Politik | Griechenland

Ohne Erpressung keine Politik ?

Mit übelsten Methoden ist Griechenland das Spardiktat aufgezwungen worden. Enthüllungen, die den Machtkampf zwischen Tsipras und den Oligarchen zuspitzen.

"La cassaforte degli evasori" heisst das in Italien erschienene Buch, in dem der ehemalige Mitarbeiter der Schweizer Skandalbank Hsbc , Herve Falcani, pikante Namen preisgibt.  Unter den Edel-Klienten der Bank befand sich - mit einem Guthaben von 500 Millionen Euro - auch die Mutter des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Griechenlands,  Georgos Papandreu.   Man kann Kinder nicht für die Fehler ihrer Eltern verantwortlich machen ,  wohl aber dafür, dass sie  aus Liebe zu den Eltern ihre Heimat ruinieren.

Dass Sozialisten genauso korrupt sein können wie konservative Mitte-Rechts-Parteien hat Italien schon vor 30 Jahren der Welt vorgeführt : mit Bettino Craxi, dem sozialistischen Partei- und Ministerpräsidenten,  der seinen Lebensabend im Exil in Tunesien verbringen musste. 

Zurück zu Papandreu  :  Der Mann, der Griechenland mithilfe der Informationen aus der Skandalbank  in die Knie zwang , heisst Nicolas Sarkozy. Er war 2011 für die Verhandlungen mit dem fast bankrotten griechischen Staat verantwortlich gewesen und er erpresste seinen damals amtierenden griechischen Kollegen  so:  entweder akzeptierte Papandreu die aussergewöhnlich  harten Bedingungen der Troika als Voraussetzung für die sogenannten " Hilfspakete" ( lesen Sie dazu den hier veröffentlichten Artikel von Georg Stoumbos)  oder Sarkozy machte die Schweizer Fluchtgelder der Familie publik.

Dass sich Papandreu erpressen liess,  musste das griechische Volk anschliessend ausbaden.  Dabei hatte Papandreu vor seiner Abreise zu den verhängnisvollen Verhandlungen versprochen, die griechische Bevölkerung über die Troika-Massnahmen abstimmen zu lassen. Um seine amerikanische Mutter und die Familienehre zu retten, verzichtete er auf den angepeilten Widerstand gegen die Trioka und auf das Referendum. 

Papandreu liess die Falciani-Liste verschwinden, was zur Folge hatte, dass auch andere allfällige griechische Steuersünder ungeschoren davonkamen. Statt mit den Falciani-Informationen die grossen griechischen Steuerhinterzieher zur Kasse zu bitten, wurden dem Staat Milliarden entzogen.

Warum aber hatte sich Sarkozy zu einer so miserablen Erpressung hinreissen lassen?  Natürlich, weil er selbst erpresst wurde. Er hatte sich von reichen französischen Industriellen finanzieren lassen und sich bei ihnen durch vorteilhafte Steuergesetze entsprechend revanchiert. Die französische Presse machte den Skandal publik, doch statt Sarkozy wurden die Chefredakteure gefeuert, die im  Korruptionsfall recherchiert hatten.

Die Liste des Bankmitarbeiters Falciani ( dessen Rolle bis heute nicht vollständig geklärt ist ) hatte bereits in den USA den Vorwand zu ausgedehnten Erpressungen gegeben. Auch in den USA war die Liste nie publik geworden, weil zuviele zu wichtige Personen darin enthalten waren.

Von Erpressungen berichten auch griechische Minister, denen es oblag , die Troika-Befehle umzusetzen.   Harald Schumann berichtet in einem Artikel auf " zeit-online"  darüber,  welches Unheil die Troika über Griechenland brachte. " Sie erpresste Minister, spielte sich zum Gesetzgeber auf und machte gemeinsame Sache mit den Eliten. So stürzte die Troika die Krisenstaaten wissentlich in die Rezession", heisst es in der Überschrift.

Wer diesen Artikel liest, versteht sofort, weshalb die Troika in die Griechenland so unbeliebt ist und weshalb Syriza und Alexis Tsipras die Wahlen gewannen, mit dem Versprechen, die erpresserischen Kontrolleure aus dem Land zu werfen.  Dieses Versprechen hat die neue Regierung nicht einhalten können - es ist ja auch erst einen Monat her ,  dass Tsipras an der Macht ist.  Trotzdem  hat die Parlamentsfraktion von Syriza gestern in Athen dem mageren Verhandlungsergebnis von Brüssel zugestimmt.

Wenn der Weg,  sich von der Troika zu befreien auch steinig ist, so versucht Tsipras jetzt,  zumindest im Inland Zeichen zu setzen. So  verbot er kurzerhand die Abhaltung weiterer Fussball-Meisterschaftsspiele, weil die Gewaltexzesse nicht mehr einzudämmen sind. Am vergangenen Sonntag kam es beim Derby zwischen Olympiakos und Panathinaikos zu schweren Auschreitungen mit Schwerverletzten. 

Als sich die Eigentümer der beiden Athener Mannschaften am Dienstag zusammensetzen sollten, um über das weitere Vorgehen zu beraten, kam es zu Prügeleien . Den Leibwächtern von Vanghelis Marinakis, dem Besitzer von Olympiakos wird vorgeworfen, dem Chef von  Panathinaikos, Yiannis Alafouzos, die Unterlippe aufgeschlagen zu haben.  Die beiden sind reiche Reeder und mächtige Oligarchen.  Ihnen gehören die wichtigsten Banken, Medien und  Immobilienunternehmen in Griechenland. 

Ministerpräsident Tsipras bietet ihnen jetzt die Stirn ,  indem er die Fussballspiele verbietet.   Ein  Verbot, das keiner seiner Vorgänger je ausgesprochen hätte : aus Angst vor der Rache der Super-Magnaten.  Im Gegensatz dazu  signalisiert Tsipras auf diesen Weise den übermächtigen Oligarchen, dass sich die Zeiten geändert haben . Sein in Brüssel hinterlegtes Versprechen,   nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten gegen Steuerhinterziehung und Korruption  vorzugehen, will Tsipras  umsetzen. 

Vor allem Deutschland wirft " den Griechen" generell vor, nur zu reden und nicht zu handeln. Vielleicht ändert sich da jetzt etwas und der verbitterte deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kann seine vorgefertigten Ansichten etwas revidieren. Voraussetzung ist allerdings, dass er nicht endlos auf den neuen griechischen Machthabern herumhackt, denen er zumindest bescheinigen müsste, dass sie nicht korrupt sind . Denn natürlich war es einfacher, mit den bisherigen korrupten griechischen Eliten zu verhandeln, die man beliebig unter Druck setzen konnte

 Es ist wohl gerade das, was die traditionellen europäischen Verhandlungspartner mitsamt ihren Lobbys so erschreckt : dass die neue politische Generation aus Athen eben NICHT  erpressbar ist.     

     P.S. :  Unter dem Titel: " Die Troika - Macht ohne Kontrolle"  hat der Fernsehsender Arte  eine interessante Dokumentation von Harald Schumann ausgestrahlt. Sie kann auf Arte+7 abgerufen werden.