Gesellschaft | Regenbogen-Familien

Ein Schritt nach vorn und einer zurück

Der italienische Verfassungsgerichtshof stärkt die Rechte lesbischer Mütter in Regenbogenfamilien, schränkt aber Zugang zur künstlichen Befruchtung für Single-Frauen ein.
Kind Regenbogenfamilie
Foto: Famiglie Arcobaleno
  • Ein Aufatmen für Regenbogen-Mütter. Der italienische Verfassungsgerichtshof entschied gestern, dass lesbische Mütter von Kindern, die durch künstliche Befruchtung geboren wurden, beide rechtlich als Elternteile anerkannt werden. Damit wurde Artikel 8 des Gesetzes Nr. 40/2004 für verfassungswidrig erklärt und die Eltern von der langwierigen gerichtlichen Stiefkind-Adoption erlöst. Die Erleichterung bestätigt auch Johanna Mitterhofer, Anthropologin an der EURAC und Sprecherin der Regenbogenfamilien in Südtirol. Parallel dazu veröffentlichte das Verfassungsgericht allerdings ein zweites Urteil, das den Ausschluss von Single-Frauen als verfassungsrechtlich zulässige markiert. Zudem beibt künstliche Befruchtung für homosexuelle Paare in Italien immer noch verboten und muss im Ausland vorgenommen werden.

  • Doppelte Mutterschaft rechtlich anerkannt

    Johanna Mitterhofer erklärt: „Dank des Urteils ist es nicht mehr notwendig, dass die nicht-biologische Mutter nach der Geburt ein langwieriges gerichtliches Adoptionsverfahren – die Stiefkind-Adoption – durchlaufen muss, um als Mutter anerkannt zu werden. Diese Anerkennung soll direkt bei der Geburt erfolgen, wie es auch bei heterosexuellen Paaren der Fall ist und rückwirkend für Familien gelten, die immer noch auf die rechtliche Anerkennung warten.“ Das Verfassungsgericht betonte, dass das italienische Recht bei heterosexuellen Paaren bereits eine Elternschaft ohne genetische Verbindung zulässt – etwa wenn ein Mann dem Einsatz von Spendersamen zustimmt. „Das Urteil macht diese Diskriminierung sichtbar und ist ein wichtiger Schritt gegen diese“, so Mitterhofer. Gelten dieselben Grundsätze nicht für auch für lesbische Paare, ist dies eine offensichtliche Diskriminierung der betroffenen Kinder, nach Äußerung des Verfassungsgerichtshofs.

  • Ein starkes Team: Die Gleichstellungsrätin Brigitte Hofer, die Sprecherin der Regenbogenfamilien Johanna Mitterhofer und Präsident von Südtirolo Pride Christian Contarino. Foto: Famiglie Arcobaleno
  • Ein Schritt in die richtige Richtung, meint Mitterhofer, für die das Urteil sehr überraschend kam: „Mich erreichten eine Vielzahl von Anrufen, bei denen mir Regenbogen-Mammas ihre Erleichterung mitteilten. Alle sind froh, dass die Stiefkindadoption nun irrelevant geworden ist. So etwas habe ich mir nicht erwartet, allerdings ist zu sagen, dass wenn dann die Gerichte in den letzten Jahren etwas vorangebracht haben und leider nicht das Parlament!“

  • Rückschritt für alleinstehende Frauen

    Parallel dazu veröffentlichte das Verfassungsgericht Urteil Nr. 69, in dem entschieden wurde, dass der Ausschluss von Single-Frauen von der künstlichen Befruchtung nicht verfassungswidrig ist. Laut Corriere della Sera wurde von den Richtern mit dem Kindeswohls argumentiert: Das gesetzgeberische Ziel, eine Vaterschaft nicht von vornherein auszuschließen, sei legitime Motivation für den Ausschluss alleinstehender Frauen von der künstlichen Befruchtung.

     

    „Der italienische Verfassungsgerichtshof zeigt der Bevölkerung, dass alle gleichbehandelt werden müssen“ 

     

    Zwei Schritte in verschiedene Richtungen. Die Situation bleibt aufgrund des aktuellen politischen Diskurses schwierig, so Mitterhofer: „Von der Regierung Meloni hat man hier nur Rückschritte zu erwarten, aber dennoch könnte dieses Urteil ein starkes Symbol sein, das zum Umdenken anregen könnte. Der italienische Verfassungsgerichtshof zeigt der Bevölkerung, dass alle gleichbehandelt werden müssen. Politische Arbeit gegen diesen Grundsatz ist schlicht diskriminierend!“