Gesellschaft | Sanität

Das Titelrennen

Thomas Schael hat seine akademischen Titel in Italien nie anerkennen lassen. Kann er damit aber Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes sein?
Schael, Thomas
Foto: LPA
Thomas Schael war sehr aufgebracht.
Entweder Sie nehmen den Artikel vom Netz, oder ich werde umgehend Anzeige erstatten“, erklärte der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetrieb sehr bestimmt. Der Artikel „Verschollener Titel“ war zu diesem Zeitpunkt genau zwei Stunden online.
„Ich habe alle Titel anerkennen lassen“, erklärte Thomas Schael, „und ich übermittle ihnen auch umgehend alle Dokumente“. Was der Generaldirektor auch umgehend tat.
Vor diesem Hintergrund nahm salto.bz in Absprache mit seinem Rechtsanwalt den Artikel vom Netz.
Nach genauerem Studium der Unterlagen ist klar: Salto.bz hat Thomas Schael im ursprünglichen Artikel in einem wesentlichen Punkt Unrecht getan. Doch ganz so ganz einfach, wie es der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätbetriebes darstellt, ist die Geschichte nicht.
 

Verschollener Titel

 
Vor rund fünf Wochen wurde salto.bz ein Dokument zugespielt. Es handelt sich um ein öffentliches Dokument aus einem Gerichtsakt. Es geht dabei um eine Strafanzeige gegen Thomas Schael.
In dem Gerichtsakt findet sich - wie üblich und vom Gesetz vorgeschrieben - auch eine „Visura anagrafica - Profilo Procura di Bolzano“ zu Thomas Schael. Die Staatsanwaltschaft greift für diese Bescheinigungen standardmäßig auf die meldeamtlichen Daten der Gemeinden und des Staates zurück.
In Schaels meldeamtlicher Bescheinigung, die mit 17. Dezember 2017 datiert ist, steht im Feld „Studientitel“: „Keine Studientitel“.
 
Der erste Gedanke: Das muss ein Fehler sein. Denn sonst könnte Thomas Schael doch nie Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes sein. Deshalb blieb die Geschichte auch liegen. Bis sie am Donnerstag vom Tagblatt der Südtiroler veröffentlicht wurde.
Diese Nachricht ist eine eklatante Verletzung meiner Privacy“, beschwerte sich Thomas Schael in dem Telefongespräch am Donnerstag. Dem ist aber nicht so.
Die Ermittlungen im Fall sind abgeschlossen. Der Staatsanwalt hat die Archivierung der Strafanzeige beantragt. Der Privatkläger hat zwar Berufung dagegen eingelegt, doch mit dem Abschluss der Ermittlungen sind die Akten nicht mehr geheim.
Vor allem aber gehört der Studientitel eines öffentlichen Managers wirklich nicht zu den sensiblen Daten.
 

Schaels Studien

 
Thomas Schael hat an der “Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH)“ in Aachen von 1983 bis 1988 ein Doppelstudium absolviert. Der amtierende Generaldirektor des Sanitätsbetriebes Südtirol hat Maschinenbau studiert und Industriesoziologie mit Wirtschaftswissenschaften als Nebenfach. Der Abschluss: Diplomingenieur. Von 1989 bis 1996 schloss Schael in Aachen dann noch ein weiteres Studium in Wirtschaftsinformatik ab und promovierte. Der Titel, den er seitdem führen darf, ist „Dr. Ing.“
Zwischen 2007 und 2011 machte Schael dann zwei Master an privaten Universitäten in der Lombardei und in Apulien im Fach „Gesundheitsökonomie“ mit dem Schwerpunkt: „Öffentliches Gesundheitswesen und Krankenhausmanagement“.
Die einwandfreie akademische Karriere hat aber einen entscheidenden Fehler. Thomas Schael hat seine deutschen Studientitel bisher nicht in Italien anerkennen lassen. Deshalb hat er auf dem Papier und im öffentlichen Melderegister auch keinen Studientitel.
Das italienische Gesundheitsministerium erstellt periodisch eine gesamtstaatliche Rangliste der Generaldirektoren der Sanitätsbetriebe. Es ist eine Art Verzeichnis der Führungskräfte, die dazu befähigt sind, Sanitätsbetriebe zu leiten.
Am 12. Februar 2018 wurde dieses Register ajourniert. Der Name Thomas Schael fehlt in dem Register aber. „Das hat mit einem materiellen Fehler des Ministeriums bei der Ausarbeitung der Rangordnung zu tun. Es geht um die Anerkennung der deutschen Studientitel“, erklärt der Südtiroler Generaldirektor am Mittwoch gegenüber den Dolomiten.
 

