Wirtschaft | Wirecard-Skandal

Dan McCrum: "Money Men"

Der Enthüllungsjournalist der "Financial Times" (FT) zeichnet die Geschichte um Aufstieg und Fall von Wirecard nach (im englischen Original)
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Trotz des gehobenen Wortschatzes (musste pro Seite wohl 20x das Wörterbuch zu Hilfe nehmen) ein ungeheuer aufschlussreiches Buch, das sich sowohl auf namentliche Zeugenaussagen wie auf anonymisierte Hinweisgeber (etwa den persönlichen PR-Berater von Jan Marsalek!)  und die Erfahrungen der FT- Verantwortlichen mit Pressionen seitens Wirecard und oft fehlender Reaktionen informierter Kontrollorgane (wie das deutsche Aufsichtsgremium BaFin) stützt.

Das Buch beginnt mit der persönlichen Entwicklung des Autors (etwa Kontakt mit einem früheren Lehmann- Angestellten, der froh war, vor der Pleite das Unternehmen verlassen zu haben)  und mit den Anfängen von Wirecard als Zahlungsdienstleister für (illegale) Wetten und Konsumenten von Pornoseiten. Für das Verstecken von Wettgewinnen wurden von Wirecard schon in den Nullerjahren Kontakte zu Offshore- Briefkastenfirmen vermittelt. Relativ bald schon kamen auch Hinweise auf Scheingeschäfte samt der Warnung, sich bei ihrer Verfolgung warm anziehen zu müssen.

Nachdem sich bei Recherchen der FT der Verdacht auf Scheingeschäfte erhärtet hat, wird Wirecard damit konfrontiert und droht im Gegenzug mit teuren Klagen (sogenanntes Slapping). Auch FT- Mitarbeiter werden eingeschüchtert. Schließlich steigert sich der Nervenkrieg mit schrittweisen Enthüllungen der FT und Drohungen seitens Wirecard, bis sich der Aufsichtsrat von Wirecard genötigt sieht (besonders auf Druck der dort vertretenen Damen), eine Sonderprüfung durch KPMG zu veranlassen. Diese zog sich wegen mancher leerer Versprechungen von Marsalek zur Lieferung von Unterlagen und mangelnder Kooperation asiatischer Geschäftspartner länger als ursprünglich vorgesehen, am Ende platzte aber die Bombe des nichtexistenten Guthabens.

Meine Schlussfolgerungen aus dem Skandal:

1. Ein Wechsel der Prüfer ist wichtig (bei sicherheitstechnischen Audits Stand der Dinge)

2. Eine Transparenz von Vermögen sowie von Besitzvrhältnissen von Firmen und Stiftungen (wie von Obermayer/ Obermaier in "Panama Papers" gefordert, erleichtert die Verifizierung von Guthaben, zu der Bilanzprüfer verpflichtet sind, die aber bei Wirecard (wie auch beim öst. Bilanzbetrugsskandal um die Commerzialbank Mattersburg) schuldhaft unterblieben ist.

3. Da die Geschäftsführung von Wirecard aufgrund der Veröffentlichung der Missstände durch die FT im Bilde war, ist beim aktuellen Gerichtsverfahren danach zu fragen, mit welchen Maßnahmen sie darauf reagiert hat (Sorgfaltspflicht)