Ideen fördern und Visionen verwirklichen
Niemand kennt die Bedürfnisse der Menschen eines Dorfes, eines Tales, eines Viertels oder einer Stadt besser als jene, die sie bewohnen. Allerdings fehlt es manchmal an Ressourcen, um die eigenen Ideen zu realisieren. Im Zuge des Ausschreibungs- und Realisierungsprozesses, dem „Bando Generazioni“, sollen die innovativsten Sozial- und Kulturprojekte der Region Trentino-Südtirol gesammelt, konkretisiert und verwirklicht werden. Dabei sind alle gefragt, die eine Idee für eine bessere Gemeinschaft, Gesellschaft und Zukunft haben. Der diesjährige Titel des Bando 2023-2024 lautet: „KREATIVE VEREDELUNGEN – neu denken, neu beleben, neu schaffen“. Organisiert von der Sozialgenossenschaft Young Inside und gefördert von den Ämtern für Jugendarbeit (Uffici delle Politiche Giovanili) der Provinzen Bozen und Trient, setzt eines der wenigen regional-kollaborativen Kulturprojekte die Vision fort, die innovativsten Projekte der Region zu realisieren und in die Plattform der Zusammenarbeit und Begegnung „Generazioni“ zu integrieren. Wir sprachen mit Francesca Viola, Präsidentin von Young Inside und Projektkoordinatorin, sowie mit Daniel Delvai, Mitarbeiter im Management von Young Inside, über die Sozialgenossenschaft, die hinter der Initiative steckt, sowie darüber, was es mit der Plattform Generazioni und dem Bando Generazioni auf sich hat. Einführend bringt Francesca Viola leidenschaftlich ihre alljährliche Vision nochmals auf den Punkt: "Wir möchten eine wichtige Botschaft aussenden: Kreative Kulturarbeit kann Gebiete und Gemeinschaften wiederaufleben lassen, sowie jungen Generationen eine berufliche Perspektive geben!“
Könntet ihr kurz Young Inside vorstellen, also die Sozialgenossenschaft, die hinter Generazioni steckt?
Francesca Viola: Die erste Station des Werdegangs der Sozialgenossenschaft Young Inside war eigentlich das „Festival delle Resistenze Contemporanee“ im Jahr 2012. Wir haben unser Kulturunternehmen damals aus organisatorischen Gründen zur Verwaltung des Festivals gegründet. Ein wunderbares Projekt, das wir auch nach Trient brachten und zu einer regionalen Plattform ausbauten, die wir immer noch kuratieren. Seit 2019 trägt die Plattform den Namen „Generazioni“, aber anstelle des Festivals organisieren wir seit einigen Jahren bereits diverse Eventreihen in der gesamten Region Trentino-Südtirol. Jene Plattform ist bis heute unser Grundpfeiler, allerdings haben wir unseren Aufgabenbereich um die kulturelle Viertelregeneration und -aufwertung der Bozner Stadtviertel Don Bosco und Europa-Neustift erweitert.
Wir wollen den Menschen der Region vermitteln, dass sie ein Teil eines kulturellen Systems sind, das ihnen eine Gemeinschaft bietet sowie Freunde, Spaß und Perspektiven.
Uns ist zu Ohren gekommen, dass ihr eine Art „Neudefinition“ hinter euch habt. Könntet ihr das ein bisschen näher ausführen?
Das knüpft an die letzte Frage an. Nach der Organisation des Festival delle Resistenze Contemporanee wollten wir schon bald mehr. Das Projekt erreichte viele Interessierte, jedoch war es unser Ziel weitere Bevölkerungssparten zu erreichen und Begegnungen verschiedenster Art zu ermöglichen. Dabei ist die Jugend unser Standbein und unsere größte Inspiration. Unser Hauptquartier, der Spazio Young, ist ein gutes Beispiel, um unseren Ansatz zu verdeutlichen: selbst kleinste Initiativen, Begegnungen oder Aktivitäten können beispielsweise eine Beziehung zwischen jungen Menschen und dem Viertel stiften, das ihr Zuhause ist. Wir wollen ihnen vermitteln, dass sie Teil eines kulturellen Systems sind, das ihnen eine Gemeinschaft bietet, Freunde, Spaß und Perspektiven; für die sie jedoch auch Verantwortung übernehmen müssen. Der Bando Generazioni setzt diesen Gedanken auf regionaler Ebene um und bringt Menschen zusammen, die gemeinsam Projekte für eine bessere Zukunft realisieren wollen.
Auf ihrer Website finden sich diverse Formulierungen, was das regionale Kulturprojekt Generazioni ist. Könntet ihr nochmal konkret schildern, was man sich unter Generazioni vorstellen kann?
Die Projektbezeichnung von Generazioni setzt sich aus den Begriffen „generare azioni“ zusammen, zu deutsch „Aktionen hervorbringen“. Hinter dieser Namensgebung steckt der Gedanke des Zusammenbringens unterschiedlicher Generationen, der aktiven Bürgerbeteiligung und sozialen Bewegung. Das Hauptanliegen dieses Projektes war es von Anbeginn, einen Ort der Begegnung und des Ideenaustausches für die BürgerInnen der Provinzen Bozen und Trient bereitzustellen, da es bis heute nur wenige Möglichkeiten des Austausches und Zusammentreffens zwischen den BürgerInnen der Provinzen gibt. Kreative Köpfe der Region Trentino-Südtirol können im Rahmen des Projektes persönliche Innovationskonzepte für ihre Heimatgemeinden präsentieren, mit den anderen KandidatInnen diskutieren und als soziale Start-Up-Gruppe ihre Projekte ausarbeiten. Die benannten sozialen oder kulturellen Innovationen sollen dabei stets kreative Verbindungen zwischen Menschen, Orten und Gebieten herstellen sowie ländliche oder städtische Kontexte neu beleben. Der Bando Generazioni soll demnach Menschen mit sozialem Engagement und Innovationsgeist fördern und die EntwicklerInnen der sozialen Start-Up-Konzepte, im Sinne des Bottom-Up-Prinzips, durch einen partizipativen Planungsprozess leiten.
