Politik | Urbanistik

Raumordnung: "Vorzugsspur für Private"

Am Mittwoch Nachmittag beginnt im Landtag die Behandlung der kleinen Raumordnungsreform. Am Tag davor warnen die Grünen erneut vor den Auswirkungen des "Abschiedsgeschenks der Ära Durnwalder".
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Foto: Seehauserfoto

Rund 300 Abänderungsanträge, davon allein 75 von der Mehrheit: Dieses Monsterprogramm steht den Abgeordneten im Südtiroler Landtag  bevor, wo noch vor der Sommerpause die sogenannte kleine Raumordnungsreform durchgebracht werden soll. Eine Reform, die laut den Grünen jedoch komplett am den dringlichsten Aufgaben vorbeigeht, die beim umstrittensten Südtiroler Gesetz seit langem anstehen: eine Entflechtung des Dschungels an teils widersprüchlichen und auf Einzelinteressen ausgerichteten Bestimmungen sowie eine Einschränkung des anhaltenden Bodenkonsums. Statt dessen werde nun erneut in einem aus demokratischer Sicht fragwürdigen Procedere ein monströses Gesetz verabschiedet, das vor allem Privaten weitreichende Rechte einräume und die Beteiligung von Bürgern, Gemeinderäten aber auch Experten und Sachverständigen an den Raumordnungsentscheidungen einschränkt, ,kritisierten die beiden Grünen Landtagsabgeordneten Riccardo dello Sbarba und Hans Heiss sowie die grüne Gemeinderätin Brigitte Foppa am Dienstag in einer Pressekonferenz.

Den Fokus legte dello Sbarba vor allem auf zwei Abänderungsanträge, die nun im Plenum diskutiert werden.  Der erste? Die Neuauflage eines Artikels von Landesrat Thomas Widmann zur Ausweisung von Gewerbezonen auf Privatinitiative, der in der Gesetzgebungskommission bereits versenkt wurde. „Doch nun macht Widmann einen neuen Anlauf, Private letztendlich darüber entscheiden zu lassen, wo Gewerbezonen entstehen“, so dello Sbarba. Für entsprechende Vorschläge von Privaten sei demnach  eine eigene und extrem beschleunigte Prozedur vorgesehen, bei der die Gemeinde nur 45 Tage Zeit für eine Beschlussfassung bleibt. Darüber hinaus würden im Genehmigungsprozess mit einer 7-köpfigen Sonderkommission, in der auch die BLS vertreten ist, eine Reihe von Kontrollmechanismen bis hin zur Gemeindebaukommission ausgeschaltet.

Einen ähnlichen Schriftzug trägt laut den Grünen das so genannten Lex Benko. Nach dem Widerstand gegen den Abänderungsantrag, den Bürgermeister Luigi Spagnolli im Alleingang mit Urbanistiklandesrat Elmar Pichler Rolle vorgelegt hatte, liegt dem Landtag nun ein Kompromissvorschlag des PD zur städtebauliche Umstrukturierung durch private Initiative vor. Doch auch der von Landesrat Christian Tommasini  eingebrachte Antrag führt mit seinem letzten Absatz bei der Umstrukturierung städtebaulicher Zonen ein ähnliches Prozedere ein wie Widmanns Vorschlag zu Gewerbezonen, kritisierte dello Sbarba: „Nicht die Gemeinde legt unter Berücksichtigung des Gemeinwohls fest, welche Zonen der Stadt aufgewertet werden sollen, sondern ein Privater“, erklärte der Landtagsabgeordnete.  Diese könnten attraktive Grundstücke im Vorfeld kaufen und die Gemeinden dann aufgrund eines Dringlichkeitsverfahren unter Druck setzen. Darüber hinaus sei die Beteiligung von Bürgern und Anrainern nicht mehr vorgesehen und der Gemeinderat werde erst am Ende des Verfahrens einbezogen, wenn alle Entscheidungen bereits getroffen sind.  

Eine Vorgansweise,  das auch Gemeinderätin Brigitte Foppa aufs Schärfste verurteilt. Gerade beim Projekt Benko zeige sich deutlich, wohin diese Machtverschiebung zugunsten Privater führe. So ist aus dem nun vorgelegten Restrukturierungsplan mit der Garibaldistraße genau jene Zone ausgespart, die am dringlichsten einer Aufwertung bedarf. „Gleichzeitig setzt sich hier ein Privater mit dem Bürgermeister über sämtliche Pläne der Stadt in Richtung sanfte Mobilität hinweg und schafft mitten im Stadtzentrum 800 Parklätze“, sagte Foppa.

Auch der Architekt und Heimatpfleger Albert Willeit brachte auf der Pressekonferenz der Grünen einige konkrete Bespiele, warum sich das „Chaos in der Raumordnung durch die Reform nicht verbessern, sondern weiter verschlimmern“ werde. Als eines der markantesten Beispiele nannte Willeit die weitgehende Ausschaltung der Baukommission bei der Genehmigung aller Projekte der Sanierung bzw. des Umbaus bestehender Gebäude, über die künftig nur mehr die Bürgermeister entscheiden sollen. Eine Neuerung, die  Architekten Willeit als Skandal bezeichnet: „Denn ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Bürgermeister die Fähigkeiten hat, die architektonische Qualität von Gebäuden zu beurteilen.“