Wirtschaft | Landwirtschaft

Ein Kampf Gut gegen Böse?

Wie wird in den Medien über den Südtiroler Obstbau berichtet? Faktenbasiert? Voller Vorurteile? Zwei Experten klären auf.
Andreas Gschleier Harald Weis
Foto: SALTO
  • Im Fokus einer Fortbildungsveranstaltung stand gestern (21. November) der Apfel. Nach drei Fachvorträgen, in denen auf die Südtiroler Obstbauwirtschaft, die Sortenvielfalt wie auch Pflanzenschutz und Sicherheit eingegangen wurde, kamen auch zwei Experten zu Wort, die selbst in der Obstbauwirtschaft tätig sind: einerseits Andreas Gschleier, Präsident der Obstbaugenossenschaft Biosüdtirol, die sich dem Anbau von biologischen Äpfeln verschrieben hat. Rund 320 Bauern sind Mitglied der Biosüdtirol und bewirtschaften durchschnittlich 3,4 Hektar Apfelwiesen. Als zweiter Referent sprach Harald Weis, Obmann der Plattform Agrios, die 1988 gegründet wurde und im integrierten Obstbau-Sektor tätig ist. Die Experten gingen in ihren Ausführungen der Frage nach, ob es einen Widerspruch zwischen dem biologischen und integrierten Anbau gibt oder ob sich Synergien ergeben. 

  • Andreas Gschleier, Obmann der Genossenschaft Biosüdtirol: „Mich persönlich stört diese dualistische Sicht – Gut gegen Böse sprich Bio gegen integrierter Anbau – und ich möchte ihn auch nicht so leben.“ Foto: SALTO

    Wie Gschleier erklärte, wurde sein elterlicher Betrieb bereits 1987 auf die biologische Wirtschaftsweise umgestellt. In dieser Tradition habe er den Betrieb fortführen wollen, und zwar auf pragmatische Art und Weise bzw. mit einer gewissen Weitsicht. „Mich persönlich stört diese dualistische Sicht – Gut gegen Böse sprich Bio gegen integrierter Anbau – und ich möchte ihn auch nicht so leben“, betonte der Bio-Bauer. Auch Weis hat den Betrieb, den er im Nebenerwerb führt, von seinen Eltern übernommen und ihn in seiner Tradition fortgeführt. „Ich verfolge nun die Entwicklung seit über 30 Jahren. In vielen Punkten haben sich der biologische und integrierte Anbau bereits angenähert, und beide Anbauweisen haben ihre Berechtigung“, so Weis. Doch wo liegen die Unterschiede? „Ich muss Sie enttäuschen“, erklärte Gschleier, „aber ich kann keinen plakativen Unterschied zwischen bio und integriert festmachen.“ Betrachte man die gesamte Wertschöpfungskette, die ein Apfel sowohl der biologischen wie auch der integrierten Anbauweise durchlaufen müsse, so seien die Unterschiede am Ende sehr klein. Wesentliche Unterschiede gebe es nur beim Einsatz einiger Pestizide, „um es klarzustellen: Auch wir setzen Pestizide ein“, so der Obmann der Biosüdtirol-Genossenschaft. Nur verwende man naturnahe bzw. naturidente Stoffe. Es gebe zudem klare Regeln für den Einsatz dieser Mittel. Für die Bio-Marke sei eine klare Trennung und Regelung festgeschrieben, zwischen dem, was man machen dürfe und was nicht. „Das ist auch für den Konsumenten leicht nachzuvollziehen“, erklärte Gschleier, denn weltweit würden mittlerweile beinahe dieselben Standards angewandt, was schlussendlich auch zum Erfolg der Bio-Marke geführt habe. 

  • „Ich muss Sie enttäuschen, aber ich kann keinen plakativen Unterschied zwischen bio und integriert festmachen.“ 

  • „Insofern hat diese Sparte auch ihre Daseinsberechtigung – wenn der Konsument den Preis dafür bezahlt“, so Gschleier. Ein Kampf zwischen Gut und Böse, ein Vorwurf, der den Bauern von den Medien an den Kopf geworfen werde, lasse sich jedoch nicht hinein interpretieren, „das funktioniert auch für uns Bauern nicht - das hemmt sogar uns Bio-Bauern“. „Kein Bauer will Pflanzenschutz betreiben: Es kostet Zeit und es kostet Geld“, erklärte Weis auf die Frage nach den konkreten Herausforderungen, die zukünftig auf beide Systeme zukommen werden. Es wäre für alle besser, müsste man keinen Pflanzenschutz betrieben. Eine mögliche Lösung auf dem Weg dahin, könnte in der Züchtung neuer und robuster Sorten liegen. Sollte diesem Weg kein Erfolg beschert sein, steht jedoch die Frage im Raum, ob zukünftig noch ein Anbau möglich sein wird, wenn zunehmend mehr Pflanzenschutzmittel auf der Verbotsliste stehen. „Werden wir also bestimmte Obst-Sorten importieren müssen, weil der Anbau in Europa nicht mehr möglich sein wird?“, so Weis, der dafür plädierte, in dieser Frage eine ehrliche Diskussion zu führen, denn zurzeit sei es leider so, dass zwar zunehmend Mittel verboten werden, aber keine neuen Zulassungen genehmigt werden. Das stelle nicht nur  für die Bauern ein Problem dar, sondern mittlerweile auch für die Gesellschaft, „denn wo sollen die Nahrungsmittel morgen herkommen?“, fragte Weis. 

  • „Kein Bauer will Pflanzenschutz betreiben: Es kostet Zeit und es kostet Geld.“

  • Gschleier schloss sich den Ausführungen des Obmannes der Agrios an und warf eine weiteres Argument in die Runde: „Würden in der Human-Medizin soviele Mittel verboten wie im Sektor des Pflanzenschutzes, gäbe es einen gesellschaftlichen Aufschrei.“ Die Verbote betreffen dabei nicht nur den integrierten Anbau, sondern auch den biologischen. „Die Landwirtschaft ist ein Stiefkind in diesem öffentlichen Diskurs“, so Gschleier. Dabei würden die wirtschaftlichen Folgen zuwenig bedacht. Während Südtirol noch auf günstige klimatische Bedingungen setzen könnte, würde das Verbot für andere, weniger begünstigte Anbaugebiete wahrscheinlich das Aus bedeuten. So könnte der gesellschaftliche Druck, der derzeit auf die Landwirtschaft ausgeübt wird, morgen wieder auf die Gesellschaft zurückfallen.

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Salto User
nobody Mi., 22.11.2023 - 19:55

Diese Diskussion muss rational und nicht emotional geführt werden. Das schaut schon mal nach einem vernünftigen Dialog aus. Zudem bedarf es immer auch der Ganzheitlichkeit, alle Involvierten sind gefordert: Produzent, Handel, Konsument.

Mi., 22.11.2023 - 19:55 Permalink