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„Wie Schach unter Beschuss“

Beim Roller Derby geht es rund, auch nach dem Spiel. Einer von vielen Gründen, warum Giada Cembran von den Alpn’Rockets die Sportart nach Südtirol geholt hat.
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Foto: Alpn'Rockets

Welche Sprache ein Mensch spricht oder welche sexuelle Orientierung er hat, interessiert beim Roller Derby niemanden, nur zimperlich sollte man nicht sein und ein guter Teamplayer. Außerdem braucht es für den Vollkontaktsport Leidenschaft und Macher*innen. Eine dieser Macherinnen ist die Präsidentin der Alpn’Rockets aus Bozen, Giada Cembran. Sie hat vor vier Jahren den Rollschuhsport, der zu einer der aufstrebendsten Sportarten in Europa zählt, nach Südtirol geholt. Aber nicht nur das. Zum dritten Mal findet dieses Wochenende (24. – 25. Juni) auf dem Ritten Skate im Ring - Skir statt. Das erste italienweite Roller Derby Turnier, ins Leben gerufen von den Skater*innen aus Bozen.

 

Salto.bz.: Frau Cembran, wie sind sie auf Roller Derby aufmerksam geworden?

Giada Cembran: Das erste Mal hat eine Freundin aus Bozen, die in Stuttgart gespielt hat, davon berichtet. Sie meinte, da gibt es eine Sportart, die Roller Derby heißt, aber das war schnell wieder vergessen. Dann hab ich den Film mit Drew Barrymore „Whip It“ gesehen. Aber der Moment der auschlaggebend war, war die Afterparty nach einem Spiel in Schweden.

 

Was war da so faszinierend?

Wie die Frauen miteinander umgegangen sind, diese Herzlichkeit und diese Freundschaft. Wie sie ihre Shirts nach dem Spiel ausgetauscht haben und zusammen gefeiert und getrunken haben, mit ihren blauen Flecken überall. Dieser Kontrast „Liebe und Hass“ hat mich fasziniert. Also auf der einen Seite ist man auf dem Track verfeindet, aber sobald man außerhalb der Bahn ist hält man zusammen und greift sich gegenseitig unter die Arme. Das hat mir gefallen, das Miteinander und Füreinander und die Atmosphäre. Da hab ich mir gedacht, das will ich auch machen.

 

 

Und dann…

Als ich wieder zurückkam, hab ich dann angefangen Freundinnen zusammen zu trommeln und gesagt: machen wir das. Von Anfang an waren alle begeistert. Wir fuhren auf Parkplätzen herum und haben uns irgendwelche billigen Skates gekauft und irgendwie ein bissel geschubst und probiert. Roller Derby war das nicht, aber so war der Anfang. Dann ist es immer konkreter geworden und wir haben verschiedene andere Mannschaften angeschrieben. Unter anderem auch eine Mannschaft aus Mailand, die Harpies, die gemeinsam mit uns eine der ersten Mannschaften hier in Italien war. Die haben auch ein Bootcamp organisiert, bei dem wir teilgenommen haben. Dann hatten wir auch Coaching Sessions und Trainings mit ihnen. Auch heute haben wir noch diese Partnerschaft und leihen uns gegenseitig Skater*innen, wenn mal welche fehlen. Das ist eben das tolle am Roller Derby.

 

Roller Derby ist ja eigentlich ein alter neuer Sport, der die letzten 15 Jahre wieder auflebt…

Ja entstanden ist er schon in den 30iger Jahren in den USA, aber nur für Schaulustige, so wie Wrestling. Es wurde nur gespielt, wie eine Show. Die Zuschauer sind gekommen, um die Frauen in den kurzen Röcken zu sehen, wie sie sich herumdrehen und sich gegenseitig auf den Boden schmeißen. Ende der 80iger Jahre und in den 90igern ist der Sport dann sozusagen wieder auferstanden, als geregelte Sportart. Und eben seit 15 Jahren auch in Europa angekommen und wächst immer mehr.

 

Aber immer noch hauptsächlich als Frauensport, warum?

Ursprünglich war Roller Derby, wie gesagt, eine Frauensportart. Und es ist so, dass die Mehrheit die Roller Derby vertreten, Feministinnen sind und aus der alternativen Underground Gesellschaft kommen. Es ist daraus entstanden und meistens immer noch so. Es gibt aber auch einzelne Männermannschaften, auch hier bei uns bei den Alpn’Rockets trainieren ein paar Männer mit und haben mittlerweile auch eine Mannschaft gegründet. Aber es sind nur vereinzelte Mannschaften, die sich durchkämpfen. Es ist schon mehr eine Frauenwelt.

 

Was muss man mitbringen und können um diesen Sport auszuüben?

