Gesellschaft | analog

Mitspielen ist alles

Südtirols einziger Spieleverein gibt die Lust und Freude am Spielen gerne weiter. Warum auch Erwachsene mehr spielen (sollten) – und wie groß das Suchtpotenzial ist.
Brettspiele
Foto: Spieleverein dinx

Von außen wirkt das Lokal in der Peter-Mayr-Straße Nr. 2 unscheinbar. Mit der Glastür aber öffnet sich eine wundersame Welt voller Schätze, die nicht nur Kinderaugen zum Leuchten bringt. Dort, in einer kleinen Seitengasse unweit des Bozner Siegesplatzes, hat “dinx” seinen Sitz – Südtirols einziger Spieleverein. Bis an die Decke stapeln sich tausende Brett-, Karten- und sonstige Spiele, die mit großer Sorgfalt und Leidenschaft gehütet – und genauso gerne geteilt werden. Mit der Pandemie und den Lockdowns haben analoge Spiele ein großes Comeback gefeiert. Jetzt, wo es wieder möglich ist, steht auch der Spieleverein bereit, um Menschen zusammen zu bringen, um abseits von Smartphone, Fernseher, Computer und Spielkonsole gemeinsame Zeit zu verbringen. “Eine spielerische Sicht auf die Dinge hilft im Alltag”, ist Arno Kerschbaumer überzeugt. Er ist eines der neun Vorstandsmitglieder von “dinx”.

 

Wer spielt mit?

 

Angefangen hat alles vor mehr als zwanzig Jahren. Bei der alljährlichen Spielemesse im Kassianeum in Brixen lernte sich eine Gruppe von Spielern kennen – und beschloss, “die Freude am Spiel, die uns eint, nicht nur ein Mal im Jahr auszuleben”, erinnert sich Arno Kerschbaumer. So gründete man 2003 “dinx”, den ersten und bis heute einzigen Spieleverein in Südtirol. Seit Beginn steht Sabine Tomasini dem Verein als Präsidentin vor. Inzwischen beschäftigt man mit Norbert Leitner einen hauptamtlichen Mitarbeiter. Das Ziel ist über die Jahre dasselbe geblieben: Das Spiel – allen voran das Brett- und Kartenspiel – einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Fokus liegt dabei auf den Familien. “Für Familien ist Spielen eine gute Gelegenheit, etwas zusammen zu machen”, sagt Kerschbaumer. “Spielen und die Zeit gemeinsam zu verbringen macht Familien stark.” Dabei sei es egal, ob auf Spieleklassiker wie “Mensch ärgere dich nicht” oder neue Brett- und Kartenspiele zurückgegriffen wird.

 

Im deutschsprachigen Raum sind Spiele äußerst beliebt. Jahr für Jahr kommen zahlreiche neue Spiele auf den Markt – entsprechend schwer fällt die Auswahl. “Der Spieleverein kauft jedes Jahr einige hundert Spiele. Unsere Ehrenamtlichen besuchen Online-Portale und Spielemessen, um interessante Neuheiten zu finden”, berichtet Kerschbaumer. Über 5.000 Spiele haben sich so im Laufe der Jahre angesammelt. Die können im Vereinslokal selbst oder ausgeliehen und daheim gespielt werden. Außerdem veranstaltet “dinx” südtirolweit Spieleabende, organisiert SpielewochenendenTurniere und tourt mit dem Spielemobil als mobile Verleihstelle durch das Land.

Bei der Auswahl der Spiele entscheidet der Verein nach bestimmten pädagogischen, sozialen und ökologischen Kriterien. Gesucht werden insbesondere Spiele, die leicht erlernbar sind. “Wir empfehlen Spiele, die mehrfach spielbar sind, die keine fixen Strukturen haben”, sagt Kerschbaumer. Bezeichnend dafür stehe “Die Burgen von Burgund”, ein Strategiespiel, das die Spieler ins Mittelalter versetzt. Spiele mit Gewaltverherrlichung und Kriegsszenen stehen hingegen auf der schwarzen Liste von “dinx”. “Auch Brettspiele mit eingebauter Elektronik verlieren schnell an Reiz und stehen deshalb nicht auf unserer Empfehlungsliste”, erklärt Kerschbaumer.

