderer wollte die Geschichte seinem griechischen Ferienort Lesbos widmen, doch die Ereignisse hätten die Erzählung nun eingeholt. Die Flüchtenden aus Syrien, dem Irak und Afghanistan hatten aus der Feriendidylle einen Brennpunkt menschlicher Not gemacht. Joseph Zoderer fuhr ihm Herbst nach Lesbos, um zu schauen und zu begreifen, was dort geschah, mit den Familien, den Kindern, die vom Meer kommend über die Olivenhügel landeinwärts zogen. “Damit ich darüber schreiben kann.“ Das bisher Geschriebene soll aber nicht verworfen sein, es wird eine Rahmenhandlung geben, mit Rückblenden. „All dem kann ich mich nach dem Geburtstagsrummel widmen, dann kann ich mich wieder aufs Schreiben konzentrieren.“
Denn die Wirklichkeit sei es, von der Zoderer schreiben will, immer wieder von der eigenen, und von der da draußen. „Mich interessiert keine Phantasie, ich stelle mich der Realität wie sie ist und dem immer wieder neuen Staunen darüber.“ Das Schreiben sei für ihn nach wie vor das Einzige, ein Privileg, ein Schauen nach der Wahrheit. „Die Wahrheitssuche und das Geheimnis sind meine beiden wichtigsten Prinzipien mit denen ich mein Schreiben forttreibe.“
Alles Gute zum Achtzigsten, Joseph Zoderer!