Politik | Interview

“Dieses Kapitel ist abgeschlossen”

Wie reagiert der SVP-Fraktionssprecher im Bozner Gemeinderat auf das Tram-Votum? Für Sebastian Seehauser ist es kein politisches Nein: “Die SVP wird sich daran halten.”
Sebastian Seehauser
Foto: Seehauserfoto

70,12 Prozent der Bozner, die am Sonntag bei der beratenden Volksabstimmung zur Tram teilgenommen haben, sagen Nein. Und was sagt der Fraktionssprecher der SVP im Bozner Gemeinderat?

salto.bz: Herr Seehauser, 70 Prozent der Abstimmenden haben am Sonntag gegen das Tram-Projekt für Bozen gestimmt, 30 Prozent dafür. Haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet oder sind Sie überrascht?

Sebastian Seehauser: Die Überraschung ist, dass die Abstimmung so eindeutig ausgegangen ist. Das hätte ich nicht erwartet. Ich habe eher mit 60-40 gerechnet. 70-30 ist wesentlich eindeutiger als ich es mir gedacht hatte. Und dem muss man Rechnung tragen.

Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?

Das ist eine gute Frage, die für uns auch noch nicht abschließend geklärt ist. Wir werden um 12 Uhr in den Parteigremien zusammenkommen und in die Analyse gehen. Es sind sicherlich mehrere Faktoren, die hier zusammenspielen.

Es war eine ganz sachliche Frage zu einem bestimmten Thema.

Wie alle Parteien der Bozner Stadtregierung hat sich auch die SVP für das Ja stark gemacht. Doch auch in den traditionell von der SVP dominierten Vierteln – Bozner Boden-Zentrum-Rentsch und Gries-Quirein – überwiegt das Nein. Muss sich Ihre Partei vorwerfen, die Tram nicht genügend beworben zu haben?

Nein, ich glaube, dass es insgesamt nicht gelungen ist, die Vorzüge dieses Projektes zu vermitteln. Das aber ist nicht allein eine Sache der SVP. Sondern es war ja eine breite Front an Parteien, die sich dafür ausgesprochen haben. Entsprechend muss man das Ergebnis jetzt genau analysieren. Aber ich würde es nicht eins zu eins auf eine Partei oder die Regierungsmehrheit ummünzen. Sondern es war eine ganz sachliche Frage zu einem bestimmten Thema. Die Südtiroler Volkspartei hat auch noch vor der Abstimmung dazu aufgerufen, sich zu informieren, daran teilzunehmen und seine Meinung auszudrücken. Und die Südtiroler Volkspartei hat sich auch dafür verbürgt, sich an das Ergebnis zu halten. Genau das werden wir jetzt machen. Damit ist dieses Kapitel abgeschlossen.

Das Ergebnis ist wesentlich eindeutiger als ich es mir gedacht hatte. Und die SVP wird dem Rechnung tragen.

Sie sagen, man kann das Tram-Abstimmung nicht als Votum gegen die Stadtregierung interpretieren. Die Nein-Seite macht das aber durchaus. Die Lega fordert Bürgermeister Caramaschi auf, über seinen Rücktritt nachzudenken, weil der Ausgang der Abstimmung eine politische Schlappe für ihn sei. War es tatsächlich nur ein Nein zur Tram?

Ja, davon bin ich überzeugt. Aber, wie erwähnt, werden wir uns als Partei das Ganze im Detail anschauen und darüber diskutieren. Natürlich wird auch eine Mehrheitssitzung einberufen, wo wir mit unseren Partnern diskutieren und analysieren. Aber in erster Linie ist das Votum an das Projekt Tram gekoppelt – alles weitere muss man sehen.

Was heißt das? Könnte die Stadtregierung fallen?

Ich bin überzeugt, dass wir die Zusammenarbeit weiterhin fortführen werden – und uns jetzt eben nicht mehr auf die Tram, sondern auf andere Projekte konzentrieren.

Natürlich ist es schade, dass im öffentlichen Verkehrsbereich dieses Projekt jetzt nicht realisiert wird.

Weil das Quorum von 25 Prozent erreicht worden ist, muss der Gemeinderat innerhalb von 30 Tagen dazu Stellung nehmen und erklären, ob er sich an das Ergebnis halten oder davon abweichen wird. Nun könnte die Mehrheit sagen, weniger als ein Drittel der Bozner hat an der Abstimmung teilgenommen und sich, weil sie nur beratend und nicht bindend ist, über das Ergebnis hinwegsetzen. Sehen Sie noch Spielraum, damit das Projekt nicht in der Schublade verschwindet?

Wir als Volkspartei werden das Ergebnis respektieren. Wenn man eine Volksabstimmung und damit partizipative Demokratie durchführt, muss man das auch. Die Menschen sind hingegangen – was ja erfreulich ist – und haben abgestimmt.  Das Nein ist sehr eindeutig hervorgekommen. Und die Südtiroler Volkspartei wird sich daran halten, was sie im Vorfeld auch kommuniziert hat: Ob es ein Ja oder ein Nein wird – wir werden uns für das Ergebnis einsetzen.

Sind Sie persönlich enttäuscht vom Ausgang der Abstimmung?

Natürlich ist es schade, dass im öffentlichen Verkehrsbereich dieses Projekt jetzt nicht realisiert wird. Da wird man jetzt analysieren, welche die Alternativen sind. Abgesehen davon werden wir uns weiterhin auf die Mobilitätsprojekte konzentrieren, die wir begonnen haben, wie zum Beispiel den Metrobus, und auch im Bereich der Straßen weiterhin unsere Energien einsetzen, damit die Verbesserungen so schnell wie möglich gemacht werden. Etwa in der Industriezone, die als nächste in Angriff genommen werden soll. Und der Hörtenbergtunnel bleibt für uns Priorität Nummer Eins.