Politik | Parlamentswahlen 22

„Ich will diese Wahl gewinnen“

Luigi Spagnolli über seine Senats-Kandidatur, die Agonie des PD, das Bauchweh der Grünen, sein Verhältnis zur SVP, die Angriffe der Dolomiten und das Dauerthema Wolf.
Spagnolli, Luigi
Foto: Othmar Seehauser
Salto.bz: Herr Spagnolli, Sie waren 10 Jahre lang Bürgermeister von Bozen, haben Sie immer noch nicht genug von der Politik?
 
Luigi Spagnolli: Eigentlich wäre das wirklich genug gewesen. Es war auch nicht meine Absicht, noch einmal in den politischen Ring zu steigen. Dann aber trat die Regierung Draghi zurück und der amtierende Chef des Südtiroler PD, der Kommissar Carlo Bettio, hat mich gefragt, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte. Ich habe grundsätzlich gesagt, dass ich bereit bin, wenn es mich braucht. Am Ende war es dann so, dass ich als einziger Kandidat übriggeblieben bin, weil sich alle anderen zurückgezogen haben. Somit bin ich jetzt da.

Im Südtiroler PD herrscht ein solches Chaos, dass Rom einen Kommissar schicken musste, und politisch versinkt die frühere stolze Regierungspartei in der Bedeutungslosigkeit. Aus der Landesregierung geflogen, hat man noch einen Abgeordneten im Landtag. Nicht gerade eine gute Ausgangsposition für eine Kandidatur?
 
Das ist mir durchaus bewusst. Deshalb habe ich auch einige Bedingungen für meine Kandidatur gestellt. Vor allem habe ich gesagt, dass ich nicht allein für den PD antreten werde, sondern dass es eine breite Mitte-Links-Koalition braucht. Was dann ja auch passiert ist.
Die Volkspartei kann nicht zugleich auf zwei Hochzeiten tanzen. Deshalb war von vorneherein klar, dass die SVP mich nicht unterstützt.
Sie haben dennoch lange gezögert?
 
Es war für mich wichtig zu wissen, was die verschiedenen Parteien im Bündnis zur mir und meiner Kandidatur sagen. Ich wollte das Plazet von allen, bevor ich zusage. Alle Parteileitungen habe dann auch im meinem Sinne entschieden. Für mich galt es dann nur mehr, die Entscheidung der SVP abzuwarten, die am vergangenen Mittwoch gefallen ist.
 
 
 
Zu Ihren Unterstützern gehören auch die Südtiroler Grünen. Diese sagen überall offen, dass Sie Luigi Spagnolli mit Bauchweh mittragen. Kann man so Politik machen?
 
Mich interessieren nur die offiziellen Stellungnahmen der Parteien. Die Grünen haben sich offiziell und mehrheitlich für ein Unterstützung meiner Kandidatur ausgesprochen. Dass es innerhalb der verschiedenen Parteien und Bewegungen dann auch Personen gibt, die mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, halte ich für absolut normal. Ich gehe davon, dass es in allen Partei Menschen gibt, die für mich und andere, die gegen mich sind. Aber das ist das Spiel.
 
Die SVP hat entschieden, im Senatswahlkreis Bozen-Unterland einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Der PD hat bis zuletzt gehofft, dass die Südtiroler Regierungspartei entweder Sie unterstützt oder keinen eigenen Kandidaten in diesem Wahlkreis ins Rennen schickt. Enttäuscht?
 
Nein. Die Volkspartei hätte mich nie unterstützen können, weil sie mit der Lega eine Koalition in der Landesregierung bildet. Sie kann nicht zugleich auf zwei Hochzeiten tanzen. Deshalb war von vorneherein klar, dass die SVP mich nicht unterstützt. Man hat jetzt einen Kandidaten ins Rennen geschickt, Manfred Mayr, der sogar ein Freund von mir ist. Aber auch das sehe ich positiv.
Ich gehe davon, dass es in allen Partei Menschen gibt, die für mich und andere, die gegen mich sind. Aber das ist das Spiel.
Manfred Mayr könnte Sie aber die entscheidenden Stimmen kosten?
 
