Mit Pflanzen sprechen
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Es ist warm in der Bozner Industriezone an diesem Tag, der Frühling hat die kalte Jahreszeit endgültig vertrieben. Unter den Palmen des Innenhofs im dritten Stock des NOI Techparks erzählt CEO und Co-Founder Matteo Beccatelli von seinem Start-up. Das junge Unternehmen existiert erst seit Oktober 2023, trotzdem ist Beccatelli kein Neuling in der Unternehmerlandschaft. Sein erstes Start-up verkaufte er 2022 bereits erfolgreich. Mit seinem neuen Projekt siedelte er sich nach eigener Aussage gezielt in Südtirol an: „Von einem Geschäftspartner habe ich gehört, dass die Provinz, was Technologie in der Landwirtschaft angeht avantgardistisch ist.“ Dies betreffe vor allem Bereiche wie Sensibilität für das Wassersparen, die Umweltverträglichkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeiten und die Technologie. Des Weiteren profitiere der Standort vom einfacheren Zugang zu Österreich und Deutschland.
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Die Geschichte des Start-ups
Der Gründer und Jungunternehmer Matteo Beccatelli studierte Chemie an der Universität von Parma und spezialisierte sich am "New Jersey Institute of Technology" in den USA. Nach seiner Rückkehr nach Italien beschäftigte er sich mit Forschung und kam schließlich auf die Idee, eine Echtzeitanalyse von biologischen Flüssigkeiten zu entwickeln. Seinen ersten Anlauf startete Beccatelli im Sportbereich. Sein Start-up „Swemax“, gegründet 2018, entwickelte ein intelligentes T-Shirt für Sportler, mit dem man anhand von Schweiß dosieren kann, wie viel Wasser und Mineralsalze man zu sich nehmen muss, um fit zu bleiben, gut zu trainieren und so weiter. Nachdem ein Investor die Firma aufkaufte und der Gründer bereits an Plantvoice arbeitete, verließ Beccatelli das Unternehmen und widmete sich seinem neuen Projekt: Plantvoice.
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„Wir haben das Unternehmen ins Leben gerufen, da wir der Meinung sind, dass wir einen großen Beitrag zur Effizienz der Landwirtschaft leisten können“, der junge Chemiker wirkt überzeugt von seiner Sache. Man müsse bedenken, dass 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft entfallen. Wenn man davon ausgeht, dass es im Jahr 2050 mehr als 10 Milliarden Menschen geben wird, so brauche es, wenn man mit den heutigen Anbaumethoden so weitermacht, eine zusätzliche Fläche von der Größe Brasiliens für die Landwirtschaft. Es gehe also nicht darum, die Anbauflächen auszuweiten oder immer mehr Ressourcen zu verbrauchen, denn die Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird, sei nicht mehr nachhaltig. „Wir müssen die Ressourcen, die wir haben, optimieren, und der einzige Schlüssel dazu ist die Technologie“, so Beccatelli. Er erläutert außerdem, dass Technologien, die bisher in der Landwirtschaft Verwendung fanden, nur Standardtechnologien seien, die aus anderen Sektoren stammen. Es gebe noch kein Instrument, das Echtzeit-Kenntnisse über die Physiologie der Pflanze liefert. Natürlich seien sehr teure und präzise Laboranalysen, die man vielleicht ein- oder zweimal im Jahr durchführen kann, möglich. Mit der Pflanze direkt zu sprechen und zu erfahren, ob sie gesund und daher produktiv ist, sei bis dato aber noch nicht möglich. Genau hier setzt Plantvoice an.
Wie funktioniert das Produkt?Über eine biokompatible Sonde, die in die Pflanze gesteckt wird und über die gesamte Saison in der Pflanze verbleiben kann, wird der Stress des Gewächses in Echtzeit überwacht. Die Sonde misst den Fluss und die Zusammensetzung des Pflanzensaftes. Auf dieser Grundlage kann der Stresszustand mithilfe von Künstlicher Intelligenz verstanden und in einem sinnvollen Rahmen gehalten werden. Somit ist es wiederum möglich, die vom Kunden gewünschte Qualität und Produktivität der Pflanze zu erreichen, sowie dem Landwirt Vorschläge zu machen, wie er bewässern, düngen oder mit Pflanzenschutzmitteln behandeln kann. Das Ergebnis: direkte wirtschaftliche Einsparungen für den Betrieb und ein enormer Umweltnutzen. Die ganze Prozedur birgt für die Pflanze keinerlei gesundheitliche Probleme. Das System erlaubt es außerdem, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und somit die Überlebenschance für das Gewächs zu steigern, Wasser und Dünger zu sparen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu senken. Denn sowohl eine übermäßige Verwendung von Wasser als auch der Missbrauch von Schutzmitteln sei Beccatelli zufolge negativ für die Umwelt. Auch der Bruder des Gründers ist im Unternehmen tätig. Als Co-Founder und Landwirt übernimmt er den Dialog mit den Kunden, um ihre Bedürfnisse bestmöglich zu verstehen. Ziel sei deshalb, das Gerät von der Installation bis zur Nutzung so einfach wie möglich zu gestalten.
Zu den ersten Kunden zählen aktuell vor allem Obsterzeuger im Inland: „Wir arbeiten mit Produzenten von Äpfeln, Kiwi, Tomaten, Weintrauben und anderen kleinen Früchten.“ Obwohl es sich bei dem Produkt aktuell noch um ein Pilotprojekt handelt, zählen laut dem CEO bereits große Player der Apfelindustrie zu den ersten Abnehmern. Diese würden Plantvoice vor allem nutzen, um die gewünschte Farbe und Qualität des Guts zu garantieren. Derzeit wird noch jedes Gerät von Hand in einem Labor in Parma gefertigt. Ziel sei es jedoch auch, den Prozess zu industrialisieren und den Produktionssitz nach Bozen zu verlegen. Ab 2025 soll Plantvoice für jeden erhältlich sein. Kostenpunkt: 500 Euro pro untersuchter Pflanze im ersten Jahr. Ab dem zweiten Jahr sinkt der Jahrespreis auf 300 Euro. Das Unternehmen empfiehlt, circa zwei Pflanzen pro Hektar zu beobachten. Dieser Wert hänge jedoch stark vom Boden und der Anbaumethode ab.