Der Bando ist in drei Phasen gegliedert, könntet ihr uns diese nochmals kurz ausführen?
Daniel Delvai: Der laufende Bando Generazioni ist erstmalig in Form eines zweijährigen Prozesses konzipiert. Die erste Phase, die Bewerbungsphase, in welcher uns BewerberInnen aus der gesamten Region Trentino-Südtirol ihre Projektideen zugesandt haben, liegt seit dem 5. Mai bereits hinter uns. In der bevorstehenden zweiten Phase, dem „Generazioni Hub“, werden 12 dieser Projekte ausgewählt und bis September 2023 im Zuge diverser Bildungsangebote in Sachen Projektrealisierung, Management, Zeiteinteilung, Arbeitsfeld, Institutionen sowie Networking gecoacht. In der letzten Phase, der „Generazioni Factory“, küren wir dann die drei Siegerprojekte, die bis ins Jahr 2024 weiter bis zur Realisierung unterstützt werden und Teil unseres regionalen Netzwerkes werden.
Die von uns zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel und die Kommunikationsplattform an sich soll wirklich allen, jung oder alt, Profis sowie Experimentierfreudigen, die Möglichkeit bieten ihre sozialen Start-Ups zu verwirklichen.
Geht es beim Bando Generazioni darum eine größtmögliche Sparte von BürgerInnen anzusprechen oder kristallisiert sich dennoch eine spezifische Zielgruppe heraus?
Francesca Viola: Da es um die Zukunft der jeweiligen Ortsgemeinschaften geht, möchte die Ausschreibung besonders jüngere Generationen im partizipativen Planungsprozess von sozialen Innovationen ansprechen. Die von uns zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel und die Kommunikationsplattform an sich soll aber wirklich allen, jung oder alt, Profis sowie Experimentierfreudigen, die Möglichkeit bieten ihre sozialen Start-Ups zu verwirklichen. Grundidee ist es demnach BürgerInnen aller Generationssparten als informelle Gruppen anzusprechen, damit neben spezialisierten und formellen Gruppen, wie Sozialgenossenschaften, Jugendzentren oder Ähnlichen, auch die Betroffenen direkt die Möglichkeit bekommen, soziale Innovationen in ihren jeweiligen Gemeinden umzusetzen. Sicher, ein Kernziel ist es aktive Bürgerschaft durch die Unterstützung von Innovationsgeist zu fördern, aber wir wollen auch Arbeitsplätze und -beziehungen stiften. Nicht, indem wir Arbeit anbieten oder ArbeitnehmerInnen mit ArbeitgeberInnen bekannt machen, sondern indem wir den Menschen vermitteln, wie sie ihre Ideen realistisch verwirklichen und umsetzen können und ihnen aufzeigen, wer dieselben Interessen an dieser Vision hat.
Könnt ihr uns kurz erklären, wie ein regionales Projekt, wie Generazioni, finanziert wird?
Das Projekt wird vom Amt für Jugendarbeit (Ufficio delle Politiche Giovanili) der Provinz Bozen, vom Amt für Jugendarbeit (Ufficio delle Politiche Giovanili) in Trient sowie von einigen privaten Sponsoren finanziert und unterstützt. Wie auch Claudio Andolfo, der Präsident des Bozner Amtes für Jugendarbeit (Ufficio delle Politiche Giovanili), bereits erwähnte, ist es uns gelungen eine Form der gemeinsamen Finanzierung und Förderung regionaler Sozial- und Kulturkollaborationen zu finden. Eine Unternehmung, der beträchtliche bürokratische Hürden im Wege stehen, an denen auch größere Initiativen, wie beispielsweise Euregio, in ihrem Bestreben der transregionalen Zusammenarbeit immer wieder scheitern.
Könnt ihr bereits einen kleinen Ausblick darüber eröffnen, welche Projekte uns dieses Jahr erwarten könnten?
Die Bewerbungsphase liegt hinter uns und wir hatten auch schon Einblick in spannende Projektbewerbungen von InnovatorInnen, die unsere Themenvorgaben sehr gut interpretiert haben. Unsere Themen sind wie immer die Wiederaufbereitung, Erneuerung und innovative Nutzung von Räumen, Vierteln, Dörfern, Städten oder Tälern, in sozialer sowie kultureller Hinsicht. Dabei sind die Förderung von generationsübergreifenden Begegnungen sowie der sozialen Inklusion, wie besagt, zentrale Orientierungspunkte. Neben jenen, die die Themen gut erfassen, gibt es auch BewerberInnen, die über diese Ziele hinausschießen sowie Ideen, die an diesen Zielen vorbeitreffen. In jedem Fall haben wir aber gelernt zuzuhören. Wenn wir Ambition in Projekten erkennen, müssen diese nicht genau unseren Vorstellungen entsprechen, im Gegenteil: manchmal werden damit gesellschaftliche Bedürfnisse ausgedrückt, die wir gar nicht auf dem Schirm hatten.
Ein Betrag von David Orrú.