Ich sehe es anders. Die SVP hat in meinem Wahlkreis nicht einen amtierenden oder scheidenden Parlamentarier aufgestellt. Schauen Sie doch einmal, wie viele neue SVP-Kandidaten es bei diesen Parlamentswahlen gibt. Die Antwort auf diese Frage, ist für mich der Beweis, dass die Volkspartei nicht gegen mich kandidiert.
 
Erwarten Sie sich Angriffe vonseiten der SVP auf Ihre Person?
 
Ich erwarte mir, dass die Wählerinnen und Wähler selbst entscheiden. Eine Sache ist die Unterstützung der Parteien, die natürlich sehr wichtig ist. Aber entscheiden tun am Ende die Wählerinnen und Wähler. Diese muss ich überzeugen. Wobei es vor allem in der italienischen Wählerschaft eine große Gruppe von Wechselwählern gibt, die je nach Wahl auch völlig konträr entscheiden. Um diese Stimmen werde ich kämpfen.
 
Der Wahlkampf hat längst begonnen. Am Dienstag erfolgte in der Tageszeitung Dolomiten ein erster Frontalangriff auf Sie.
 
Schauen Sie, ich habe meinem Landesrat Arnold Schuler die Angelegenheit völlig transparent anhand der Metadaten des Mailverkehrs dargelegt. Nicht weil Schuler dies angefordert hat, sondern weil ich es als öffentlicher Beamter als meine Pflicht sehe, gegen diese Anschuldigungen unter der Gürtellinie zu reagieren.
 
Haben Sie mit diesem Leserbrief einen Fehler gemacht?
 
Am vergangenen Freitag war mein letzter Arbeitstag als Amtsdirektor. Ich bin jetzt - wie vom Gesetz vorgesehen - im verpflichtenden Wartestand aus politischen Gründen bis zum 25. September. Ich habe am Ende meines letzten Arbeitstages ausgestempelt und danach im Büro noch die Zeitungen gelesen. Dabei habe ich diesen schrecklichen Leserbrief von Roland Atz gelesen und entschieden, umgehend darauf zu antworten. Das habe ich dann auch gemacht. Weil ich die Antwort aber nicht auf meinem Handy schreiben wollte, was ungeschickt ist, habe ich meinen Leserbrief auf dem Bürocomputer verfasst und diesen dann auf meine private Mail-Adresse und von dort weiter an die Dolomiten-Redaktion geschickt. Ich habe das so gemacht, weil mir durchaus bewusst ist, dass es keine Vermischung der Rollen geben darf. Ich habe deshalb auch die offizielle Anschrift der Landesverwaltung aus der Mail entfernt. Leider nicht ganz. Und daraus will man mir jetzt einen Strick ziehen. Ich finde das lächerlich.
 
Ein Vorgeschmack, was auf Sie zukommen wird?
 
 
Ja, sicherlich. Ich halte das für ein klares Signal und Zeichen, dass die Dolomiten bei diesen Wahlen für andere Kandidaten werben werden.
 
 
Ich halte das für ein klares Signal und Zeichen, dass die Dolomiten bei diesen Wahlen für andere Kandidaten werben werden.
Wetten, dass der nächste Angriff auf Sie zum Thema „Wolf und Bär“ folgen wird?
 
Davor habe ich keine Angst, weil mein Standpunkt hier völlig klar ist. Ich bin und war als Amtsdirektor und Beamter dazu verpflichtet, die Gesetze einzuhalten und einhalten zu lassen. Sollte ich Senator werden, werde ich versuchen, diese Gesetze abzuändern. Das sind zwei grundverschiedene Rollen. Das Grundproblem in Südtirol ist die Tatsache, dass es anscheinend nur zwei Parteien in Sachen Wolf und Bär gibt. Jene, die dagegen und jene, die dafür sind. Ich werde hier anscheinend zu den Befürwortern der großen Beutegreifer gezählt. Aber das stimmt so nicht. Ich bin für die Einhaltung der Gesetze. Sollten die Gesetze geändert werden und vorgesehen wird, dass die Wölfe zu erlegen sind, würde ich kein Problem damit haben, die Wölfe abschießen zu lassen. Aber derzeit ist das nicht möglich.
 
