Gesellschaft | Schule

Trennen um zu fördern?

Eigene Klassen für Kinder “nichtdeutscher Erstsprache” wollen die Freiheitlichen an Südtirols Schulen. Wie in Österreich. Dort sind die “Deutschförderklassen” umstritten.
Kind
Foto: Pixabay

Mit der Forderung “Vorrang für deutsche Kinder in deutschen Kindergärten” samt dazugehöriger Plakataktion sorgte die Süd-Tiroler Freiheit vor wenigen Wochen für Aufsehen. Eigenen Deutsch-Unterricht nur für nicht-deutsche Kinder verlangen hingegen die Freiheitlichen schon seit geraumer Zeit – nach dem Vorbild Österreichs. Nun wird die selbsterklärte “soziale Heimatpartei” konkret. Denn am vergangenen Donnerstag (17. Mai) hat das österreichische Parlament beschlossen, ab dem kommenden Schuljahr “Deutschförderklassen” einzuführen. Solche Klassen wollen die Freiheitlichen auch in Südtirol.
In Österreich ist die Maßnhahme, für die einzig die Nationalratsabgeordneten der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ stimmten, äußerst umstritten.

 

Sonderklassen auch für Südtirol?

Ab Herbst werden österreichweit Schülerinnen und Schülern, die nicht ausreichende bzw. mangelnde Deutschkenntnisse mitbringen, in gesonderten Klassen unterrichtet. Neben dem Regelunterricht werden in den so genannten “Deutschförderklassen” intensive Sprachkurse abgehalten. Sobald die Kinder ausreichend Deutsch können, sollen sie mit allen anderen Gleichaltrigen die Regelklassen besuchen. Die Beherrschung der Unterrichtssprache sei Voraussetzung für die Teilhabe am Unterricht und zugleich Grundlage für eine erfolgreiche Integration, betonen ÖVP und FPÖ.
Um die Sprachkenntnisse der Kinder und folglich festzustellen, ob sie in die gesonderten Klassen kommen, wird bei der Schuleinschreibung die Sprachkompetenz in Deutsch erhoben.

In Südtirol fordern nun die Freiheitlichen “Deutschförderklassen” auch an den hiesigen Schulen. Vor allem in Bozen, aber auch in anderen Städten und Teilen des Unterlandes seien solche notwendig, da es dort Schulklassen gebe, in denen mehr als die Hälfte der Kinder “nichtdeutscher Erstsprache” sind, hieß es am Mittwoch Vormittag auf einer Pressekonferenz der Freiheitlichen, bei der Parteiobmann Andreas Leiter Reber und Otto Mahlknecht als Bildungssprecher mit dem FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer für eine Maßnahme nach österreichischem Modell warben.

“Mit der Einrichtung von ‘Deutschförderklassen’ an Schulen mit hohem Anteil von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache könnte die Schule allen Kindern besser gerecht werden”, so die Botschaft. Denn viele Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen würden das Unterrichtsniveau für jene deutscher Muttersprache senken.

 

Was wird gefördert?

Ganz anders sehen die Oppositionsparteien im österreichischen Parlament – und nicht nur. Sonja Hammerschmid, ehemalige SPÖ-Bildungsministerin, rief während der Debatte im Nationalrat vergangenen Donnerstag in Erinnerung, dass wissenschaftlich belegt sei, dass die beste Sprachförderung in den Regelklassen erfolge und nicht, indem man Kinder mit unterschiedlichen Sprachkompetenzen voneinander trenne. “Die geplanten ‘Deutschförderklassen’ drohen zur Segretation zu führen”, warnt auch der Österreichische Verband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache, kurz ÖDaF in einer Stellungahme. Solche Sonderklassen führten dazu, dass bestehende Klassenverbände aufgelöst und “gemeinsames Lernen, das auch für den Spracherwerb von zentraler Bedeutung ist, massiv erschwert” würden.

Außerdem sei an dem Konzept, das sich die Südtiroler Freiheitlichen zum Vorbild genommen haben, gar einiges unausgereift, bemängelt der ÖDaF. Unter anderem bliebe die Frage offen, was unter “mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache” genau verstanden werde. “Obwohl bereits mit kommendem Schuljahr Deutschförderklassen eingeführt werden sollen, ist derzeit völlig unklar, welches Sprachniveau als Voraussetzung für die Teilnahme am Unterricht als ordentliche Schülerin bzw. ordentlicher Schüler angenommen wird”, zeigt der Verband auf.

“Wir befürchten eine Verschlechterung der Bildungschancen von Kindern mit anderen Erstsprachen. Ihre Integration in den Klassenverband wird durch die geplanten Maßnahmen erschwert.”
(Initiative “Nicht genügend. Aufstehen!”)

Bedenken bzw. offene Kritik hatten im Vorfeld der Abstimmung im österreichischen Parlament auch eine Reihe von Universitäten, Sprachwissenschaftler, Pädagogen und sogar die Industriellenvereinigung geäußert. Im Internet wurde zudem eine Petition gestartet, die sich an den Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) wendet. Unter dem Motto “Nicht genügend. Aufstehen! Lehrerinnen zeigen auf”, sprechen sich Lehrkräfte gegen die “Deutschförderklassen” aus.