Also man muss auf jeden Fall Ausdauer mitbringen und darf nicht zimperlich sein. Mit anderen zusammen arbeiten können ist auch wichtig. Man muss einfach die Energie und Leidenschaft dazu haben. Denn es ist nicht einfach nur ein Sport wie viele Sportarten, also ich gehe hin und ich trainiere. Es ist viel mehr. Unser Motto ist „for the skaters, by the skaters“ und das heißt wirklich, dass man engagiert sein muss. Auch Freizeit wird manchmal geopfert, zum Beispiel wie aktuell für das „Skate im Ring“. Das ist ein italienweites Turnier, zu dem über 200 Leute aus ganz Europa kommen.

 

Es ist also nicht nur ein Sport sondern ein Lebensgefühl?

Ja es ist ein Lebensgefühl, eine Haltung. Etwas gemeinsam aufbauen wollen und nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellen. Sondern die Mannschaft und die Sportart. Und nicht nur meine Mannschaft, sondern auch die anderen sind wichtig, weil wir gemeinsam etwas aufbauen wollen und ein gemeinsames Ziel haben. Es ist ein weltweites Projekt, eine große Mannschaft, die aus vielen kleineren Mannschaften besteht.

 

Wobei die Sportart an sich ja schon ziemlich hart ist. Es geht ja darum, die Gegenspielerin durch Bodychecks aus dem Weg zu räumen?

Es ist ein Vollkontaktsport, zwar strengstens geregelt, aber es geht um den Kontakt. Wie gesagt, der Kontrast zwischen „auf dem Track und danach“ ist wirklich faszinierend. Weil man auch Freundschaften knüpft, die über die Jahre hinausgehen.

 

Auf dem Spielfeld knockt man sich gegenseitig aus und danach ist man wieder best friends…

Ich würde sogar sagen je fester du eine hinausschubst, umso faszinierender ist es. So nach dem Motto: krass wie du mich in der Kurve rausgeschmissen hast, Respekt, trinkst ein Bier…

 

Taktik braucht es auch?

Ja es braucht Taktik und Strategie. Wir haben einen bench Coach und einen lineup Manager. Der bench Couch entscheidet die Strategie und die Jammer*in, also die Spielerin die punkten kann, muss dann auch im richtigen Moment das Spiel abbrechen. Je nach Taktik und Strategie, die man in den einzelnen Jams anwenden will. Jemand hat mal gesagt, Roller Derby ist wie Schach spielen, während jemand mit Steinen auf dich wirft. Also du musst mitdenken, aber gleichzeitig weißt du auch, da kommen Gegner die wollen dich aus der Bahn werfen. Man muss sehr konzentriert sein und zusammen arbeiten.

 

Gutes Multitasking ist also gefragt, was ja angeblich eher Frauen können. Vielleicht deswegen immer noch ein klassischer Frauensport…

(lacht) Könnte sein, daran hab ich nie gedacht. Kommunikation ist wichtig, man muss sich wirklich verstehen können. Und ich muss dir vertrauen können. Wenn du neben mir auf dem Track stehst, dann weiß ich genau was du machst und wo du stehst und was jetzt passiert. Es ist nicht nur Körper und nicht nur mental, sondern eine Mischung.

 

Eine Liga für Roller Derby gibt es in Italien noch nicht. Das findet alles noch in eigener Regie statt?

Es gibt kleine Mannschaften, aber keinen Dachverband. Es gibt zwar Vertreter, die sozusagen eine Liga zusammenstellen, aber sie kommen selbst aus den verschiedenen Mannschaften und sind aktive Skater*innen. Wir organisieren und finanzieren noch alles selbst. Es gibt ein internationales Ranking und ein europäisches Ranking und die Spiele, die bei den Veranstaltungen wie am Ritten gespielt werden, zählen dort mit rein. Aber italienweit gibt es noch keine Meisterschaft. In Deutschland gibt es eine Bundesliga, die haben die Bundesligaspiele und die Rankingspiele, das sind zwei verschieden Sachen. In England das gleiche und in den USA sowieso.

 

Das Ziel wäre also, dies in Italien auch zu realisieren?

Ja das es konkret mit der Verantwortung und Finanzierung besser klappt. Weil wir uns auch oft hart tun Hallen zu finden, wir sind ja ein Amateursportverein. Das ist wie wenn ein privater Verein eine Halle mieten würde. In Südtirol braucht es etwas länger bis die Leute neue Sachen, die sie nicht kennen, akzeptieren. Das es auch etwas gibt, was nicht Fußball oder Volleyball ist. Das haben wir gemerkt. Ein Dachverband würde sicher alles viel leichter machen.

 

Was erwartet die Zuschauer am Wochenende beim „Skate im Ring“?

Am Samstag um 10:30 Uhr geht es los und gespielt wird bis 20 Uhr. Sonntags gibt es dann die finalen Spiele, wo sechs italienische Mannschaften aufeinandertreffen. Es ist ein Zusammentreffen von Spielerinnen aus ganz Italien mit einer internationalen Schiedsrichtercrew. Und natürlich eine Afterboutparty!