 

Kein Kinderspiel

 

Wer meint, Spiele seien allein etwas für Kinder, der irrt gewaltig. “Im Spiel können Menschen jeden Alters vieles lernen und zum Beispiel Seiten voneinander kennenlernen, die man sonst nur in ‘ernsten’ Momenten erlebt. Sich auszuprobieren tut der Seele in jedem Alter gut”, betont Kerschbaumer. Und nicht immer geht es nur um das Gewinnen. “Klar, das unmittelbare Ziel ist, zu gewinnen. Aber in Wirklichkeit geht es um Unterhaltung und Spaß, die Mitspieler sind ein zentraler Teil des Spielerlebnisses.” Nicht umsonst spricht man auch von “Gesellschafts”-Spielen: “Spielen bringt Menschen zusammen.” 
Trotzdem liegen laut Kerschbaumer derzeit “interessanterweise Spiele im Trend, die auch alleine spielbar sind”. Davon abgesehen seien während der letzten Zeit besonders viele Spieleklassiker verkauft worden. “Für neue Spiele fehlte vielfach die Möglichkeit des Austauschs.”


Auf die Frage, ob Kinder und Erwachsene unterschiedlich spielen, antwortet Kerschbaumer mit einem Ja und Nein: “Kinder spielen spontaner, Erwachsene müssen erst ans Spiel herangeführt werden. Sind Menschen richtig im Spiel angekommen, gibt es kaum Unterschiede.” Und dann verrät der passionierte Spieler noch die Vorlieben der Vereinsmitglieder – die ganz unterschiedlich sind: “Einige von uns bevorzugen Klassiker wie ‘Carcassonne’, ‘Siedler von Catan’, ‘Wizard’ oder ‘Zug um Zug’, andere lieben Partyspiele wie ‘Codenames’, ‘Pictures’, ‘Just One’, andere tauchen gerne in einmalige Spielerlebnisse ein wie ‘Exit’, ‘MicroMacro Crime City’, andere mögen richtige Strategiespiele, deren Regeln sehr komplex sein können wie ‘Mage Knight – Das Brettspiel’. Solche Spiele dauern dann länger und bieten ein anhaltendes Spielerlebnis. Auch sehr beliebt sind sogenannte Legacy-Spiele, die sich permanent ändern, während man sie spielt. Kein Spiel gleicht dem anderen und bietet immer wieder neue Überraschungen. Empfohlen sei hier ‘Pandemie Legacy: Season 1’ – ein Spiel, das auch mal vier Stunden dauert.” 

 

Was auf dem Spiel steht

 

Wer mit den “dinx”-Mitgliedern spricht, merkt: Von Brettspielen geht eindeutig ein Suchtpotenzial aus. Allerdings ein harmloses und kein bedenkliches, wie Giuditta Sereni bestätigt. Sie kümmert sich im Forum Prävention um den Bereich Spielsucht. Anders als beim Glücksspiel steht bei Brettspielen, die mit Freunden und Familie gespielt werden “keine Preise oder Geldbeträge auf dem Spiel”, führt die Expertin an. Insofern handle es sich bei “Mensch ärgere dich nicht”, “Risiko”, “Cluedo” & Co. “nicht um Spiele, die Ähnlichkeiten mit Glücksspielen aufweisen und sicherlich nicht zur Sucht führen können”, so Sereni. Genauso wenn Kartenspiele “in einer Bar oder zu Hause mit Freunden gespielt werden, um sich die Zeit zu vertreiben, ohne Geld zu investieren oder Preise oder Geld zu gewinnen, ist dies Teil eines Vergnügens unter Freunden”.

 

Gelegenheiten, sich dem völlig unbedenklichen, sondern – im Gegenteil – bereichernden Spielvergnügen hinzugeben, bietet der Spielverein “dinx” zuhauf. Das Spielezentrum am Vereinssitz in Bozen ist jeden Mittwoch und Freitag ab 19.30 Uhr für gesellige Spieleabende geöffnet. “Jeder, der mitspielen möchte, ist willkommen, es ist keine Voranmeldung nötig”, heißt es vom Verein. Die Öffnungszeiten und Termine für außerordentliche Spieltreffs können online eingesehen werden. Die nächste Veranstaltung steht kurz bevor: Am Freitag, 29. April, findet in Bozen das “dinx” Master-Turnier “Hase und Igel” und “Carpe Diem” statt.