Kultur | Salto Weekend

Im Rhythmus der Esel

Im Rahmen von LanaLive zogen zwei Tage lang Künstler*innen mit Eseln durchs Dorf und performten musikalische Improvisationen. Unsere Autorin tourte mit.
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Foto: Philip „Flyle“ Unterholzner

Ein Dröhnen dringt durch die Autoscheibe. Kurz darauf wird die Gruppe sichtbar: die vier performenden Künstler*innen bzw. Musiker*innen mit ihren Instrumenten, ein lose zerstreuter Zuschauerhaufen, dahinter am Zaun angebunden Pedro und seine drei Freund*innen – die Esel.

„Was soll denn das hier sein?“ Die lakonische Antwort einer Mutter: „Kunst.“

Als ich zur „Esels-Rhythmus-Klang-Tournee“ dazustoße, entladen die Posaunen gerade ihre letzten Töne. Ich streichle einen der Esel, er zeigt sich davon genauso unbeeindruckt wie von der Musik und dem Applaus. Die Szene löst sich in heiterem Geplauder auf, ohne Eile werden Kabel eingerollt und Instrumente verpackt. Für den Künstler gibt es einen Grissino, für den Esel zwei Blätter – Snackzeit. Entspannt warten alle darauf weiterzuziehen, noch entspannter steht man den verwirrt dreinschauenden Autofahrer*innen im Weg. Kunst darf ja angeblich alles, den Verkehr behindern in diesem Fall sogar ganz offiziell mit Gemeindewisch.


Inzwischen sind die Esel*innen wieder mit den blauen Tischchen und Stühlen der Künstler*innen beladen, Pedro steht brav vor seinem Karren, wir ziehen weiter. Es geht vorbei an mehr oder minder interessanten Haushinterseiten, einem gartenwettbewerbsreifen Rasen und noch mehr verwirrt dreinschauenden Autofahrer*innen. Kindergeplapper wird unterbrochen vom entgeisterten Ruf einer Anwohnerin: „Was soll denn das hier sein?“ Die lakonische Antwort einer Mutter: „Kunst.“ Wir passieren die Station des Weißen Kreuzes. Ein Esel oder vielmehr sein Begleiter macht Halt und unterhält sich mit einer Sanitäterin. Der Esel ist nur schwer zum Weitergehen zu bewegen.


Endstation ist der Parkplatz neben einer Würstelbude. Ohne Hektik wird noch ausgeschnapst, wo die Esel*innen parken und wie man sich für die Schlussperformance aufstellt. Pedro ist zum Publikumsliebling avanciert und kann sich vor streichelwilligen Händen kaum retten, sehr zum Neid seines filzhuttragenden Begleiters. Erste Star-Allüren bleiben nicht aus, ihm gefällt sein Parkplatz nicht. Der neue Parkplatz ist besser, er äußert seine Zufriedenheit, indem er seinen natürlichen Bedürfnissen nachgeht. Dahinter ist immer noch der Aufbauprozess in Gang, immer noch ohne Eile. Die von Wellnesshotels versprochene Entschleunigung quasi, Eselmeditation oder so.


Dietrich Oberdörfer stimmt ein Keyboardsolo an, ein getunter Golf mit wummernden Boxen lässt sich im Vorbeifahren auf ein Duett ein. Am Rande des Geschehens beschnuppert eine Eselin die Rosenhecke. Die Abendsonne durchkreuzt das Keyboardspiel mit ihrem letzten Auftritt, einer der Eselführer springt als Sonnenschirmträger ein, ein anderer geht dahinter seinen natürlichen Bedürfnissen nach – er isst ein Tellerchen Pommes. Der Würstelmann und sein Stammkunde mit Armverlängerung in Weinglasform recken die Hälse, während uns das Keyboard mit entrückten Synthi-Klängen einlullt. Langsam wird es rhythmischer, Erika Inger steigt zupfend, streichend, kratzend ein und macht den schönsten aller leidenschaftsgekrümmten Musikerbuckel. Im Hintergrund frisst die Eselin jetzt die Rosenhecke. Das Publikum wächst, doch der Verdacht drängt sich auf, dass die dazugestoßenen Teenager*innen wohl weiter zum Gaul-Open-Air wollen. Davon unbeirrt wirbelt Herbert Golser auf seinem afrikanischen Xylophon herum, das Publikum schwingt mit, die Esel*innen wohl eher innerlich. Auf dem ekstatischen Höhepunkt der Performance lässt er sich zu wild-witzigen Plapperlauten hinreißen, was die vorbeiziehenden Gaul-Teenies mit verstörtem Naserümpfen und die ausgelassenen Zuschauer*innen mit einem Kichern quittieren.


Man merkt, es geht dem Ende zu, und will es nicht wahrhaben, ebenso wenig wie Wolfgang Wohlfahrt, der stoisch sein Cello zersägt und befühlt. Kurz glaubt man an einen neuen Aufschwung, als ein Würstelbudengast mit einem Schnäuztuchtröten einsteigt, aber nein, Bogen und Finger fallen mit unwiderruflicher Endgültigkeit von den Cellosaiten ab. Ende.