Italien muss beim Klimaschutz zulegen
Mit dem EU-Klimagesetz, verabschiedet vom EU-Parlament am 24. Juni 2021, hat die EU das Leitmotiv der 2020er Jahre vorgegeben: Fit for 55. Die CO2-Emissionen im gesamten EU-Raum sollen bis 2030 gegenüber 1990 um -55% zurückgefahren werden. Ein notwendiger Kraftakt, ohne den auch das 2°-Grad auf dem Spiel steht. Im Zeitraum 1990-2019 hat die EU eben mal -23% an Reduzierung geschafft. Jetzt in 9 Jahren nochmals -32%, das ist nur machbar, wenn alle mitziehen.
Wie alle übrigen Mitgliedsländern muss Italien dieses Programm mittragen und bis 2030 seine CO2-Emissionen um -45% herunterfahren, weil es in Vergangenheit etwas mehr an Treibhausgasen eingespart hat. Doch seit 2013 stagniert Italien sowohl beim Reduzieren der Treibhausgase als auch beim Ausbau der Erneuerbaren Energie. Mit Ausnahme der letzten beiden Pandemiejahre ging beim Klimaschutz nämlich nichts weiter. Um auf Kurs zu bleiben müsste Italien jährlich zusätzlich 1,5 Mtep an Erneuerbarer Energie schaffen. In Wirklichkeit sind es aber nur 0,5 Mtep. Der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtverbrauch soll bis 2030 auf mindestens 40% steigen, eine Verdoppelung der heutigen Kapazität.
Somit hat Italien beim Klimaschutz an vielen Baustellen Hand anzulegen, beginnend mit der Anpassung seines nationalen Energie- und Klimaplans PNIEC und mit der Einführung einer wirksamen CO2-Steuer nach dem Vorbild von 10 anderen EU-Ländern. Die von der Fondazione per lo Sviluppo Sostenibile ausgerichtete Klimakonferenz „Italy for Climate“ hat in dieser Hinsicht eine konkrete Roadmap vorgelegt. Darin wird durchgerechnet, was Italien in der Energieerzeugung, in der Industrie, Landwirtschaft, im Gebäudebereich und in der Mobilität einzusparen und umzubauen hat, um bis 2030 um -45% zurückzufahren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Der Präsident der Stiftung, Edo Ronchi, geht einen Schritt weiter und fordert ein Klimagesetz nach dem Beispiel Deutschlands.
Mit einem solchen Gesetz würden die Richtlinien des EU-Klimagesetzes und des „Fit for 55-Programms“ umgesetzt und rechtlich verbindlich verankert werden. Nicht jede neue Regierung könnte dann Grundsatzbeschlüsse des Parlaments aushebeln. Denn gerade die Industrie, die Energiewirtschaft und die einzelnen Haushalte brauchen langfristige Planbarkeit bei den vielen anstehenden Investitionen und Umrüstungen, gleich ob es um den endgültigen Ausstieg aus dem Verbrennermotor geht oder um die Pflicht der Montage von Fotovoltaikanlagen bei Neubauten.
Aber auch die Regionen würden im Rahmen eines solchen Klimagesetzes verpflichtet, sich den nationalen und EU-Vorgaben anzupassen und eigene Klimaschutzpläne auszuarbeiten. Das wird Südtirol in freiwilliger Form zwar in den nächsten Monaten tun, doch wird es die nationalen Vorgaben strenger beachten müssen. Beim Einsparungsziel setzt Südtirols Klimaplan nicht auf -45% bis 2030 und gibt keinen schlüssigen Pfad zur Erreichung von Klimaneutralität vor. Auch die Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohner hätten mit einem nationalen Klimagesetz neue Pflichten zu erfüllen. Andererseits würde damit auch ein Finanzfonds eingerichtet, den die Regionen für Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität anzapfen könnten. Das Gesetz wäre Grundlage für wichtige finanzpolitische Instrumente wie die CO2-Steuer und den raschen Abbau aller Subventionen für fossile Energieträger (zurzeit rund 18 Mrd. Euro).
Aus Südtiroler Sicht wäre ein solches Staatsgesetz zu begrüßen, das die Regionen einschließlich der Autonomen Provinzen stärker in die Pflicht nimmt, zumal es dem Südtiroler Klimaplan heute an Verbindlichkeit fehlt. Bekanntlich wird er mit bloßem Landesregierungsbeschluss in Kraft gesetzt, geht also nicht durch den Landtag und kann jederzeit abgeändert werden. Diese Flexibilität ist in mancher Hinsicht nützlich, andererseits aber der langfristigen Planbarkeit und Bindungswirkung für zahlreiche weitere Planungswerke und Beschlüsse abträglich. Denkbar ist auch ein eigenes „Landes-Klimaschutzgesetz“.