Ein Teil der SVP rückt immer mehr nach rechts und die politisch jahrelang erfolgreiche Achse SVP-PD in Rom gehört der Vergangenheit an…
 
Wer kann das sagen. Ich bin nicht überzeugt, dass die Volkspartei in Richtung rechts geht. Die SVP richtet sich in jedem Szenario so aus, dass am Ende für sie am meisten herausschaut. Das hat sie immer so gemacht. Natürlich gibt es innerhalb der SVP Menschen, die rechts sind und auch so denken. Aber das war immer schon so. Ich bin überzeugt, dass es in den nächsten Jahren vor allem darum geht, Menschen zu finden, die gut in der Politik sind und wissen, was sie tun. Es gibt im Landtag und noch mehr im Parlament in Rom viel zu viele Politiker, die nicht wissen, wo sie sind. Sie haben keine Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung und sie kennen nicht einmal die Mechanismen und Abläufe in diesem Bereich. Wie aber kannst du Gesetze machen und Entscheidungen für einen Staat treffen, von dem du keine Ahnung hast und nicht einmal weißt, wie seine Verwaltung funktioniert.
 
Ich bin für die Einhaltung der Gesetze. Sollten die Gesetze geändert werden und vorgesehen wird, dass die Wölfe zu erlegen sind, würde ich kein Problem damit haben, die Wölfe abschießen zu lassen. Aber derzeit ist das nicht möglich.
 
Haben Sie ein Rezept gegen diese Krankheit?
 
Ich bin überzeugt, dass wir früher oder später nicht umhinkommen, die Kandidatinnen und Kandidaten einer Prüfung zu unterziehen, bei der die Grundsätze der Bürgerkunde, der Verwaltung und der allgemeinen Bildung abgefragt werden.
 
 
 
Sind Sie sicher, dass Sie diese Prüfung bestehen würden?
 
(lacht) Ich glaube schon. Ich habe doch eine gewisse Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung gesammelt. Deshalb habe ich keine Angst vor einer solchen Prüfung.
 
Die Bozner Staatsanwaltschaft hat jahrelang gegen Sie im Fall „Twenty“ ermittelt und schließlich Anklage wegen Amtsmissbrauch erhoben. Sie wurden im Juni 2021 im Verfahren dann freigesprochen, im Jänner 2022 erhielt das Urteil Rechtskraft. Sie haben bewusst darauf gewartet, bevor Sie sich wieder politisch engagiert haben. Warum?
 
Ich hätte mich nie wieder politisch engagiert, wenn ich nicht vollständig freigesprochen worden wäre. Ich wusste, dass ich nichts angestellt habe. Aber bevor das Gericht das Urteil fällt, kann man nie sicher sein, wie das Ganze ausgeht.
Es gibt im Landtag und noch mehr im Parlament in Rom viel zu viele Politiker, die nicht wissen, wo sie sind
Auf dem Papier gewinnt die Rechte diese Parlamentswahlen. Auch im Senatswahlkreis Bozen gilt der Rechtskandidat und Lega-Kommissar Maurizio Bosatra als Favorit. Sie rechnen sich trotzdem Chancen aus?
 
Als ich das erste Mal als Bozner Bürgermeister kandidiert habe, hat mich auch die SVP unterstützt. Die Volkspartei hat 30 Tage vor der Gemeinderatswahl eine Umfrage machen lassen. Das Ergebnis: Ich kam auf 45 Prozent und mein Mitte-Rechts-Gegner auf 55 Prozent. Einen Monat später bei der Wahl habe ich dann 50,1 Prozent geschafft und er 49,9 Prozent. Das zu Ihrer Frage.
 
Oder ist Ihre Kandidatur nur ein Warmlaufen für die Landtagswahlen 2023?
 
Ich bewerbe mich ernsthaft für einen Sitz im Senat und ich will diese Wahl gewinnen. Was nächstes Jahr passiert, weiß ich nicht. Sicher aber ist, ich habe keine Lust jedes Jahr einen Wahlkampf zu machen. Wahlkampf ist eine harte Knochenarbeit und ich habe mich entschieden, es ein letztes Mal zu tun.
 
Sie haben drei schwere Herzoperationen hinter sich. Warum tun Sie sich diesen Stress überhaupt noch an?
 
Wie eine bekannte Südtiroler Tageszeitung in ihrer Eigenwerbung sagt: Es ist ein harter Job, aber jemand muss ihn machen.