Der Stolperstein

 
Thomas Schael tut gegenüber RAI Südtirol das Ganze als „bürokratischen Fehler“ ab.
Dabei könnte es sich zum Super-GAU der Südtiroler Sanität und Politik entwickeln. Die beiden Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger (5 Sterne) und Andreas Pöder (BürgerUnion) kündigen Anfragen im Landtag an. Beide wollen der Sache auf den Grund gehen. „Neben den Unklarheiten zum Studientitel“, sagt Paul Köllensperger zu salto.bz, „stellt sich die Frage, ob Schael bei seiner Ernennung die erforderlichen Dienstjahre geleistet hatte“.
Beide Politiker wollen jetzt der Frage nachgehen, ob Thomas Schael überhaupt die Voraussetzungen hatte, Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes zu werden. „Ich habe und hatte alle Voraussetzungen, um am Auswahlverfahren teilzunehmen“, sagt Thomas Schael gegenüber RAI Südtirol.
Im Auswahlverfahren des Landes für den Generaldirektor war ein gültiger Studientitel eine der Voraussetzungen für ein Bewerbung. Wörtlich heißt es in den offiziellen Bewerbungsunterlagen vom Jänner 2015: „Die im Ausland erworbenen akademischen Studientitel werden für die Teilnahme am Auswahlverfahren als zweckdienlich erachtet im Sinne von Artikel 38, Absatz 3 des Gesetzesvertretenden Dekrets vom 30.03.2001, Nr. 165.
Der Text dieser staatlichen Bestimmung:
 
„Nei casi in cui non sia intervenuta una disciplina di livello comunitario, all'equiparazione dei titoli di studio e professionali si provvede con decreto del Presidente del Consiglio dei ministri, adottato su proposta dei Ministri competenti. Con eguale procedura si stabilisce l'equivalenza tra i titoli accademici e di servizio rilevanti ai fini dell'ammissione al concorso e della nomina.“
 
Der Autor dieser Zeilen hatte deshalb geschrieben: „Doch dieses Gleichstellungsdekret wurde für die akademischen Titel, die Thomas Schael hat, anscheinend bisher noch nicht erlassen.
Es ist genau der Punkt, der im ursprünglichen Artikel falsch war. Thomas Schael hat am Donnerstag Nachmittag salto.bz das Gleichstellungssdekret übermittelt. Er hat die von diesem Gesetz vorgesehene Prozedur durchlaufen.
Ist Schael damit aber aus dem Schneider?
 

Ein Eigentor?

 
Denn Thomas Schael hat mit der Übermittlung dieser Dokumente eine neue und für ihn ebenso gefährliche Frage aufgeworfen.
Am 13. Jänner 2015 legte die Landesregierung das Auswahlverfahren für die Stelle des Generaldirektors des Südtiroler Gesundheitsbetriebes fest. Im Ausschreibungstext heißt es: „Es muss die Voraussetzung zum Zeitpunkt des Termins für die Einreichung des Gesuches für die Zulassung zum Auswahlverfahren bestehen, mit Ausnahme des Zweisprachigkeitsnachweises“.
Der letzte Termin für die Einreichung der Gesuche war der 17. Februar 2015. Thomas Schael hat die Anfrage an das Ministerratspräsidium am 5. Februar 2015 eingereicht. Die Antwort und die nötige Bescheinigung kamen aber erst am 27. Mai 2015. Formal hatte Schael damit erst über zwei Monate nach dem Einreichetermin alle Voraussetzungen zur Teilnahme am Wettbewerb.
Es wird jetzt zu klären sein, ob dies rechtens war. Denn es gibt durchaus Wettbewerbe, wo innerhalb einer Frist Dokumente nachgereicht werden können.
 

Der fehlende Titel

 
Der von Thomas Schael jetzt übermittelte Schriftverkehr beantwortet aber auch weitere Fragen.
Denn im Schreiben der Amtsdirektorin der Abteilung öffentlicher Dienst im Ministerratspräsidium an Thomas Schael steht ausdrücklich, dass diese Gleichstellung des Studientitels ausschließlich für das Auswahlverfahren zur Ernennung des Generaldirektors des Südtiroler Sanitätsbetriebes gilt.
 
Das heißt: Thomas Schael muss seinen deutschen Studientitel in Italien anerkennen lassen. Mit diesem Gleichstellungsdekret dürfte das eigentlich kein größeres Problem sein. Bisher hat Thomas Schael das aber nicht getan. „Ich habe keinen vollwertigen italienischen Studientitel, denn ich habe ihn nie anerkennen lassen“, erklärt der Generaldirektor den Dolomiten.
Das ist auch der Grund, warum in der meldeamtlichen Übersicht der Staatsanwaltschaft „kein Studientitel“ steht. Und warum Thomas Schael nicht in der Rangliste des italienischen Gesundheitsministeriums aufscheint. Er hat bei der Bewertung dort für seinen Studientitel 0 Punkte bekommen.
Eine Frage wird so schnell aber nicht geklärt werden: War und ist die Ernennung Thomas Schaels zum Generaldirektor der Südtiroler Sanität vor diesem Hintergrund rechtens?