Gesellschaft | Impfung

Die Priorisierung

Die Spitze der Eurac wurde still und leise vom Sanitätsbetrieb geimpft. Darunter auch der Biostatistiker Markus Falk. Der offizielle Grund: Man arbeite mit dem Virus.
Panorama Eurac
Foto: Hannes Prousch
Stefan Ortner ist keiner, der sich versteckt. „Wir sind alle keine Kasperln, die nur im Büro hinterm Schreibtisch herumsitzen“, sagt der Direktor der Eurac, „sondern wir packen auch selbst mit an“. Etwa im Labor oder auch bei den Covid-19-Tests, die die Eurac im NOI-Techpark durchführt.
Der ausgebildete Mikrobiologe Ortner hat dazu auch das wissenschaftliche Rüstzeug. Der Eurac-Direktor weiß aber auch, dass die Nachfrage von Salto.bz publizistischen und gesellschaftlichen Sprengstoff enthält. „Mit dem Datenschutz scheint man es im Sanitätsbetrieb nicht allzu genau zu nehmen“, kontert Ortner deshalb, „denn eigentlich sind das sensible Daten“.
Damit hat er recht, denn eigentlich solle diese Geschichte so nie ans Tageslicht kommen.

Die Impfungen

 
Der Staat hat genaue gesetzliche Bestimmungen erlassen, mit denen festgelegt wird, wer wann gegen Covid-19 geimpft werden soll. Es gibt insgesamt sechs verschiedene Klassen. Derzeit ist man bei Klasse 2. In Südtirol hält man sich an diese Vorgaben. Einen eigenen Impfplan hat bisher weder die Landesregierung noch der Sanitätsbetrieb offiziell beschlossen. Das erlaubt der Spitze des Sanitätsbetriebes auch einen Spielraum für besondere Aktionen, die man nicht an die große Glocke hängt. Konkret gesagt: Es gibt anscheinend Sonderprogramme, die für die Betroffenen den Weg zum Impfstoff deutlich abkürzen.
Etwa im Fall der Eurac.
 
 
Anfang Februar hat der Sanitätsbetrieb 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eurac geimpft. Salto.bz wurde eine Namensliste der Geimpften zugespielt. Es handelt sich dabei zum Großteil um junge Menschen, die an zwei Eurac-Instituten tätig sind. „Wir sind eine Art Referenzzentrum für den Sanitätsbetrieb und es gibt deshalb Vereinbarungen“, erklärt Eurac-Direktor Stefan Ortner.

Die Institute

 
Das gilt vor allem für zwei Bereiche. Das Institut für Biomedizin und das Institut für Alpine Notfallmedizin. Beide Institute sind seit Monaten direkt in die Covid-19-Forschung und -Bekämpfung in Südtirol einbezogen. Die hochtechnisierten Labore und die internationalen Fachleute im Bozner NOI Techpark greifen dem Sanitätsbetrieb unter die Arme. Etwa bei Sequenzierungen, aber auch beim Test von Masken oder sanitären Behelfen.
Im sogenannten TerraXcube simuliert das Institut für Alpine Notfallmedizin normalerweise Versuche unter extremen Temperaturen. Jetzt wird dort schon mal der Impfstoff gelagert, und es wird der eine oder andere Eisschrank kurzerhand ausgebaut und dem Sanitätsbetrieb zur Verfügung gestellt. Zudem hat das Forschungszentrum der Eurac im NOI eine Teststrecke eingerichtet, wo man für den Sanitätsbetrieb, aber auch für Unternehmen Covid-Schnelltests durchführt.
 
 
Wir haben in kritischen Situation dem Sanitätsbetrieb mehrmals den Arsch gerettet“, beschreibt eine der beteiligten Forscher die Situation der letzten Monate salopp.
Florian Zerzer & Co haben sich dafür mit einer Sonderimpfaktion bedankt.

Die Sonderaktion

 
Obwohl es weder normative Vorgaben noch einen offiziellen Beschluss des Sanitätsbetriebes gibt, hat man kurzerhand über zwei Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Institute Anfang Februar geimpft. Eine Aktion, die durchaus Sinn macht. Man hat die Mitarbeiter einfach den Ärzten und dem Sanitätspersonal gleichgestellt.
Wir haben eine Liste erstellt, die dann vom Sanitätsbetrieb abgesegnet wurde“, sagt Eurac-Direktor Ortner. Die Aktion führte der stellvertretende Taskforce-Leiter und Verantwortliche für die Südtirol-Testet-Kampagne Patrick Franzoni durch. Im Stillen. Anders als etwa bei der Impfaktion an der Bozner Uni hielt man es nicht für angebracht, das Ganze transparent und öffentlich zu kommunizieren.

Die Prominenz

 
Das dürfte auch an einer Besonderheit der Eurac-Impfung liegen. Denn es wurden noch einige Personen mehr geimpft. So hat die Eurac seit Beginn der Pandemie eine eigene Covid-19-Taskforce eingerichtet. Ihr gehören der Präsident, der Direktor, der Leiter des Arbeitsschutzes, die Pressechefin und der Leiter des Rechtsamtes an. Sie alle wurden ebenfalls geimpft.
So wurde also nicht nur Eurac-Direktor Stefan Ortner geimpft, sondern auch der Eurac-Präsident Roland Psenner und sein Stellvertreter Massimo Tagliavini. Psenner ist Limnologe und Professor an der Uni Innsbruck. Tagliavini hingegen ist Professor an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik an der Uni Bozen. Ebenso geimpft wurde Ulrike Tappeiner, Leiterin des Eurac-Institutes für Alpine Umwelt und amtierende Präsidentin der Freien Universität Bozen.
 
 
Aber auch einer, der in Sachen Covid-19 zum Medienstar avanciert ist. Das Institut für Alpine Notfallmedizin arbeitet seit Jahren mit dem Biostatistiker Markus Falk zusammen. Im Zuge der Corona-Pandemie greift das Forschungszentrum Eurac Research auf seine Expertise zurück und hat den Biostatistiker damit beauftragt, einige Studien zur Ausbreitung von Covid-19 in Südtirol durchzuführen. ​ Obwohl ein Statistiker mit Zahlen und nicht mit Viren arbeitet, hat man Anfang Februar auch Markus Falk mitgeimpft.
Das sind alles Personen, die auch in den besagten Instituten und Laboren aus und ein gehen“, rechtfertigt Stefan Ortner die Impfungen.
Diese Geschichte macht deutlich, dass es auch Südtirol bei den Impfungen anscheinend mit Duldung der Sanitätsspitze diskrete Priorisierungen gibt.
Die Episode ist kein Skandal. Sie zeugt aber von schlechtem Stil.