Enzo Bertamini: "Die Krankenhauszentrierte Politik ist politisch nicht mehr finanzierbar"
Vor 11 Jahren wollten sie ein Zeichen setzen. Mehr Qualität in der ärztlichen Arbeit, mehr Zeit für die Patienten, ein Plus an Lebensqualität für sich selbst.
Enzo Bertamini ist Allgemeinmedizinier, gemeinsam mit fünf Ärzten gründete er 2003 in Leifers das "Medi Life". Die Anerkennung, die Bravo-Rufe der damaligen PolitikerInnen Otto Saurer, Richard Theiner und Martha Stocker hat Bertamini noch im Ohr: "Macht weiter so", hatte es geheißen. Doch es braucht mehr, sagt der Arzt, "wenn die Politik glaubt, dass unsere Arbeit die Zukunft ist, dann brauchen wir Unterstützung."
"Wenn die Politik glaubt, dass unsere Arbeit die Zukunft ist, dann brauchen wir Unterstützung."
Die Vermietung von Räumlichkeiten an andere Privatärzte sei längst zur Normalität geworden. Ernährungsberater, Dermatologen, Psychotherapeuten kompletieren die Praxis in Leifers. Für die Patienten ein Mehrwert, für Bertamini und das Ärzteteam unabdingbar um zu überleben.
Krankenhaus über alles
Warum sich Gemeinschaftspraxen in Südtirol bislang nicht etabliert haben ("Es gibt vielleicht eine Handvoll davon"), kann der Allgemeinmediziner erklären. In der Tageszeitung Alto Adige sagt Bertamini: "Die Sanitätspolitik hat immer auf das Krankenhaus gesetzt, neue Modelle wurden außen vorgelassen." Vielmehr galt es WählerInnen zu pflegen, ihnen nicht zu sehr ein Bein zu stellen, den Krankenschwestern, -pflegern, den KrankenhausärztInnen, dem weitverzweigten Netz an Krankenhausbeamten. Zufriedene WählerInnen, zufriedene PolitikerInnen.
Auf zu neuen Modellen
Doch die Rechnung geht nicht mehr auf, ist Bertamini überzeugt. "Il modello ospedalocentrico si è dimostrato fallimentare in quanto non economicamente sostenibile." Und der Arzt aus Leifers ruft auf: zu einem Umdenken in der Sanitätspolitik, zu einem Umdenken auch in der Vertragspolitik. Denn, dass Ärzte durch ihren Arbeitsvertrag "quantitativ" entlohnt werden, "wenn du mehr Patienten hast, verdienst du mehr" und der qualitative Aspekt übersehen wird, auch das soll sich ändern. Wünscht Bertamini.
Wie schaut es aus mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Fall von niedergelassenen ÄrztInnen? Deutschland denkt darüber nach, und Südtirol?
Qualität für die Patienten
Qualität hat ihren Preis. Und dies soll endlich gesehen werden. "Die Menschen werden immer älter, chronische Krankheiten nehmen zu", sagt Bertamini, der das Projekt der Provinz Bozen "Diabetes in Südtirol" betreut. Er weiß: "Eine Gemeinschaftspraxis, die gut organisiert, logistisch-digital vernetzt ist und kurze Wartezeiten hat, kann genau hier ansetzen."
Martha Stockers Südtirol-Rundgang sollte vor Leifers nicht Halt machen. Kreativ und offen sein: Sind das die Schlagworte der Stunde? Und über den Tellerrand blicken - denn es gibt in Südtirol mehr als sieben Bezirkskrankenhäuser.