Stauders Sinnfrage
„Das Schicksal der Opposition ist, dass man sich oft sehr allein fühlt“, sagt Hanspeter Stauder. „Denn die große Mehrheit schweigt einfach“. Nach 20 Jahren im Sextner Gemeinderat und 25 Jahren Gemeindepolitik hat der Frontmann der Sextner Bürgerliste nun genug vom Alleinsein. „Jetzt sollen einmal Jüngere ran“, meint Stauder. In anderen Worten: Stauder und seine beiden Bürgerliste-Mitstreiter Regina Senfter und Georg Fuchs werfen das Handtuch – und treten nicht mehr beim Wahlgang im Mai an. Ein Entschluss, der an das Beispiel Eppan Aktiv erinnert, die Überetscher Bürgerliste, die ebenfalls nach 25 Jahren nach politischen Erben sucht. Und ein weiteres Zeugnis von der allgemeinen Politikmüdigkeit vor den Gemeinderatswahlen 2015.
Weit mehr als Müdigkeit klingt bei Hanspeter Stauder jedoch Enttäuschung und Resignation durch. „Eine Volksbefragung haben wir zwar gewonnen“, unterstreicht er. Doch viel von dem, was in den Jahren danach passierte, blieb trotz immensen Einsatzes wirkungslos. Und: „Jeder, der sich hier traut gegen die Interessen der Wirtschaft und des Tourismus etwas zu sagen, muss am eigenen Leib die Konsequenzen erfahren“, sagt Stauder.
„Die geballte Macht von Mehrheit und Investoren hat einen Druck aufgebaut, der an die unseligen Zeiten vor 30 oder 40 Jahre gemahnt, als „Opposition“ in vielen Dörfern Südtirols noch als Unwort schlechthin verpönt war“, beschreiben die drei Grünen Landtagsabgeordneten Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo dello Sbarba die Sextner Stimmung in einer Abschieds-Hommage an die Bürgerliste. „Den Vertretern der Bürgerliste Sexten gilt alle Anerkennung für ihren Einsatz im Dienst von Natur und Umwelt“, finden sie. „Für ihren Kampf gebührt ihnen längst eine noch nicht verliehene, unsichtbare Auszeichnung: Der Verdienstorden für eine demokratische, lebenswerte Heimat.“
„Es gibt schon Leute, die als unser Nachfolger in Frage kommen würden. Doch die sagen alle, dafür ist ihnen die Zeit zu schade, da die Arbeit im Gemeinderat sowieso keinen Sinn habe.“
Töne, auf die Hanspeter Stauder in seiner Heimatgemeinde wohl noch lange warten muss. Stattdessen wurde er erst kürzlich beim Faschingsumzug im Ort wieder für seinen Einsatz für die Umwelt durch den Kakao gezogen. Das sind allerdings Peanuts gegen die massiven Bedrohungen, denen Stauder am Höhepunkt des Sextner Skipistenstreits im Sommer 2013 ausgesetzt war. „Damals wurde mir vom ganzen Dorf der Schwarze Peter zugeschoben“, sagt Stauder, „als ob niemand verstehen wollte, dass es landesweite Organisationen und Gerichte waren, die gegen das Projekt vorgingen.“ Doch auch nun, nach der Eröffnung der umstrittenen Skischaukel, würden die Anfeindungen nicht aufhören. „Grüßen ist sowieso kein Thema“, meint Stauder, „doch schon die Blicke vieler Leute hier sagen alles.“
Wer aber wird in die Fußstapfen der Bürgerliste treten, die derzeit die einzige Opposition im Sextner Gemeinderat stellt? Darauf hat zumindest Stauder keine Antwort. „Es gibt schon Leute, die in Frage kommen würden“, sagt er. „Doch die sagen alle, dafür ist ihnen die Zeit zu schade, da die Arbeit im Gemeinderat sowieso keinen Sinn habe.“ Einwände, denen der langjährige Oppositionspolitiker wenig entgegenzusetzen hat. „Wie man hier von der Mehrheit behandelt wird, ist teilweise schlimm“, meint er. Sachliche Diskussionen seien unmöglich, „wenn man überhaupt berücksichtigt wird, wird der Bürgermeister laut.“ Vor allem aber würden die tatsächlichen Entscheidungen nicht im Gemeinderat getroffen. „Die treffen die großen Zampanos - allen voran Ortsfremde wie der Präsident der Sextner Dolomiten AG“, spielt Stauder auf Franz Senfter an. Geschichten erzählen könnte er dazu ohne Ende, meint er. Doch, wie er in zwei Jahrzehnten politischer Arbeit erfahren hat: Ändern würden sie doch nichts.