Politik | Bürgerbeteiligung

Das Naturnser Modell

Bereits 1992 starteten 18 BürgerInnen aus Naturns eine Gruppe, die sich mit der Dorfentwicklung in Naturns auseinandersetzte. Eine „geistige Dorferneuerung“ hat mittlerweile stattgefunden, die Naturns zu eine der Vorzeigegemeinden in Sachen Bürgerbeteiligung machte.

„Die Entwicklung in Naturns geht zu rasch, es soll gebremst werden…zuviel Industrie, zu starke Förderung des Fremdenverkehrs…von der Zukunft ist nichts Gutes zu erwarten“. Es waren Aussagen wie diese, die 1994 zu einer ersten BürgerInnen-Initiativgruppe in Naturns führten. Starke Themen waren damals die Errichtung des Erlebnisbads Naturns, wobei 100 BürgerInnen selbst Aktien zeichnen oder das erste Südtiroler Pilotprojekt zur Kompostierung von Bioabfällen. Aus diesen sporadischen und projektbezogenen Bürgerinitiativen erwuchs das erste Dorfleitbild in Naturns mit Bürgerversammlungen und dem Einrichten von Arbeitsgruppen.

„Wir haben Ideen“ und „Wir haben Zukunft“ sagen die Naturnser

Aktive Bürger und Bürgerinnen haben von 1995 bis 1998 nahezu 200 konkrete Projekte erarbeitet und umgesetzt. Darunter raumordnerische Pläne wie die Dorfumfahrung, wirtschaftsorientierte wie die Ausarbeitung eines neuen Tourismusleitbildes, die Einführung eines Bauernmarktes oder soziale Initiativen wie die Einrichtung eines Seniorentreffs oder eines Frauenstammtisches.

Etablierte Bürgerbeteiligung

Heute gibt es in Naturns die verschiedensten bereits etablierten Formen von Bürgerbeteiligung. „Wir haben ein dreistufiges Modell entwickelt,“ sagt Bürgermeister Andreas Heidegger, damit die direkte Demokratie im Dorf funktionieren kann: Information, Mitsprache und Mitbestimmung sind unsere drei Säulen.“

Regelmäßig finden moderierte Informationsveranstaltungen zu den „heißen“ Themen des Dorfes statt, über die „Bürger aktiv“-Online-Plattform auf der Gemeindehomepage können diese Infos ebenfalls abgerufen werden.

Die Mitsprache erfolgt über den Bürgerrat, ein Gremium von 12 bis 16 per Zufallsprinzip ausgewählten Bürger und Bürgerinnen die sich zusammensetzen und ein jähriches Arbeitspapier für ihr Dorf erarbeiten.

Im Bürgercafé werden diese Ideen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und vertiefend dazu erneut Arbeitskreise mit Bürgern eingerichtet. In den Volksabstimmungen werden alle Naturnser Bürger befragt, sie haben bindende Wirkung und ein Gültigkeit von 3 Jahren.

„Am Montag, 25. November werden wir unsere Gemeindesatzung überarbeiten, wir haben in der letzten Zeit gerade mit der Genossenschaft blufink an der Verfeinerung von Bürgerbeteiligungsprozessen gearbeitet,“ sagt Bürgermeister Andreas Heidegger. Auf die Frage von Thomas Benedikter, ob die Bürger in Naturns auch bei den Ausgaben mitbestimmen dürften, muss er passen. „Erst wenn wir die finanzielle Hoheit in Südtirol erreicht haben, kann auch dieses Thema angegangen werden, solange die Gemeindefinanzierung so unsicher und eng an Land und Staat gekoppelt ist, muss das die Verwaltung machen.“