Die große Welt in der kleinen Welt
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Völlig unpolitisch waren Von Seiten der Gemeinde ja nie. Auch ihr gleichnamiges Debüt-Album von 2014 war ein (kultur-)politischer Akt. Es war ein offenes Bekenntnis zur Provinz, vielleicht gar eine Liebeserklärung? … Hört man sich beispielsweise den Track „104 Jåhr voll“ an, dann ist es definitiv eine Liebeserklärung. Aber VSDG sind keine ironiebefreiten Schlagerjungs. VSDG waren stets auch ironisch und sie sind aktuelle Zeitgenossen. Ihr viertes Album, „Burn Down Pavillon“, ist am 07. November 2025 eschienen und führt das Konzept der Band.
VSDG haben immer schon auf mehreren Ebenen funktioniert; da gehört die satirisch-ironische Seite ebenso dazu, wie die Kulturkritik und die Auseinandersetzung mit der politischen Realität. Die Samples aus den (lokalen) Medien gehören zwar nach wie vor zur DNA von VSDG, aber MC Yo!Zepp hat im Laufe der Jahre immer mehr das Mikro und damit die Botschaften der Songs in den Vordergrund gerückt.
Und diese Botschaften werfen einen breiten, kritischen Blick auf das Land, oder besser auf (Mittel-)Europa. „Wia an Normaler“ ist ein lakonischer und sehr bitterer Kommentar zum Wohlstandsgefälle in einer eigentlich reichen, weil unbeweglichen Gegend. „Dahuam“ rechnet mit Korruption und der Scheinheiligkeit in Politik und Wirtschaft ab.
Mit dem neuen Album „Burn Down Pavillon“ verlassen sie diesbezüglich die Provinz und stellen sich praktisch der Welt, konkret dem allgemeinen Rechtsruck in der politischen Öffentlichkeit und deren Wirkkraft im Alltag. Die Songs? „Vegl“, oder „Dahuam“, oder „In Zeiten wie diesen“.
Diese Texte kommen aber bei all ihrer Deutlichkeit ohne Zeigefinder aus, was kein Selbstläufer ist und zeigt von der Könnerschaft von Yo!Zapp im Umgang mit den Worten.
Die beiden Producer ihrerseits – ChrisFader und Testa – liefern ein Klangbild, das überraschend nach Band klingt. Immer wieder kommen Schlagzeug/Bass-Loops zum Einsatz, die Gitarre spielt eine Rolle und die Atmosphäre von Soul/Funk-Songs taucht immer wieder auf im Laufe des Albums. Und die beiden Zeigen wie viel Fingerspitzengefühl sie im Umgang mit den Sprach-Samples haben, die sie sich aus der lokalen Medienlandschaft holen. In „Wenn die Leit wellen“ führen sie vor, wie groovig, rhythmisch der Nordtiroler Dialekt ist und wie viel Sprachmelodie dieser besitzt.
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Zu den besten Songs des Albums zählt mit Sicherheit auch der 40-Sekunden-Track „Respekt“, der schon allein wegen seiner Botschaft und des spürbaren Zorns in der Stimme auf dem Album glänzt. Wer genauer hinhört, wird hier ein Beispiel für die Könnerschaft von einem der beiden Producer (oder vielleicht gar beider) vorfinden. In „Respekt“ verweben sich der Sprachfluss des Samples wunderbar mit dem schleppenden Groove des Songs. Sehr cool!
Überhaupt sind VSDG über die Jahre geschmeidiger geworden. „Burn Down Pavillon“ groovt konstant, ist sehr gut produziert, ist abwechslungsreich und das Pendel schwingt beständig von bitter ernst zu witzig hin und her. Während „Zindla“ zum Beispiel auf einem schweren, bedrohlichen Track, von einem (metaphorischen) Pyromanen erzählt, der alles niederbrennen will, ist „All You Can Eat“ ein entspannter „Instrumental“-Track, d.h. es gibt – stimmlich – nur Samples aus regionalen TV- oder Radio-Medien, meisterhaft zusammengeschnitten und auf den Beat gegossen.
Für die Musiker ist das aktuelle Album immer das beste. Stimmt nicht immer und nicht unbedingt, sagen Fans und Kritiker. In diesem konkreten Falle stimmt es aber definitiv. Mit „Burn Down Pavillon“ sind sich Von Seiten der Gemeinde treu geblieben, sie sind das geblieben, was sie immer schon waren, nur, sie sind noch besser geworden in dem, was sie machen.
Fazit: „Burn Down Pavillon“ ist vielschichtig, gegenwartsrelevant, lokal verankert, universal gültig, unterhaltsam, witzig, ironisch, liebevoll, kritisch und ernst... gleichzeitig.
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Links
Homepage: https://www.vonseitendergemeinde.at
VSDG Instagram: https://www.instagram.com/vonseitendergemeinde
YouTube-Channel von Duzz Down San: https://www.youtube.com/user/duzzdownsan -
Von Seiten der Gemeinde: „Vegl“ (Official Music Video)(c) Von Seiten der Gemeinde
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