Politik | Doppelpass

Wiener Melange

Machtwort hin oder her. Das umstrittene Treffen zum Doppelpass fand am Freitag statt. Mit einem Mix aus Begeisterung, Widerstand und diplomatischer Unverbindlichkeit.
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Foto: upi

Alfanos Machtwort zum Trotz stand am Freitag in Wien die Doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler im Mittelpunkt eines Wiener Treffens zwischen österreichischen PolitikerInnen und Südtiroler Landtagsabgeordneten. Als „Abtasten der wechselseitigen Bedürfnisse“ bezeichnete der Grüne Landtagsabgeordnete Hans Heiss die umstrittene Zusammenkunft zwischen der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl und einer Entourage aus Beamten und Parlamentariern mit der Südtiroler Delegation. Innenminister Herbert Kickl war überraschenderweise nicht erschienen. Dafür beschränkte sich auf Südtiroler Seite Alessandro Urzì doch nicht darauf, seinen Wien-Besuch einzig für eine Pressekonferenz gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft zu nutzen, sondern machte der Ministerin ebenfalls die Aufwartung.

 

„Es ging heute ums Zuhören, es ging um den Gedankenaustausch“, wurde die Außenministerin Kneissl nach dem Treffen von österreichischen Medien zitiert. Es seien so viele unterschiedliche Positionen da, deshalb sollte die Gesprächsebene möglichst offen verlaufen, damit jeder seine Positionen einbringen könne. Auf Seiten der Südtiroler Delegation waren die Standpunkte klar abgesteckt. Moderat-diplomatisch und mit Fokus auf eine europäische Ausrichtung des Vorhabens traten die SVP-Vertreter Philipp Achammer und Thomas Widmann auf, die vor dem Treffen mit Kneissl bereits bei EU- und Kulturminister Gernot Blümel antichambriert hatten.  Enthusiastisch-fordernder die Vertreter von Südtiroler Freiheit, Freiheitliche und BürgerUnion  Sven Knoll, Ulli Mair und Andreas Pöder, während der Grüne Hans Heiss sowie Alessandro Urzì von Alto Adige nel Cuore die zwei Dissidenten in der Runde darstellten.

Bühne für Urzí 

Das größte Forum erhielt dabei am Freitag zumindest laut Medienberichten Alessandro Urzì, dessen vormittägliche Pressekonferenz auch in bekannten österreichischen Medien wie News breite Berücksichtigung fand. Neben der Empörung des Südtiroler Landtagsabgeordneten über die Verweigerung, ihm als einzigen italienischen Vertreter beim Zusammentreffen mit Außenministerin Kneissl eine Simultanübesetzung zu verweigern, wurden auch seine Positionen zur Doppelten Staatsbürgerschaft ausführlich wiedergegeben. Diese sei „ein Schritt gegen Italien, aber auch gegen Südtirol - ein autonomiefeindlicher Schritt.“, wurde Urzi zitiert.  "Alle Parteien, seien sie links, rechts oder Mitte - im Landtag, aber auch auf nationaler Ebene - haben sich gegen diese Initiative geäußert.“ Der Landtagsabgeordnete erinnerte die österreichischen Medienvertreter an die Position der Regierung in Rom und an deren Ablehnung der Einladung zum Wiener Treffen.

„Das würde einen zweideutigen ethnischen Identitätsanspruch schaffen und Österreich wieder an die trübe Zeit des Nationalismus annähern."

Vor allem aber bezeichnete er eine doppelte Staatsbürgerschaft als „Verräter der Autonomie“.  Einer weltweit sehr geschätzten Autonomie, die Urzì als endgültige und unumkehrbare  Lösung der Südtirol-Frage bezeichnete.  Nachdem die Autonomie und die Minderheiten in einem optimalen Zustand seien, sei das Angebot einer doppelten Staatsbürgerschaft absolut nutzlos. „Das würde einen zweideutigen ethnischen Identitätsanspruch schaffen und Österreich wieder an die trübe Zeit des Nationalismus annähern", warnte Alessandro Urzì in Wien.

Gänzlich anders fiel wenig überraschend die Zusammenfassung des Tages in Wien durch Sven Knoll aus.  „Deutlich wurde beim Treffen zum Ausdruck gebracht, dass die große Mehrheit der Südtiroler – über alle Parteigrenzen hinweg – die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft wünscht“, schrieb der Landtagsabgeordnete der Südtiroler Freiheit nach dem Treffen. Angesichts dieser deutlichen Botschaft habe sich „eine äußerst positive Stimmung und großes Verständnis für das Anliegen entwickelt“. „Nun geht es an die Umsetzung“, frohlockte Knoll.

Die allerdings wenn überhaupt als langfristige Perspektive zu verstehen ist, interpretierte Hans Heiss die Reaktionen der österreichischen Teilnehmer an der rund 30-köpfigen Arbeitsgruppe. „Massiv interessiert“ am Doppelpass habe sich nur der Freiheitliche Werner Neubauer gezeigt, erzählt der Grüne Landtagsabgeordnete nach dem Treffen. Eher freudlos und lau mitgetragen worden sei die Causa von Koalitionspartner ÖVP in Person von Nationalratsabgeordneten Hermann Gahr, so Heiss. Auch von SPÖ, Liste Pilz und Neos sei eher Kritik oder Mahnung zur Vorsicht gekommen.

Eindeutig ist laut Heiss die Antwort der österreichischen Außenministerin auf einen Fahrplan für den Doppelpass ausgefallen. Den gäbe es nicht, habe Kneissl klargemacht und unterstrichen, dass in der Sache überhaupt keine Eile bestehe. „Es ist nicht wie beim Brexit“, habe die Ministerin immer wieder unterstrichen, erzählt der Grüne Landtagsabgeordente.

Drei Adressaten für Doppelte Staatsbürgerschaft

Eine Äußerung, die auch durch die von österreichischen Medien wiedergegeben Aussagen Kneissl einen Bezug bekommt. Demnach erinnerte die Außenministerin am Freitag daran, dass es in Bezug auf die doppelte Staatsbürgerschaft drei Adressatenkreise gebe: Südtiroler, etwas 25.000 österreichische Staatsbürger, die künftig womöglich vom Brexit betroffen werden und Nachkommen von Holocaust-Überlebenden. Aller fehlenden Eile zum Trotz demonstrierte die Außenministerin in jedem Fall guten Willen – inklusive weißer Fahne gegenüber den brüskierten Italienern. Sie stehe mit dem scheidenen Außenminister Angelino Alfano in einem amikalen Verhältnis, unterstrich Kneissl. Und: „Wir stehen als Gesprächspartner für Rom und Bozen zur Verfügung", wird sie zitiert. Und: „Natürlich werden auch die italienische Botschaft und die italienischen Behörden zu weiteren Gesprächen sehr willkommen sein."