Gesellschaft | Gastbeitrag

Wunschzettelschreiben

Einen Bus möchte ich mieten, alte Menschen aufladen, die noch nie das Meer gesehen haben, sie das Salz schmecken und den Sand fühlen lassen. Wunschzettel von Horst Moser.

Mir ist nach Wunschzettelschreiben, und diesen hier leg ich heute vors Fenster, ganz bestimmt. Nicht die großen Weltaufgaben lösen wollend, nein, einmal egoistisch sein und gegen Plan- und Realisierbarkeit anstürmen, mein ganz persönliches Alltagsmissfallen ausdrückend. Über Bildschirmverblödung z.B., standardisierte Geisteszustände, von Eigenständigkeit zwangsgeräumte Gedankengänge. Luftschlösser malt man ja nur noch im Kindergarten, danach wird´s einem ausgetrieben. Bleib doch am Boden, Mann. Dem Nicht-mehr-wünschen-Können trete ich mit dieser Liste entgegen, einfach so, es ist ja Weihnachten:

Fische sollen aus den Wolken fallen, Vögel um die Wette schwimmen, Würmer in die Hände klatschen. Ich wünsche mir auf hoher See die Küste entlang zu segeln, am Himmel den Boden nie unter den Füßen zu verlieren und am Grund eines Sees ein Lied anzustimmen. Tanzen möchte ich bis tief in die Nacht, die Hände dabei ausstrecken und mich drehen, bis die Welt umfällt. Stundenlang in der Badewanne liegen und wenn das Wasser kalt ist, einfach warmes nachfüllen. Die Wohnung neu streichen, jede Wand mit einer anderen Farbe, danach Bilder aufhängen, zwanzig und mehr, mir anschließend ein Glas Wein einschenken und mich mitten im Raum hinsetzen und schauen mit geschlossenen Augen. Mich verkleiden und im Kostüm mit dem Rad durch die Stadt fahren, mich nackt ausziehen und ins Schwimmbad springen, danach einfach ins Wasser pinkeln, aber vom Dreimeterbrett. Einen Bus möchte ich mieten, alte Menschen aufladen, die noch nie das Meer gesehen haben, mit ihnen an den Strand fahren, sie zum Wasser bringen, sie das Salz schmecken und den Sand fühlen lassen, der ihre Haut streichelt, während eines feuerroten Sonnenuntergangs. Nie wieder umdrehen möchte ich mich und meine Brust tätowieren lassen auch, darauf schreib ich: Ich lass los. Und wer mich für verrückt erklärt, den werde ich umarmen und mitnehmen auf die Reise, sodass auch er die Freiheit spürt, die es nur in uns selber gibt.

Horst Moser ist Schriftsteller, Blogger (www.horstmoser.com )und Unternehmer. Im Raetia Verlag ist heuer sein zweiter Roman „Etwas bleibt immer“ erschienen. Er lebt und arbeitet in Bruneck.